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Mehr Gewalttaten von Rechtsextremisten

Nina Werkhäuser30. Juni 2015

Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist gestiegen. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht 2014 hervor. Besonders häufig wurden Flüchtlingsunterkünfte das Ziel von Angriffen.

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Symbolbild Rechte Gewalt hat zugenommen
Bild: picture alliance/NurPhoto/M. Heine

Um 24 Prozent, berichtete Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), sei die Zahl der extremistisch motivierten Gewalttaten im Jahr 2014 gestiegen. Der Verfassungsschutzbericht weist für das vergangene Jahr 990 Gewalttaten aus, die auf das Konto von Rechtsextremisten gingen. Einen Höchststand hat in diesem Zusammenhang die Zahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten erreicht, die der Bericht mit 512 beziffert. "Mehr als erschreckend" nannte der Bundesinnenminister jene 170 Straftaten, die sich im Jahr 2014 gegen Flüchtlingsunterkünfte richteten, mehr als dreimal so viele wie im Jahr zuvor.

"Klima der Angst"

Diese Übergriffe, so de Maizière, erzeugten in den betroffenen Kommunen "ein Klima der Angst und der Einschüchterung". Es sei nicht hinnehmbar, dass Bürgermeister oder Ehrenamtliche, die sich für Flüchtlinge einsetzen, bedroht würden. Es dürfe kein stilles Einverständnis mit Gewalttaten gegen Asylbewerber oder Flüchtlingsunterkünfte geben. "Hier müssen wir gemeinsam klare Kante zeigen", forderte de Maizière.

Die Strategie der Rechtsextremisten beschrieb Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, so: Sie versuchten zunehmend, Themen aufzugreifen, die den Menschen Sorgen machten und Bewegungen wie etwa die "Pegida"-Märsche zu vereinnahmen oder zu unterwandern.

Rechtsterroristen im Visier

Als Erfolg werteten de Maizière und Maaßen die frühzeitige Aufdeckung der "Old School Society" in diesem Frühjahr, gegen die der Generalbundesanwalt wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Die Gruppe soll Anschläge auf Moscheen und Asylbewerberheime geplant haben.

Die Verfassungsschützer kamen ihr durch das Chatprogramm "WhatsApp" auf die Spur. "Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern hat hier vorzüglich funktioniert", betonte de Maizière. Hier hätten die Verfassungsschutzbehörden aus den Pannen beim Umgang mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) gelernt. Die rechtsextremistische Terrorzelle war wegen gravierender Ermittlungsfehler und mangelnder Abstimmung zwischen den Verfassungsschutzämtern lange unentdeckt geblieben.

Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen (links) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellen in Berlin den Verfassungsschutzbericht vor
Verfassungsschutzpräsident Maaßen (links) und Innenminister de Maizière mit dem Verfassungsschutzbericht 2014Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Leipzig neuer Schwerpunkt linksextremer Gewalt

Auch in der linksextremistischen Szene stellten die Verfassungsschützer eine gestiegene Gewaltbereitschaft fest. Als Beispiel nannte Thomas de Maizière die Ausschreitungen rund um die Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Dort hätten Linksextreme mit "Zerstörungswut und Lust an der Gewalt" agiert. "Mich hat das Ausmaß der Verrohung, das wir dort erlebt haben, tief erschüttert", sagte der Innenminister.

Ein neuer Schwerpunkt linksextremer Gewalt sei Leipzig. Zuletzt hätten dort Anfang Juni große Gruppen Vermummter randaliert, Blockaden errichtet und Pflastersteine geworfen. Die im Februar 2014 neu eröffnete Polizeiwache im Stadtteil Connewitz sei bereits sechzehn Mal von linksextremen Randalierern angegriffen worden, sagte de Maizière. Polizeibeamte, aber auch Rettungskräfte würden immer häufiger das Ziel von Angriffen.

"Digitale Verwundbarkeit"

Eine erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit geht außerdem von Kämpfern aus, die aus Syrien oder dem Irak nach Deutschland zurückgekehrt sind. Ihre Zahl ist nach den Erkenntnissen der Verfassungsschützer auf etwa 700 gestiegen. Dazu kommen 7.500 Salafisten in Deutschland - im Jahr 2011 waren es noch 3.800. "Hier haben wir den Eindruck, dass die Gesellschaft die Radikalisierungsprävention noch nicht im Griff hat", sagte Verfassungsschutzpräsident Maaßen. Trotz der erhöhten Wachsamkeit der Sicherheitsbehörden könne es auch in Deutschland Anschläge geben.

Kaum noch beherrschbar - wie die folgenschwere Cyberattacke auf den Bundestag zeige - scheint der Schutz des Internets. Täglich würden mehrere Tausend Angriffe auf die IT-Infrastruktur des Bundes technisch abgewehrt, sagte Maaßen. Ein Teil dieser Angriffe kämen von Nachrichtendiensten anderer Länder. Die Hauptakteure seien Russland, China und der Iran. Daraus und aus der NSA-Affäre hätten die deutschen Dienste die Konsequenz gezogen, dass sie mit einem "360-Grad-Blick" nun grundsätzlich alle Aktivitäten fremder Nachrichtendienste in Deutschland beobachteten, auch die befreundeter Staaten. Außerdem sei der Arbeitsbereich "Elektronische Angriffe" im Bundesamt für Verfassungsschutz gestärkt worden. Die mögliche Ausspähung deutscher Bürger durch den US-Geheimdienst NSA in Deutschland ist für Amtschef Maaßen hingegen kein Grund zur Sorge: "Dafür haben wir keine Anhaltspunkte."