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Politik

Das Ende der Gaunerei in Tschechien

Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille und blonden Locken
Keno Verseck
10. Oktober 2021

Bei der tschechischen Parlamentswahl hat eine Mehrheit der Menschen für einen demokratischen Neuanfang gestimmt. Der wird schwierig. Doch es ist ein wichtiges Signal für Europa, meint Keno Verseck.

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Tschechien | Parlamentswahelen | Premierminister Andrej Babis
Der tschechische Premier Andrej Babis am 8.10.2021 in einem Wahllokal in Lovosice nördlich von PragBild: Ondrej Deml/CTK/dpa/picture alliance

Eine Schicksalswahl, eine Wahl zwischen West und Ost, eine Wahl zwischen der Rückkehr Tschechiens in ein demokratisches Europa oder dem endgültigen Abdriften in Richtung eines Orban-Ungarns, in die eiserne Umklammerung durch Russland und China - prominente liberale tschechische Kommentatoren haben im Vorfeld der Parlamentswahl im Land nicht mit dramatischen Warnungen und pathetischen Kassandra-Rufen gespart.

All jene, die wie sie das Schlimmste für Tschechien befürchteten, können nun aufatmen. Es ist anders gekommen, als so gut wie alle Umfragen prognostiziert hatten. Tschechiens umstrittener Premier Andrej Babis und seine Partei ANO haben die Wahl zum Abgeordnetenhaus, der entscheidenden Kammer des tschechischen Parlamentes, verloren. Der Milliardär Babis hat Tschechien mit seinen ständigen Affären, Interessenkonflikten, Lügereien und mit seinem demagogischen Stil jahrelang in Atem gehalten. Erst vor wenigen Tagen kam durch die Pandora Papers heraus, wie er wohl mit Offshore-Briefkastenfirmen trickste und möglicherweise Geldwäsche betrieb. Nun hat die Tschechische Republik, in den Worten des liberal-konservativen Oppositionsführers Petr Fiala, für den Wechsel gestimmt. Für ein Ende von Schwindelpolitik und institutionalisierter Gaunerei, für einen Neuanfang hin zu Ehrlichkeit, Transparenz und glaubwürdiger Demokratie.

Es wird ein schwieriger Neuanfang. Babis hatte zwar angekündigt, dass er sich aus der Politik zurückziehen wolle, wenn er die Wahl verliere. Doch in Wirklichkeit denkt er nicht daran. Und er hat einen mächtigen Verbündeten, der ihm hilft, weiterzumachen: den Staatspräsidenten Milos Zeman, einst ein aufrechter Gegner der kommunistischen Diktatur und ehrbarer Sozialdemokrat, inzwischen Russland- und China-Freund, Steigbügelhalter einer rechtsextremen tschechischen Partei und eingefleischter Hasser von unabhängigem Journalismus. Zeman wird wohl zunächst Babis mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Der dürfte versuchen, einzelne Parteien aus den beiden Oppositionsbündnissen Spolu (Gemeinsam) und Piraten/STAN, die jetzt rechnerisch die Mehrheit stellen, herauszulösen. Zwar haben beide Bündnisse eine Zusammenarbeit mit Babis kategorisch ausgeschlossen. Doch der könnte mit Zemans Hilfe noch monatelang weiterregieren. Sollte das eintreten, würde sich Zeman neben Babis ein weiteres Mal als tragisches Übel der tschechischen Demokratie erweisen.

Kommentarbild Keno Verseck
Keno Verseck berichtet über Mittel- und SüdosteuropaBild: privat

Dessen ungeachtet ist das Ergebnis der tschechischen Parlamentswahl eine gute Nachricht für das demokratisch gesinnte Europa. Es wäre zu früh, das Ende einer Epoche in Mittel- und Südosteuropa auszurufen, der gemeinhin das Etikett des Populismus angeheftet wird, die tatsächlich aber in korruptem Autoritarismus mit nationalistischer Demagogie als ideologischem Überbau besteht. Mehr und mehr Menschen in der Region haben die falschen Versprechen von Autokraten wie Kaczynski, Orban oder Vucic satt, haben die Nase voll von politischer Willkür, Intransparenz, Korruption, nicht nachhaltiger Regierungsführung und mangelnden Lebensperspektiven. So wie jetzt auch in Tschechien.

Das sollte in Berlin, Brüssel und Paris zu denken geben. Viel zu lange ist man dort mit Leuten wie Orban oder Babis zu zögerlich und nachsichtig umgegangen oder hat sich austricksen lassen. In der Tschechischen Republik hat nun eine deutliche Mehrheit der Menschen entschieden: Schluss damit!

Porträt eines lächelnden Mannes mit Brille und blonden Locken
Keno Verseck Redakteur, Autor, Reporter