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PolitikAsien

China hat ein Glaubwürdigkeitsproblem

29. Dezember 2021

Der Fall Peng Shuai ist nur einer von vielen Gründen - die Glaubwürdigkeit der chinesischen Regierung nimmt rapide ab. So wird das nichts mit dem globalen Führungsanspruch, meint Rodion Ebbighausen.

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Tennis | Australian Open | Peng Shuai
Chinas Tennisstar Peng Shuai war nach MeToo-Vorwürfen gegen einen Politiker plötzlich verschwundenBild: Edgar Su/Reuters

Chinas Tennisspielerin Peng Shuai, die Anfang November auf Chinas Sozialem Netzwerk Weibo den ehemaligen Vize-Premierminister Zhang Gaoli beschuldigte, sie zum Sex gezwungen zu haben, erklärte in einem Video-Interview der in Singapur erscheinenden chinesischsprachigen Zeitung "Lianhe Zaobao" am Montag vor Weihnachten (20.12.), alles sei nur ein Missverständnis gewesen.

Dem Interview vorausgegangen waren zwei Monate voller Unklarheiten. Kurze Zeit, nachdem die Doppel-Siegerin von Wimbledon und den French Open an die Öffentlichkeit getreten war, wurde ihre Nachricht gelöscht. Zwei Wochen verschwand die in China populäre Sportlerin von der Bildfläche. Steve Simons, der Chef des Welttennisverbands (WTA), Weggefährtinnen und Fans zeigten sich sehr besorgt. Daran konnte auch eine Mail der Sportlerin an Simons und ein Interview mit Thomas Bach, dem Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), nichts ändern. Zu offensichtlich schien der Einfluss Pekings. Schließlich verkündete die WTA einen Boykott der Volksrepublik China.

Zukunft der Demokratie

Auch das jüngste Interview mit der Tennisspielerin, die darin oft unkonzentriert und abgelenkt wirkt, überzeugte viele nicht. Der ganze Fall zeigt, wie schlecht es um die Glaubwürdigkeit der Volksrepublik China bestellt ist. Das ist für die Kommunistische Partei ein Problem, das weit über den Sport hinausreicht.

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DW-Redakteur Rodion EbbighausenBild: DW

China nimmt für sich nämlich in Anspruch, die Demokratie des 21. Jahrhunderts geschaffen zu haben. Die liberale Demokratie in den USA und Europa, die von Populismus und Instabilität gefährdet sei, werde abgelöst von einer technokratisch-autoritären Demokratie, die effizient und datenbasiert Wohlstand und Sicherheit schaffe, so die Propaganda aus Peking.

Um das Ziel einer solchen "Volksdemokratie", wie es im Jargon der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) heißt, zu erreichen, hat sie das Lenin zugeschriebene Zitat "Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" zur Staatsräson erhoben.

Kontrollwahn

Die Partei kontrolliert die Medien - durch rigide Zensur, eine Armee von Staatsdienern, die im Sinne der KPCh posten, liken, sharen, sowie durch Soziale Medien wie Weibo, WeChat und andere, die eigens für den heimischen Markt geschaffen wurden und strengstens kontrolliert werden. Auch wegen dieser lückenlosen Kontrolle verschwand Peng Shuais Posting in kürzester Zeit. In China ist der MeToo-Fall bis heute kein Thema.

Die Partei kontrolliert aber auch die Wirtschaft, sie kontrolliert die Gerichte, sie kontrolliert Wissenschaft und Bildung. Letztlich werden alle Lebensbereiche bis in die Details überwacht.

Die Partei geht dabei auch gegen ihre eigenen Bürger vor. Sie unterwirft hunderttausende muslimische Uiguren in Lagern einer Umerziehung. Sie lässt in Hongkong Scheinwahlen veranstalten, nachdem die Demokratiebewegung mit polizeilichen und juristischen Mitteln zum Schweigen gebracht wurde.

Kommunistische Partei ohne Kontrolle

Bei all der Kontrolle gerät leicht aus dem Blick, dass es aber letztlich keine echte Kontrolle gibt, denn niemand kontrolliert die Kontrolleure. Die KPCh und insbesondere Xi Jinping sind unantastbar.

Sieben führende Männer des Politbüros heben auf einer Bühne die Hand. Im Hintergrund zehn rote Fahnen und ein goldener Vorhang mit dem Symbol von Hammer und Sichel
Ein Männerzirkel, der sich niemand verantworten muss: ein Teil des Politbüros der KPCh, in der Mitte Parteichef Xi JinpingBild: picture-alliance/AP Photo/J. Peng

Im Gegensatz zu einer echten Demokratie, in der das Prinzip der Gewaltenteilung dafür sorgt, dass sich die verschiedenen Staatsorgane gegenseitig kontrollieren, und in der Wahlen zu regelmäßigem Machtwechsel führen, gibt es in China nur eine höchste Instanz: das 25-köpfige Politbüro, das unter der Führung von Präsident  Xi über das Schicksal der 1,4 Milliarden Chinesen entscheidet.

Sorge und Skepsis wachsen

Die Machtfülle der Partei und der Mangel an echter Kontrolle sind der Hauptgrund für das wachsende Misstrauen, das dem chinesischen Staat entgegengebracht wird. Und das sich jetzt auch in dem MeToo-Fall bestätigt.

International ist das chinesische System in den 17 führenden Industrienationen weniger attraktiv als je zuvor, wie eine Studie des PEW Research Centers von 2021 gezeigt hat. "Große Mehrheiten in den meisten der führenden Industrienationen beurteilen China weitgehend negativ", so die Studie. Chinas Hoffnung, die Welt mit großen wirtschaftlichen Erfolgen von der Überlegenheit des eigenen Systems zu überzeugen, ist gescheitert.

Keine internationale Stahlkraft

Worauf es nämlich ankommt, um global eine Führungsrolle zu übernehmen, ist, was der amerikanische Politologe Joseph Nye als "Soft Power" bezeichnet hat. Also die Fähigkeit, andere Nationen aufgrund kultureller und gesellschaftlicher Attraktivität von sich und seiner eigenen Position zu überzeugen. Dazu braucht es zuallererst Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit aber lässt sich nicht erzwingen und schon gar nicht durch Kontrolle ersetzen.

Eine Möglichkeit, um andere für sich und seine Sicht der Dinge einzunehmen, kann der Sport sein. Das wissen die Funktionäre in Peking, die sich erfolgreich um die Olympischen Winterspiele 2022 beworben haben. Aber es genügt eben nicht, eine perfekt inszenierte Show abzuliefern. Die Sportler, Zuschauer und die Bevölkerung müssen das aus freien Stücken tun, um ein glaubwürdiges Bild abzugeben. Sex lässt sich erzwingen, Liebe nicht.

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia