Mehr Geld für (fast) alle
13. März 2015Wenn im Bundesfinanzministerium von Eckwerten die Rede ist, dann sind damit deutlich mehr als nur grobe Linien gemeint. So manches hört sich in den "Eckwerten des Regierungsentwurfs des Bundeshaushalts 2016 und des Finanzplans bis 2019" daher auch schon ziemlich konkret an. Beispielsweise die Gesamtsumme der veranschlagten Ausgaben. 312,5 Milliarden Euro sind im kommenden Jahr für Ausgaben vorgesehen, das sind 3,3 Prozent mehr als in diesem Jahr.
Auf der Einnahmen-Seite sind ebenfalls 312,5 Milliarden Euro veranschlagt und damit ist die erste und wichtigste Botschaft des Eckwertepapiers verbunden: Wie schon in diesem Jahr soll der Bundeshaushalt auch 2016 und in den Jahren danach ohne neue Schulden auskommen. Zwar ist in der Tabelle mit den wesentlichen Haushalts-Kennziffern für die Jahre 2015 bis 2019 immer noch die Spalte "Neuverschuldung" ausgewiesen, allerdings ist sie orange markiert und habe, so heißt es im Finanzministerium scherzhaft, "nur noch historischen Charakter".
Schuldenstand bleibt gewaltig
Mit der mittelfristigen Finanzplanung, wie die Vorgaben für die Jahre 2017-2019 genannt werden, sollen die Maastricht-Kriterien wieder in erreichbare Nähe rücken: Bis Ende 2017 soll die Schuldenstandsquote auf weniger als 70 Prozent sinken. 1,2 Billionen Euro Schulden hat der Bund und zahlt dafür im kommenden Jahr 25 Milliarden Euro Zinsen.
Die schwarze Null sei die Voraussetzung dafür gewesen, dass der Finanzminister nicht mehr "Getriebener der Finanzpolitik" sei, sondern dass in bestimmten Politikbereichen jetzt Schwerpunkte gesetzt werden könnten, heißt es.
Die dürfen sich die Minister in ihren Ressorts allerdings nicht mehr in Eigenregie überlegen und dann zur Finanzierung anmelden, wie das früher üblich war. In der großen Koalition aus CDU, CSU und SPD gilt die Top-Down-Planung: Das heißt, die Spitze entscheidet. Für die Ministerien sei es etwas ungewohnt gewesen, globale Vorgaben zu bekommen, ist zu hören. Den christdemokratischen Finanzminister hingegen erhebt das Verfahren zu einem politischen Steuermann mit reichlich Handlungsspielraum.
Minister müssen sich fügen
Was das bedeutet, bekommt derzeit die sozialdemokratische Bundesfamilienministerin zu spüren. Zwar sind im kommenden Bundeshaushalt erheblich mehr Leistungen für eine Anhebung des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vorgesehen. Der Freibetrag für Alleinerziehende, den Ministerin Manuela Schwesig gerne erhöht sehen würde, ist hingegen nicht berücksichtigt. Rund eine Milliarde Euro würde die Maßnahme zusätzlich kosten. Wenn die Ministerin mehr Geld für Alleinerziehende haben wolle, dann müsse sie erklären, woher sie das Geld nehmen wolle, heißt es dazu knapp im Finanzministerium.
Mit anderen Worten: Schwesig müsste die erforderliche Milliarde an anderer Stelle einsparen. Noch ist auf politischer Ebene zwischen Union und SPD zwar nicht entschieden, ob Schäuble bei seiner Ablehnung bleiben kann. Möglich ist es aber, weil die Koalition entschieden hat, der "Rente mit 63" und der "Mütter-Rente" nicht noch mehr Sozialleistungen folgen zu lassen.
Ohnehin steigen die Ausgaben in diesem Bereich kontinuierlich an. Musste der Bund 2013 noch 145 Milliarden Euro für Sozialleistungen aufwenden, so werden es laut aktueller Finanzplanung 2019 mehr als 170 Milliarden Euro sein. Die Sozialquote wird dann bei 52 Prozent liegen. Maßgeblich getrieben werden die Kosten durch die Bundeszuschüsse in die Rentenversicherungen und die gesetzlichen Krankenkassen. Allein in die Rentenkassen werden 2019 mehr als 98 Milliarden Euro fließen.
Mehr Geld für Investitionen
Einen politischen Schwerpunkt will die große Koalition beim Thema "zukunftsorientierte Investitionen" setzen. Im vergangenen November kündigte Finanzminister Wolfgang Schäuble an, er werde rund zehn Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Dazu kommen, rechnet man den Nachtragshaushalt 2015 mit ein, der im Frühsommer verabschiedet werden soll, fünf Milliarden Euro, mit denen die Kommunen entlastet werden sollen. 3,5 Milliarden davon fließen in einen "Kommunalinvestitionsförderungsfonds" für besonders finanzschwache Kommunen.
Allerdings gibt es die versprochenen Milliarden nicht gleich im kommenden Jahr, sondern sie sind bis 2018 veranschlagt. Die Ministerien müssen auch damit leben, dass von den zehn Milliarden Euro aus dem Investitionsprogramm der Bundesregierung rund drei Milliarden ausschließlich in jene Ressorts fließen, deren Etats zur Finanzierung des Betreuungsgeldes für Eltern, deren Kinder keinen Kindergarten besuchen, gekürzt worden waren.
Von den verbleibenden sieben Milliarden wird der Löwenanteil mit rund 4,3 Milliarden Euro in Straßen, Schienen, Brücken und andere öffentliche Verkehrsinfrastruktur fließen. Außerdem soll der Ausbau der digitalen Infrastruktur forciert werden. Knapp 1,2 Milliarden Euro sollen für Maßnahmen zur Energieeffizienz ausgegeben werden. Es folgen Posten für den Klima- und Hochwasserschutz und kleinere Vorhaben in den Geschäftsbereichen des Umwelt-, Wirtschafts- und Familienministeriums sowie des Auswärtigen Amts.
Digitalfunk für die Sicherheit
Neben den Investitionsvorhaben ist im Haushalt 2016 mehr Geld für die Modernisierung der Bundeswehr vorgesehen, die Rede ist von 900 Millionen Euro. Auch das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und der Verfassungsschutz können mit mehr finanzieller Unterstützung rechnen. Die Entwicklungshilfe soll bei 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen und bis 2019 um insgesamt 8,3 Milliarden Euro aufgestockt werden, von denen knapp 1,2 Milliarden im kommenden Jahr zur Auszahlung kommen.
Am Mittwoch will Bundesfinanzminister Schäuble die Eckwerte seines Haushaltsentwurfs 2016 vom Kabinett billigen lassen. Danach bleiben gut drei Monate für regierungsinterne Korrekturen und den Feinschliff, bevor das Kabinett am 1. Juli den kompletten Gesetzentwurf vorgelegt bekommt. Es folgt die parlamentarische Beratung mit der ersten Lesung im Bundestag im September, einer anschließenden Debatte in den Ausschüssen, sowie der zweiten und dritten Lesung und der Verabschiedung durch den Bundestag im November.
Bis dahin ist noch viel Zeit und es kann sehr viel - auch Haushaltsrelevantes - passieren. Was wäre eigentlich, wenn Griechenland aus dem Euro austreten würde? Wäre bei einem Grexit die "schwarze Null" im Haushalt in Gefahr? Über solche Fragen will im Finanzministerium - jedenfalls offiziell - derzeit niemand nachdenken.