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Den Wald schützen, Mischwälder schaffen

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Jens Thurau
6. August 2021

Wenige Wochen vor der Bundestagswahl veranstaltete der Buchautor und Förster Peter Wohlleben einen "Waldgipfel" mit politischer Beteiligung. Als Wahlkampfthema taugt das hochkomplexe Thema aber nicht, meint Jens Thurau.

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Biosphärenreservat Vessertal-Thüringer Wald - natürlicher Bachlauf zwischen wild gewachsenen Bäumen
Natürlich gewachsene Mischwälder mit solchen Bachläufen sind der beste HochwasserschutzBild: picture-alliance/imageBROKER/O. Gerhard

Noch ein Umwelt-Gipfel, diesmal zum Thema Wald. Mitten im beginnenden Wahlkampf. Aber zu parteipolitischen Auseinandersetzung taugt das neue Waldsterben kaum. Auch wenn der Waldgipfel zum Auftakt prominent besetzt war: mit Umweltministerin Svenja Schulze von der SPD, dem Vorsitzenden der Grünen, Robert Habeck, und Deutschlands führender Klima-Aktivistin, Luisa Neubauer.

Vor allem aber mit dem Baum-Paten schlechthin, dem Förster Peter Wohlleben, dessen Bücher über die Kommunikation der Bäume in Deutschland populär sind. Und der sich stark macht dafür, auf Monokulturen zu verzichten und auf Wälder zu setzen, die sich selbst regulieren und möglichst in Ruhe gelassen werden sollten. Dass genau das derzeit in Deutschland nicht geschieht, ist nur ein Teil des Problems der Wälder in Deutschland, in denen im vergangenen Jahr so viele Bäume abgestorben sind wie nie zuvor. Das Thema interessiert jedenfalls: 5000 Anmeldungen, den Waldgipfel online zu verfolgen, bezeugen das.

Eine von der Politik gelöste Umweltkrise

Das Sterben des Waldes, Waldsterben - da war doch was? Vor gut 40 Jahren war der Niedergang der Wälder eines der ersten breit publizierten Umweltprobleme des Landes. Damals waren es schwefelhaltige Schadstoffe aus Industrie und Kraftwerken, die als saurer Regen den Bäumen hart zusetzten. Das Problem wurde dann aber ein Beispiel dafür, dass die Politik durchaus handeln und Umweltkrisen bewältigen kann. Durch moderne Filteranlagen etwa gelang es, den sauren Regen weitgehend zu bekämpfen.

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DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Heute sind die Probleme vielfältiger. Der Klimawandel führt zu Wasserknappheit und schon immer werden Monokulturen dort angelegt, wo sie eigentlich nicht hingehören - die zahllosen Fichtenwälder etwa. Der Borkenkäfer macht den Bäumen zu schaffen. Und die Aufforstungen, die nicht zuletzt aus Klimaschutzgründen in den vergangenen Jahren erfolgten, erweisen sich als besonders anfällig und sterben ab.

Dabei fehlt der Wald in keinem Klimakonzept, egal welcher Partei. Weil er auf natürlichem Weg Klimagase reduziert und speichert. Und zu durchdachten Klimakonzepten gehört es auch, Holz als Baustoff wieder zu entdecken. 

Der Wert intakter Misch- und Auenwälder

Und doch wird das Thema Wald, trotz der Initiative von Peter Wohlleben zu diesem Gipfel, im Wahlkampf nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es ist einfach zu viel auf einmal: Die Pandemie verunsichert die Menschen trotz der Impferfolge. Und die Hochwasserkatastrophe im Westen hat die Aufmerksamkeit erst einmal auf ein anderes, ebenfalls klimabedingtes Problem gelenkt: das Wasser, die versiegelten Böden, die begradigten Flüsse und Bäche, die über die Ufer traten wie nie zuvor. Obwohl auch hier gilt: Alles hängt mit allem zusammen. Intakte Misch- und Auenwälder sind immer noch eine der besten Möglichkeiten, Hochwasserkatastrophen zumindest abzumildern. 

Was wäre zu tun? Die Umweltministerin hat Recht, wenn sie zu Beginn des Gipfels erklärte: In Zukunft dürfen die privaten Nutzwälder, aber auch die staatlichen, nicht allein als "nachwachsende Holzlager" betrachtet und genutzt werden. Der Klimawandel wird bleiben. Setzt er dem Wald weiter und immer heftiger zu, müssen mehr Flächen als bislang nachhaltig als Mischwälder ausgewiesen werden. Das ist am Ende eben auch im Interesse der Holz- und Waldwirtschaft. Und politisch wäre es wichtig, endlich mit dem lähmenden Gegeneinander zweier Ministerien aufzuhören: dem Landwirtschaftsressort, traditioneller Lobbyist für die Holzwirtschaft, und dem Umweltministerium für die Klima- und Umweltbelange auf der anderen Seite. Ein künftige, dem Wald insgesamt gerecht werdende Politik muss aus einem Haus kommen. 

Hoffnung auf Besserung

Zur Schwarzmalerei besteht aber auch kein Anlass. Der Anteil des Mischwalds in Deutschland steigt, wenn auch langsam. Und von fürchterlichen Großwaldbränden wie derzeit in Griechenland und in der Türkei blieb Deutschland bislang verschont. Aber die Deutschen sollten über ihren kulturellen und manchmal romantischen Blick auf den Wald nachdenken. Ein Mischwald sieht vielleicht nicht so schön aufgeräumt aus wie ein Monokulturwald. Aber er ist zukunftssicherer.

Waldsterben: Das ist ein heftiges Wort, war es damals schon, vor 40 Jahren. Nicht ohne Grund war der Wortteil "Sterben" im offiziellen Titel des Gipfels: "Wald STERBEN 2.0" durchgestrichen. Denn auch jetzt besteht Hoffnung auf Besserung. Die Instrumente dafür liegen auf dem Tisch, was zu tun wäre, ist bekannt. Aber der Schutz der Wälder, ihre sinnvolle Bewirtschaftung und der Beitrag der Bäume beim Kampf gegen den Klimawandel: Das ist so hochkomplex, dass das Thema im Wahlkampf nichts zu suchen hat. Und um Erfolge zu sehen, braucht es Jahre.