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Mehr Zeit für Chinas Immobilienriesen Evergrande

4. Dezember 2023

Evergrande gilt als der am höchsten verschuldete Immobilienkonzern weltweit. Ihm droht die Abwicklung, doch eine überraschende Gerichtsentscheidung verschafft dem Unternehmen wieder mehr Luft.

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Evergrande Immobilienkonzern China
Evergrande-Wohnhäuser in Nanjing, ChinaBild: STR/AFP/Getty Images

China Evergrande gilt als das Aushängeschild von Chinas boomenden Bausektor. Oder besser galt: Denn der Schuldenberg des Unternehmens ist erdrückend. So liegen die Gesamtverbindlichkeiten liegen bei mehr als 300 Milliarden Dollar - umgerechnet 275 Milliarden Euro.

2021 war Evergrande mit seinen Auslandsschulden in Verzug geraten, Gläubiger aus dem Ausland hatten deshalb vor Gericht geklagt. So ist der Konzern zum Symbol einer Schuldenkrise geworden, die seither den chinesischen Immobiliensektor erfasst hat.

Nun ist der Immobilienriese haarscharf seiner Abwicklung entgangen. Eigentlich sollte vor einem Hongkonger Gericht ein Liquidationsantrag verhandelt werden, doch der Konzern wollte die Anhörung verschieben. Keiner der Gläubiger strebe "aktiv" eine Liquidation an, argumentierte ein Anwalt des Unternehmens. Überraschend vertagte die zuständige Richterin Linda Chan daraufhin die Entscheidung auf den 29. Januar.

China Xu Jiayin Porträt
Umstrittener Geschäftsmann - Xu Jiayin hier im März 2018Bild: Bei Piao/HPIC/picture alliance/dpa

Chan hatte bei der zurückliegenden Verhandlung bereits vom letzten Aufschub gesprochen, und dass sie sehr wahrscheinlich einer Abwicklung stattgeben würde, wenn China Evergrande keinen Plan für die Sanierung mit den Gläubigern fände. Berichten zufolge hatten die Anwälte des an der Hongkonger Börse notierten Konzerns nun aber in Aussicht gestellt, in den kommenden Wochen eine Einigung mit den Kreditgebern finden zu können.

Sinnbild der chinesischen Immobilienkrise

Mit einer Abwicklung würde etwa ein Insolvenzverwalter das Unternehmen zu Geld machen und damit die Gläubiger ausbezahlen. Einige Experten sind der Meinung, dass eine Abwicklung den Gläubigern weniger Geld zurückbringen würde als eine Sanierung. Damit argumentierte Berichten zufolge auch Evergrande vor Gericht.

Evergrande steht im Mittelpunkt der Krise des chinesischen Bausektors. Chinas Behörden hatten 2020 mit Beschränkungen bei der Kreditbeschaffung auf die ausufernde Verschuldung der Branche reagiert. Besonders bei Evergrande führte dies zu Zahlungsausfällen und Projektabbrüchen. 2021 beantragte der Konzern ein Insolvenzverfahren. Doch auch andere chinesische Konzerne bekommen zunehmend Probleme. 

Im März dieses Jahres bot Evergrande seinen Gläubigern an, ihre Schulden gegen neue, vom Unternehmen ausgegebene Wertpapiere und Aktien zweier Tochtergesellschaften einzutauschen. Im September wurde der Konzernchef Xu Jiayin in China festgenommen, die Aktienkurse stürzten ab. Der Handel mit den Aktien des Baukonzerns wurde daraufhin eingestellt, Anfang Oktober jedoch wieder aufgenommen. Behördliche Untersuchungen gegen eine weitere Tochterfirma sorgten für weitere Unsicherheit. Konzernchef Xu Jiayin steht mittlerweile wohl unter einer Art Hausarrest, wie Medien berichteten. 

"Der Fall Evergrande zeigt auch, dass die Ära der großen privaten Immobilienentwickler in China zu Ende geht", sagt Max Zenglein vom China-Institut Merics in Berlin. Sollte die Richterin Chan im Fall China Evergrande auf Abwicklung entscheiden, könnte sich das auch auf andere Unternehmen auswirken. "Eine Herausforderung für die Regierung wird sein, Dominoeffekte in der Wirtschaft durch große Pleiten zu verhindern", sagt Zenglein. Chinas Immobiliensektor steht für fast ein Viertel der Wirtschaftsleistung des Landes. 

Hongkong verfügt allerdings über ein eigens Rechtssystem und wird von ausländischen Unternehmen als Gerichtsstand bevorzugt. Es bleibt allerdings unklar, ob ein von einem Hongkonger Gericht erlassener Abwicklungsentschluss in China vollstreckt würde.

nm/hb (afp, dpa, rtr)