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May wirbt bei britischer Wirtschaft für Brexit-Deal

Barbara Wesel z.Zt. London
19. November 2018

Theresa May kämpft weiter für ihren Brexit-Deal. Während innerparteiliche Kritiker sie angreifen, sucht May Unterstützung bei der Wirtschaft. Dort gibt es Zuspruch, aber auch Kritik. Aus London Barbara Wesel.

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Großbritannien Confederation of British Industry's | Theresa May, Premierministerin
Bild: Reuters/T. Melville

Die Rede, die Theresa May an diesem Montag beim Verband der britischen Industrie verlas (Artikelbild), kommt aus dem "copy-paste"-Speicher ihrer Mitarbeiter. "Haben wir jetzt etwas Neues gelernt?", murmelten einige Teilnehmer hinterher. Die Frage war wohl eher rhetorisch. Der Brexitschafft nach Theresa May Möglichkeiten, um Arbeitsplätze zu schaffen, die Ausbildung zu verbessern und so weiter. Sie lobt die seit 2010 um 60 Prozent gestiegene Produktion in der  Automobilindustrie, erwähnt aber nicht, dass mehrere Unternehmen bereits Produktionspausen wegen der Brexit-Unsicherheit angekündigt haben. Oder dass ein führender Hersteller der Satelliten-Industrie, Surrey Satellite Technology, jetzt Teile seiner Herstellung in die EU auslagern muss. Und dass die Pharmaindustrie  damit kämpft, schnell Lizenzen in die EU zu verlagern, um den europäischen Markt weiter bedienen zu können.

Im Mittelpunkt die Migration

Die Kontrolle der eigenen Grenzen ist nach May zentrales Anliegen der britischen Bürger. Nach dem Austritt aus der EU aber könne man selbst bestimmen, wer ins Land kommt. "Es wird nicht mehr so sein, dass EU-Bürger, egal welche Qualifikationen sie haben, an der Warteschlange vorbeiziehen und Ingenieure aus Sydney und Software-Entwickler aus Indien hinter sich lassen". Damit sorgt sie bei den Wirtschaftsvertretern im Saal für wenig Begeisterung; im Gegenteil: es gibt viele Klage und besorgte Fragen. 

"Wir brauchen Migration", sagt John Neil vom Real-Estate-Riesen Jones Lang Lasalle. Und natürlich gebe es dabei Unterschiede innerhalb des Landes: "In London brauchen wir vor allem Leute mit guter Ausbildung, woanders werden auch Arbeitskräfte für einfache Jobs gebraucht". Und vor allem das Gesundheitssystem NHS sei abhängig von Fachpersonal auch aus der EU.

Neil befürchtet, dass viele Wirtschaftsbereiche unter Arbeitskräftemangel leiden werden. Gerade im Gesundheitswesen ist die Abwanderung von EU-Personal schon schmerzhaft zu spüren, Anwerbeversuche in europäischen Ländern laufen inzwischen ins Leere. Die Netto- Abwanderung von EU-Arbeitnehmern lag im letzten Jahr bei rund 150.000, die Tendenz ist steigend. Und Andrew Francis vom Bauernverband bekräftig die Angst vor den weiteren Folgen: "Wir brauchen auch ungelernte Arbeitnehmer", bereits jetzt suchten viele Landwirte händeringend Hilfe. Ob diese vor allem aus Osteuropa kommenden Arbeitskräfte sich in Zukunft aber "hinten anzustellen" wollten, wie Theresa May es ausdrückt, ist zweifelhaft. Schon jetzt kehren viele von ihnen Großbritannien den Rücken. 

Der Schlüssel liegt im künftigen Verhältnis

"Wir haben noch eine Woche intensiver Verhandlungen vor uns bis zum Gipfel am kommenden Sonntag. Bis dahin wollen wir die Einzelheiten in der Erklärung über unser künftiges Verhältnis geklärt haben", sagt die Premierministerin. Der Brexit-Deal sei bereits gut für Großbritannien, für die Zukunft aber verspricht May den Wirtschaftsvertretern goldene Berge.

Man werde alle EU-Programme verlassen können, die den Briten nicht gefallen, wie Fischerei und Landwirtschaft. Gleichzeitig will die Premierministerin eine Freihandelszone für Güter mit der EU, mit einer "ehrgeizigen Zollregelung". Fließende Grenzen gegenüber den nächsten Nachbarn in Europa seien wichtig, insbesondere in der Auto-Industrie. Und sie verspricht einen umfassenden Deal für Dienstleistungen quer über alle Wirtschaftsbereiche mit "regulatorischer Ähnlichkeit" so weit wie möglich.

Das alles klingt verdächtig nach EU-Mitgliedschaft, wobei Brüssel Mays Wünsche für den Zugang zum Binnenmarkt für Dienstleistungen schon auf dem Salzburg-Gipfel strikt zurück gewiesen hatte. Aber May hält daran fest: "Es geht beim Brexit darum, einen guten Deal zu bekommen, der die Möglichkeit für eine bessere Zukunft eröffnet". Sie klingt verdächtig wie Boris Johnson, der den Briten seit Jahren verspricht, sie könnten ihren Kuchen haben und essen. Aber Ende aber räumt dann auch May ein: Es sei klar, "(dieser Prozess) wird niemals einfach oder geradlinig sein".

Was sie ihren Kritikern sagen wolle, die ihren Brexit-Deal so sehr hassten und ihn unerträglich fänden, fragt eine Teilnehmerin aus dem Publikum. Sie wolle den "besten Deal für Großbritannien" und sie strebe eine enge Handelsbeziehung nach dem Brexit mit der EU an - das sind Theresa Mays Textbausteine auf alle kritischen Fragen an diesem Tag.

Auf der Suche nach dem großen Kompromiss

"Wir hätten gern mehr Sicherheit, der Deal ist nicht perfekt, aber wir begrüßen den Fortschritt" sagt Carolyn Fairbairn, Generalsekretärin des britischen Industrieverbandes CBI gegenüber der DW. Das Wichtigste sei aber derzeit, dass man sich von der Klippe eines harten Brexit entferne. Sie hatte, wie die meisten Wirtschaftsvertreter, die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens stets verteidigt. Jetzt räumt sie ein, man lebe in "schwierigen Zeiten", aber es gehe darum, nun die Zukunft zu gestalten.

Carolyn Fairbairn
Carolyn Fairbairn, Generalsekretärin des britischen Industrieverbandes CBIBild: DW/B. Wesel

Die größte Angst herrscht bei ihr und ihren Kollegen vor dem No-Deal, der sehr schlecht für existierende Lieferketten sei, für die Grenze in Nordirland, für die ganze Wirtschaft. Und da sie einem zweiten Referendum eher geringe Chancen einräumt, sagt Caroly Fairbain, müsse man pragmatisch sein, denn die Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, würden die Zukunft prägen.

Die CBI-Direktorin hofft, dass sich nach dem Brexit-Deal irgendwie die Tür öffnen werde für den "besten Handelsvertrag aller Zeiten", 4000 und nicht 40 Seiten lang, wie noch gegenwärtig die politische Erklärung. Ein Deal "mindestens so detailliert wie CETA, der auch Dienstleistungen einbezieht". Weiß Fairbairn, dass die CETA-Verhandlungen sieben Jahre gedauert haben, Theresa May aber spätestens 2022 aus der Übergangsphase raus ein will? "Wir leben in einer Welt der Kompromisse", lächelt die Wirtschaftsfrau. Und am Ende räumt sie ein, dass nichts wieder so gut werden kann, wie eine Mitgliedschaft in der EU.