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657 Corona-Fälle in Schlachtbetrieb Tönnies

17. Juni 2020

Die deutschen Fleischunternehmen sind fast "ideale" Hotspots zur Verbreitung des Coronavirus - auch wegen der Gemeinschaftsunterkünfte für die Arbeiter. Nun hat es Tönnies erwischt. Schulen und Kitas machen zu.

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Frisch geschlachtete Schweine in einem Kühlhaus von Tönnies (Foto: picture-alliance/dpa/B. Thissen)
Frisch geschlachtete Schweine in einem Kühlhaus von Tönnies (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Bei dem Fleischgroßunternehmen Tönnies im nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück sind 657 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden. Nach Angaben des Kreises Gütersloh betreffen die Neuinfektionen fast ausschließlich Mitarbeiter des Schlachtbetriebes im Bereich der Zerlegung. Die Kreisverwaltung ließ umgehend alle Schulen und Kitas bis zu den Sommerferien schließen, um eine weitere Ausbreitung des Virus zu vermeiden. Unter den Tönnies-Beschäftigten sind zahlreiche Mütter und Väter mit schulpflichtigen Kindern.

 "Die Firma muss ihre Produktion runterfahren"

Erst am Dienstag hatte der Kreis Gütersloh erklärt, Tönnies habe zugesagt, das Personal in den betroffenen Bereichen der Zerlegung deutlich zu verringern, um die innerbetrieblichen Abstände bei der Arbeit zu vergrößern. Zudem sollten kurzfristig zusätzlich technische Maßnahmen wie die Belüftung mit Frischluft und die Bestrahlung mit UV-Licht ergriffen werden.

Das Fleischunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen (Foto: picture-alliance/dpa/D. Inderlied)
Das Fleischunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen Bild: picture-alliance/dpa/D. Inderlied

Bei einem großangelegten Corona-Reihentest nach einem Ausbruch in einer Fleischfabrik im Kreis Coesfeld im Mai waren bei Tönnies zunächst nur wenige Fälle festgestellt worden. Nach Unternehmensangaben wurde allerdings bei späteren Tests ein Infektionsherd identifiziert. Obwohl alle Kontaktpersonen vorsorglich in Quarantäne geschickt worden seien, habe es weitere Infektionen in dem Schweinefleisch-Zerlegebetrieb gegeben. Der Landrat des Kreises Gütersloh, Sven-Georg Adenauer, zeigte sich schockiert über den sprunghaften Anstieg: "Die Firma muss ihre Produktion runterfahren, soweit es eben geht", sagte der CDU-Politiker der "Neuen Westfälischen".

Forderung nach Strukturwandel in der Fleischindustrie

Die Fleischindustrie ist durch massive Corona-Ausbrüche in einigen Firmen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Gewerkschaften und Kirchen kritisieren seit langem ausbeuterische Arbeitsbedingungen und Wuchermieten in oft heruntergekommenen und beengten Massenunterkünften. Die oft aus Rumänien und Polen stammenden Arbeiter sind in der Regel bei Subunternehmen beschäftigt.

Der katholische Pfarrer Peter Kossen verlangte in einem Interview der DW einen grundlegenden Strukturwandel in der fleischverarbeitenden Industrie, um "diese massenhaften Ausbrüche" in den Griff zu bekommen. So müsse bei den Gemeinschaftsunterkünften das Prinzip "ein Mensch, ein Raum" gelten, um die notwendigen Mindestabstände wirklich einhalten zu können. Auch könnten die Arbeiter dann tatsächlich zur Ruhe kommen, so Kossen weiter. "Frauen und Männer werden schlichtweg verschlissen durch diese Lebens- und Arbeitsbedingungen. Sie werden behandelt, als wenn sie keine Menschenwürde hätten, als wären sie Menschen dritter Klasse." Als katholischer Priester setzt sich Kossen seit Jahren für die ArbeiterInnen in der Fleischindustrie ein.

sti/uh (afp, dpa, rtr, epd)