Mein Deutschland: Wie Feuer und Wasser
5. November 2015Es hat sich sehr schnell als ein Fehler erwiesen, täglich zwischen Köln und Düsseldorf zu pendeln. Damals hatte die Deutsche Welle ihren Sitz noch in Köln, doch ich zog der Liebe wegen zu meinem Freund nach Düsseldorf. Jeden Morgen begab ich mich in den Kolonnenverkehr und freute mich auf meine geliebte Domstadt. "Das Schönste an Düsseldorf ist die Autobahn nach Köln", haben mir die Kölner versichert. Aber das gilt nicht für Menschen mit einem Düsseldorfer Autokennzeichen - die Kölner ließen mich einfach nicht einreihen.
Für sie war ich nun eine Verräterin, und in Düsseldorf kam ich mir vor wie ein ungeschickter Spion, der sich fortwährend enttarnte. So bestellte ich in Kneipen gewohnheitsmäßig Kölsch, was bitterböse Blicke des Kellners nach sich zog. Dass solche Fehltritte nicht sofort in Schlägereien endeten, hatte ich einzig und allein meinem weiblichen Geschlecht und meinem asiatischen Aussehen zu verdanken.
Beim Karnevalszug rutschte mir immer wieder "Alaaf" raus. Der Kölner Schlachtruf klingt so rhythmisch und geschmeidig, während die Melodie beim Düsseldorfer "Helau" in der Mitte absackt und sich wie ein Schlagloch auf der Straße anfühlt.
Wie verhext
Apropos Straße: In der Innenstadt von Düsseldorf versagte jedes Mal mein Orientierungssinn. Daraufhin kaufte ich mir ein Navigationsgerät. Es war wie verhext - das blöde Ding führte mich im Kreis. "Kein Wunder, Du hast es ja auch in Köln gekauft", sagte eine Düsseldorfer Bekannte verächtlich.
Dass Japaner mich in jener Stadt andauernd in ihrer Landessprache grüßten, brachte das Fass zum Überlaufen. Das ist durchaus vergleichbar mit folgender Situation: "Ein Tourist spricht in Düsseldorf einen Kölner an: 'Du siehst aus wie ein Einheimischer. Kannst Du mir sagen, wie ich am schnellsten ins Krankenhaus komme?' Er antwortet: 'Ja. Nenn mich noch einmal Düsseldorfer.'"
Der Umzug nach Düsseldorf war ein totaler Reinfall. Nun fuhr ich auch noch am Wochenende nach Köln, um einzukaufen, ins Kino zu gehen und um zwischendurch ein schlankes Kölsch-Glas mit dem golden-klaren Gebräu in der Hand zu halten. Wenn ich dann meine Kölner Freunde traf, fragten sie mitleidig oder schadenfroh: "Na, wie fühlt sich das Leben in der Verbotenen Stadt an?"
Auch Peking und Shanghai mögen sich nicht
Damit meinen sie natürlich nicht den chinesischen Kaiserpalast, sondern die von ihnen verhasste und gemiedene Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen. Dennoch muss ich dabei immer an meine Heimatstadt Peking denken und über die tiefe Abneigung der Pekinger gegenüber Shanghai schmunzeln. Was hat die Metropole im Süden schon zu bieten? Kaum Sehenswürdigkeiten, wenig geistige Tiefe. Die Männer stehen unter dem Pantoffel, drehen jede Münze zweimal um und haben keinen Sinn für Humor. Früher haben sie den Kolonialherren gut gedient und heute müssen sie ihr hohes Steueraufkommen als Tribut an die Hauptstadt zahlen. Die Shanghaier lassen solches Gerede nicht auf sich sitzen. Wer hat Peking überhaupt zur Hauptstadt gemacht? Mongolen und Mandschu. Von Mode und Lebensstil verstehen die Hauptstädter nichts. Sie kopieren alles aus Shanghai und verwechseln Humor mit Geschwätz.
Dass die Konkurrenz zwischen zwei Städten gelegentlich zur gegenseitigen Geringschätzung führt, ist nichts Neues. Peking und Shanghai trennen zudem über tausend Kilometer. Die Mentalität zwischen Nord- und Südchinesen kann unterschiedlicher nicht sein. Aber was ist mit Köln und Düsseldorf? Zwischen den beiden Metropolen am Rhein liegen nur gut 40 Kilometer. Da muss die Feindschaft andere Gründe haben.
Besiegelte eine Schlacht die Feindschaft?
Bei der Recherche bin ich sogar auf ein konkretes Datum gestoßen. Am 5. Juni 1288 brachten sich zwei gewaltige Ritterheere auf der Fühlinger Heide südlich von Worringen zwischen Köln und Düsseldorf in Stellung. Angeführt wurden sie auf der einen Seite vom Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg und dem mit ihm verbündeten Graf Rainald von Geldern, auf der anderen Seite vom Düsseldorfer Graf Adolf von Berg und dem damaligen Popstar des Militärs, dem Herzog von Brabant. Dem stundenlangen Gemetzel, bei dem die Ritter im Kettenhemd vor Hitze und Blut Freund vom Feind kaum unterscheiden konnten, fielen 6000 Männer zum Opfer. Es war die blutigste Ritterschlacht im Mittelalter und eine der folgenreichsten. Auf europäischer Ebene führte sie zur Unabhängigkeit von den Niederlanden und Belgien; auf regionaler Ebene wurde sie zur Geburtsstunde der Stadt Düsseldorf.
Aber taugt die Worringer Schlacht als Indiz für den Beginn einer tiefen Feindschaft zwischen Köln und Düsseldorf? Wohl kaum. Denn für den Kölner Erzbischof kämpften in erster Linie Söldner. Die Kölner Bürger hatten die Herrschaft von Siegfried satt, zogen mehrheitlich als Gegner des Erzbischofs nach Worringen und feierten mit den Düsseldorfern den gemeinsamen Sieg. Auch Heinz Finger, Leiter der Diözesanbibliothek Köln und Kenner der Kölner Geschichte, sieht die Stadt Köln vor über 700 Jahren mit dem Graf Adolf von Berg verbündet. Das heißt, "dass die Schlacht von Worringen kein wirklicher Grund für eine Feindschaft zwischen Köln und Düsseldorf sein kann".
Es ist wohl eher die Ernennung zur Landeshauptstadt von Düsseldorf durch die britische Besatzungsmacht nach dem Zweiten Weltkrieg und die damit einhergehende rasante Entwicklung der Stadt, die nachhaltig an der Kölner Seele nagen. Heute ist Düsseldorf eine Mode- und Finanzmetropole mit einem eigenen Börsenplatz und Sitz von drei Dax-Unternehmen. Mit deutlich weniger Einwohnern erzielt die Stadt weitaus mehr Steuereinnahmen als Köln. Wieder eine Parallele zu Peking und Shanghai.
Eher ein volkskundlicher Scherz
Heinz Finger geht davon aus, "dass die sogenannte Feindschaft zwischen Köln und Düsseldorf mehr auf traditionellem Brauchtum beruht - sozusagen ein volkskundlicher Scherz ist - als dass sie ein 'fundamentum in re' hat“. Ein Scherz also, den die Menschen aus beiden Städten mehr oder weniger ernst nehmen.
Mich zog es nach einem kurzen Intermezzo wieder in die Domstadt zurück. Für meine Kölner Freunde war meine Beziehung mit einem Düsseldorfer von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Nun kann ich während der Karnevalszeit wieder laut und ungehemmt über die Witze rund um Düsseldorf lachen.
Zhang Danhong ist in Peking geboren und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland.
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