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Kreative Lösungen statt Durchhalteparolen gefragt!

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Henrik Böhme
16. Februar 2021

Die Corona-Hilferufe aus der Wirtschaft werden immer lauter. Der zuständige Minister Peter Altmaier lud daher zur Videokonferenz. Aber es braucht viel mehr als warme Worte, meint Henrik Böhme.

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Deutschland Coronavirus Lockdown geschlossene Geschäfte in Bonn
Bild: picture-alliance/NurPhoto/Y. Tang

Es ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. Angesichts momentan sinkender Infektions- und Inzidenzzahlen fordern viele zumindest regionale Lockerungen, einhergehend mit Öffnungsperspektiven zum Beispiel für die Gastronomie oder den Einzelhandel. Andererseits sind da die Warnungen der Virologen, die angesichts aggressiver Virus-Mutationen auf die Gefahr einer dritten Welle hinweisen, sollte zu früh geöffnet werden. Aber vor allem sind da die unzähligen menschlichen Schicksale, die hinter den Unternehmen stehen, die seit Monaten nichts unternehmen können.

Menschen, die etwas tun wollen, und die wiederum anderen Arbeit geben. Deren Restaurants seit Monaten geschlossen sind, deren kleine Läden nichts verkaufen dürfen. Okay, es gibt die Abholideen mit Essen-to-go oder Click & Collect in der Modeboutique. Aber das ist allerhöchstens ein Tropfen auf den heißen Stein. Und ja, an diesem einen Punkt ist dem Wirtschaftsminister zuzustimmen: Laufen wir sehenden Auges in eine dritte Welle, dann dürfte das die Wirtschaft tatsächlich in die Knie zwingen. Es sind schwere Zeiten, da hat Peter Altmaier Recht. 

Hinterlader statt Bazooka

Allein: Das entschuldigt ganz und gar nicht das Versagen seines Ministeriums (und das seines Kabinettskollegen Olaf Scholz aus dem Finanzressort), was die Hilfszahlungen betrifft. Mit "Wumms" wollte man aus der Krise kommen. Mit der "Bazooka" feuern, was die Finanzhilfen betrifft. Stattdessen ist bislang nur ein laues Lüftchen zu verspüren - und die Bazooka ist allenfalls ein Hinterlader, in dem zu allem Elend die Patrone klemmt. Damit es nicht vollends peinlich wird, verkündete das Wirtschaftsministerium just zu Beginn des Gesprächs von Altmaier mit den Wirtschaftsverbänden ein neues Hilfspaket für sogenannte Soloselbstständige. Jetzt bitte festhalten: Die "Neustarthilfe" beträgt 25 Prozent des Jahresumsatzes von 2019 - und maximal 7500 Euro. Ein Viertel! Als Vorauszahlung. Aber wehe, die Umsatzeinbußen sind dann doch geringer, dann muss zurückgezahlt werden. Hinterlader eben.

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Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Was komplett fehlt, ist sowas wie ein Plan - oder eine Perspektive gar. Von Kreativität ganz zu schweigen. Wo bleiben Stufenpläne für regionale Öffnungen? Warum dürfen kleine Läden in einem Landkreis wie - sagen wir Plön an der Ostseeküste - mit einer Inzidenz von 16 (!) nicht öffnen? Wo bleibt eine an die zögerliche Lieferung der Vakzine angepasste Impfstrategie? (Konzerne wie VW denken bereits darüber nach, eigene Impfpläne zu entwickeln, um ihre Mitarbeiter zu schützen.) Und wie wäre es endlich mit dem, was die Mediziner schon am Anfang der Pandemie als Mittel der Wahl ausgerufen haben: testen, testen, testen!

Zumindest hier scheint Bewegung in die Sache zu kommen - glaubt man dem Gesundheitsminister, der den Bürgern ab März kostenlose Schnelltests anbieten will. Wenn zudem in Kürze Antigen-Selbst-Testkits in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen: Warum nicht schnell ein datenbasiertes System entwickeln: Testen - und bei negativem Ergebnis wäre dies ein 24-Stunden-Freifahrtschein für den Restaurant- oder Friseurbesuch, auch Kino, sogar Sportveranstaltungen und Konzerte wären so machbar - zumindest in begrenztem Rahmen. Freilich müssten auch die Beschäftigten in den Restaurants etc. einen negativen Test vorweisen. Aber es würde funktionieren.

Die Menschen brauchen eine Perspektive

Natürlich kostet das Geld (aber die Tests werden schnell billiger sein so wie heute FFP2-Masken viel weniger kosten als am Anfang der Pandemie), natürlich müsste man so ein System aufbauen. Aber das ist alles keine Raketenwissenschaft, es gibt bereits umsetzbare Modelle. Und jede Woche Lockdown kostet schließlich auch: Nämlich 3,5 Milliarden Euro, so hat es das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechnet.

Die Menschen brauchen eine Perspektive - und die Perspektive kann es nicht sein, sich immer länger einzuigeln und zu warten, bis der Sturm irgendwann mal vorbeigezogen ist. Mit einer brauchbaren Test-Strategie könnte die Zeit bis zur Immunisierung durch eine Impfung überbrückt werden, zumal dies offenbar länger dauern dürfte als zunächst erwartet. Aber so könnten Restaurants, Kinos, Fitnessstudios, Läden zumindest in Teilen wieder öffnen. Sogar ins Stadion oder zum Konzert könnte man wieder gehen. Öffnung! Das ist es, was die Leute wollen.

Ein Offenbarungseid

Das mag auch der Wirtschaftsminister wissen. Nur fehlt es offenbar am Willen, sich neuen Ideen für die Bekämpfung der Jahrhundert-Pandemie zu öffnen. Auch nach dem heutigen Treffen bleibt es bei bekannten Rezepten: Bei den Finanzhilfen versprach Altmaier, über Verbesserungen "nachzudenken" (!), und es sollen Empfehlungen (!) für eine Öffnungsstrategie erarbeitet werden.

Nein, das klingt nicht nach einem mutigen, kreativen Plan. Nach nunmehr einem Jahr Coronakrise fällt der Regierung nicht viel mehr ein als Durchhalteparolen. Das ist nicht nur ein Armutszeugnis - es ist ein Offenbarungseid.  

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58