Der Mönch am Meer
5. Februar 2007Empfindungen sichtbar gemacht
Das Individuum mit seinen Gefühlen und in seiner Einsamkeit so in den Mittelpunkt zu stellen, war neu. "Damals hat man eher die Natur nachgeahmt", erklärt Bin Chuen Choi, "während Caspar David Friedrich versucht hat, ungreifbare Empfindungen sichtbar zu machen."
Vielleicht spricht das Bild des einflussreichen Romantikers deshalb seit fast 200 Jahren so viele Menschen an. Der "Mönch am Meer" wurde zu einer Identifikationsfigur für Sinnsuchende, Melancholiker und Einsame, sein Bild eine universell verständliche Ikone der deutschen Romantik.
Der Mönch im Hochhaus
Für den 1967 geborenen Medienkünstler überträgt sich die Faszination des Motivs umstandslos auf seine Gegenwart. "Die Geschichte Hongkongs ist nicht mal so alt wie dieses Bild. Die ist gerade mal 150 Jahre alt. Aber dennoch kann ich persönlich mitfühlen, weil Hongkong so eine große Stadt ist und eigentlich nur aus sehr vielen Hochhäusern besteht, und sehr vielen Menschen, die aber relativ isoliert leben. Diese Einsamkeit ist schon sehr deutlich zu erkennen."
Nähe empfindet Choi auch ästhetisch. "Die asiatische Malerei ist im Gegensatz zu europäischen Gemälden sehr reduziert. Die Fläche wird nicht so zugemalt wie bei den Europäern. Deshalb entspricht dieses Bild eher der asiatischen Ästhetik."
Zwischen Verzweiflung und Hoffnung
Caspar David Friedrich hat zwei Jahre lang an "Der Mönch am Meer" gemalt, während er selbst von Depressionen geplagt war. Bin Chuen Choi erkennt in dem Werk einen Künstler im Schwebezustand zwischen Verzweiflung und Hoffnung: "Als ich länger geguckt habe, schaute ich automatisch auf diese Öffnung in den Wolken, wo das Licht durchkommt. Diese Öffnung ist genau über dem Mönch. Und ich nehme an, dass Caspar David Friedrich keine Zufälle zulässt. Er hat immer sehr lang an einem Bild gearbeitet. Somit besteht in diesem Bild, sage ich mal, auch ein bisschen Hoffnung."