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Politik

Haftstrafe für Istanbuler Bürgermeister

14. Dezember 2022

Ekrem Imamoglu soll türkische Beamte beleidigt haben - so die justizielle Sprachregelung. Doch man darf eher annehmen, dass Präsident Erdogan vor der Wahl 2023 einen veritablen Konkurrenten kaltstellen will.

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Der 52 Jahre alter CHP-Politiker Ekrem Imamoglu gilt als aufstrebender Stern in der türkischen Politik
Der 52 Jahre alter CHP-Politiker Ekrem Imamoglu gilt als aufstrebender Stern in der türkischen Politik Bild: Linda Say/dpa/picture alliance

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu ist wegen Beleidigung zu mehr als zwei Jahren und sieben Monaten Haft verurteilt worden. Ein Gericht sah es als erwiesen an, dass er türkische Beamte beleidigt habe. Mit dem Urteil ist Imamoglu faktisch künftig von jedem politischen Amt ausgeschlossen. Sein Anwalt kündigte an, Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Geschehnisse um Kommunalwahlen 2019 als Anklagegrundlage 

Imamoglu war in der Anklageschrift vorgeworfen worden, die Mitglieder der türkischen Wahlbehörde rund um die Kommunalwahlen im Jahr 2019 öffentlich beleidigt zu haben. Er soll die Kommissionsmitglieder unter anderem als "Idioten" bezeichnet haben. Sein Anwalt hatte den Prozess und die Vorwürfe gegen seinen Mandanten als "gegenstandslos" bezeichnet. Imamoglu habe nicht die Wahlbehörde gemeint, sondern damit auf die gleiche Beleidigung vonseiten des türkischen Innenministers gegen ihn reagiert, hieß es in der Schlussverteidigung.

Der Hintergrund dieses Streits: Eine erste Wahl zum Bürgermeister von Istanbul 2019 hatte Imamoglu knapp gegen den Kandidaten der AKP gewonnen, der Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Die Wahlkommission annullierte das Ergebnis jedoch auf Antrag der AKP und ließ die Abstimmung wiederholen - doch Imamoglu gewann erneut. Seitdem gilt Imamoglu als aufstrebender Politikstern und als potenzieller Herausforderer von Staatschef Erdogan bei der Präsidentenwahl 2023.

Die Wahl des 52 Jahre alten Politikers der sozialdemokratischen CHP zum Bürgermeister der Metropole am Bosporus war eine empfindliche Niederlage für den türkischen Präsidenten. Istanbul mit seinen 16 Millionen Bewohnern war zuvor über mehr als 20 Jahre von der AKP und ihren politischen Vorgängern regiert worden. Erdogan selbst war dort einst Bürgermeister.

CHP-Chef bricht Deutschland-Besuch ab

Der Prozess gegen Ekrem Imamoglu war an diesem Mittwoch unter sichtbaren Sicherheitsvorkehrungen weitergegangen. Ab dem frühen Morgen waren die unmittelbare Umgebung des Gerichtsgebäudes abgeriegelt sowie die Straßen von der Polizei gesperrt.

Am Abend zeigt sich Ekrem Imamoglu am Rathaus von Istanbul seinen zahlreichen Anhängern
Am Abend zeigt sich Ekrem Imamoglu am Rathaus von Istanbul seinen zahlreichen Anhängern Bild: ONUR GUNAL/IBB/REUTERS

Noch während des Prozesses versammelten sich mehrere Hundert Menschen aus Protest gegen das Verfahren vor dem Rathaus Istanbuls. CHP-Chef Kemal Kilicdaroglu brach in Reaktion auf das Urteil eine Deutschland-Reise ab, wie die Partei mitteilte.

Bei einem früheren Verhandlungstermin im November hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe zwischen 15 Monaten und vier Jahren für Bürgermeister Imamoglu gefordert. Imamoglu erhob den Vorwurf, der Prozess sei "politisch" motiviert. "Es ist wirklich traurig, dass wir so weit gekommen sind, aber ich will trotz allem den Richtern vertrauen", sagte er in einem Interview des türkischen Privatsenders TV100.

In einer ersten Stellungnahme wertete Imamoglu dann das Urteil als unfassbar und als große Ungerechtigkeit. Es werfe ein Licht auf die Zustände in der Türkei. Der Kampf werde jetzt mit Gottes Hilfe noch heftiger geführt werden.

sti/los/AR (afp, ap, rtr)