Mehrwegbecher Pflicht in Bundesliga-Stadien
17. Januar 2023Das Bier aus dem Einwegbecher und die Currywurst mit Pommes auf einem Plastikteller - diese Bilder könnten in deutschen Fußballstadien bald der Vergangenheit angehören. Zum Start der Bundesliga nach der WM- und Winterpause müssen die Cateringbetreiber in den Stadien laut Gesetz auch Mehrwegbecher anbieten, zum selben Preis wie die Einwegvariante.
Seit dem 1. Januar 2023 gelten die neuen Vorgaben aus dem Verpackungsgesetz. Sie verpflichten Unternehmen wie Restaurants, Kantinen, Supermärkte oder Cafés, die Essen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen, ihre Produkte auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Das gilt auch in Fußballstadien - und zwar bis hinunter in die Regionalliga. Allerdings in diesem Fall nur für Getränke. Bei Speisen dürfen in den Stadien auch weiter Einweg-Behälter als einzige Option angeboten werden, wenn diese aus reiner Pappe, Holz oder Aluminium bestehen. In den meisten Stadien werden momentan Pappteller und Holzbesteck angeboten.
Die neuen Vorgaben haben laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) 17 von 18 Erstligisten schon von Beginn der Saison an freiwillig umgesetzt. Aufsteiger Schalke 04 hat als letzter Bundesligist zum 1. Januar 2023 umgestellt. Noch vor fünf Jahren hatten zehn Vereine in der ersten Liga ausschließlich Einwegbecher verwendet und damit jedes Jahr einen Müllberg von mehr als 8,5 Millionen Plastikbechern verursacht.
Bundesliga als Vorreiter
Laut Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) ist Deutschland damit EU-weit Vorreiter. Auch der deutsche Fußball nehme beim Thema Nachhaltigkeit international eine Vorreiterrolle ein, bestätigt die Nachhaltigkeits-Expertin Tanja Ferkau der DW. Denn ab kommender Saison werden sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Nachhaltigkeitskriterien verpflichtender Teil des DFL-Lizenzierungsverfahrens mit dem Ziel, die nachhaltigste Liga der Welt zu werden. Einige Kriterien hätten schärfer sein können, aber man müsse sicherstellen, dass sie auch für einen Drittliga-Aufsteiger umsetzbar sind, erklärt Ferkau.
Auch der Deutsche Fußball-Bund engagiert sich mit mehreren Maßnahmen und Aktionsspieltagen im DFB-Pokal, der Frauen-Bundesliga und der 3. Liga. Dort gibt es "Klima-Logos" auf den Kapitänsbinden, vegane Bratwürste oder Eckfahnen mit den "Warming Stripes". Diese sind eine visuelle Darstellung wissenschaftlicher Daten eines Klimatologen und sollen die Erderwärmung verdeutlichen.
"Umweltpioniere" St. Pauli, Bremen und Freiburg
Einige Bundesligisten haben das Thema Umweltschutz schon deutlich länger für sich entdeckt als andere. Die DUH hebt drei hervor: Zweitligist FC St. Pauli, den SC Freiburg und Werder Bremen. "Das sind Vereine, die Umweltschutz von Anfang an gedacht haben, seit Ende der 90er-Jahre, als das überhaupt noch kein Thema im Fußball war. Die haben Trends gesetzt", sagte der DUH-Bereichsleiter Kreislaufwirtschaft, Thomas Fischer, der DW.
Der SC Freiburg hat unter anderem sein Stadion nach eigenen Angaben mit einem der weltweit größten Solardächer ausgestattet, nutzt Ökostrom und setzt schon seit Jahrzehnten auf Mehrwegbecher. Werder Bremen sei ein Vorbild beim Thema nachhaltige Mobilität: Die ÖPNV-Anbindung sei vorbildlich, dazu gebe es eine Infrastruktur für tausende Fahrräder, die am Stadion abgestellt werden könnten, weiträumige Sperrungen im Stadionbereich sowie ein gutes Fußwegenetz. St. Pauli wählt seine Partner zum Beispiel nach ökologischen und sozialen Kriterien aus und setzt auf eine eigene, nachhaltig produzierte Teamkollektion.
Merchandising sei neben Energie, Verkehr, Emissionen und Abfall eines der wichtigsten Umwelthandlungsfelder im Fußball, sagt Fischer. Die Sportartikelhersteller Nike und Puma haben bereits umgestellt. Sie verwenden nach eigenen Angaben für die Trikotproduktion 100 Prozent recyceltes Polyester. Bei Adidas seien es etwas mehr als 90 Prozent, das Trikot des FC Bayern München bestehe aber schon jetzt ausschließlich aus recyceltem Polyester.
DUH: "Nachholbedarf bei ostdeutschen Vereinen"
Es gebe allerdings auch Vereine, die sehr defensiv mit dem Thema umgingen, berichtet Fischer, wie zum Beispiel der FC Schalke 04 oder der VfB Stuttgart. Auch viele ostdeutsche Fußballvereine hätten großen Nachholbedarf. "Dresden, Aue, Chemnitz, Zwickau - die tun sich auch nicht durch Pilotprojekte hervor. Da haben wir immer eine sehr abwehrende Haltung bemerkt." Die Reaktionen dieser Klubs seien oft einsilbig gewesen, "manchmal sogar schon fast aggressiv". Da habe er gemerkt: "Okay, die haben das nicht verstanden."
Deshalb sei es immens wichtig, dass die DFL Ziele formuliert und eine Verbindlichkeit schafft in den Bereichen Ressourcenmanagement, Abfall, Emissionen im Verkehr, Merchandising, so "dass auch diejenigen, die sich als Einzelfall nicht mit diesen Themen auseinandersetzen wollen, es müssen".
Fischer sieht insgesamt noch viele Bereiche, in denen der deutsche Fußball umweltfreundlicher werden könnte: Grüne Energie, regenerative Energien zur Stromnutzung und eine nachhaltige Rasenheizung sollten zum Standard werden. Dazu kommt der Vorbildcharakter beim Thema Mobilität: "Wie wird gereist? Kann man auf Kurzstreckenflüge verzichten? Von Berlin muss man nicht nach Frankfurt fliegen, da gibt es eine gute ICE-Anbindung. Braucht man eine eigene Dienstwagenflotte? Vielleicht könnte man auch mal mit dem Fahrrad fahren, wenn man in der Nähe wohnt."
Das Mindeste, was man demnächst machen könnte, sei, auch die Speisen-Behältnisse auf Mehrweg umzustellen. Das sei ein "scheunentorgroßes Loch" in der Angebotspflicht, die die Vereine schlicht umgehen könnten und was auch weiterhin Woche für Woche unnötigen Einweg-Geschirr-Müll verursacht.