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Bundesliga mangelt es an Traditionsklubs

DW Kommentarbild Jörg Strohschein
Jörg Strohschein
12. August 2021

Die Fußball-Bundesligasaison 2021/22 beginnt am Freitagabend. Die Liga hat deutlich an Attraktivität und Glanz verloren und wird versuchen müssen, den Mangel bestmöglich zu verwalten, sagt DW-Redakteur Jörg Strohschein.

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Fußball Bundesliga | SV Werder Bremen - FC Augsburg | Fans
Nach 39 Jahren im Oberhaus spielt der SV Werder Bremen wieder zweitklassigBild: Noah Wedel/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Die eigentlich wichtigste Frage wird sich wohl auch in der neuen Saison 2021/22 nicht stellen, die nach dem Favoriten auf die Deutsche Meisterschaft. Die Trainer von 14 der 18 Klubs der deutschen Eliteliga sind sich laut einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur schon zum Saisonstart sicher: Am Ende wird sich der FC Bayern wieder einmal durchsetzen. Dann zum zehnten Mal in Folge.

In dieser, der oberen Region der Tabelle, dürften sich die Aspekte Spannung und emotionale Teilhabe bei den Fans wieder nur auf den Teil beschränken, der es mit dem Rekordmeister hält. Der Rest, die große Mehrheit, muss sich erneut auf den Kampf um die restlichen Champions-League-Plätze freuen, der ja schon seit einiger Zeit als (Spannungs-)Ersatz für den eigentlichen Zweck der Bundesliga herhalten muss, das Ringen um die Meisterschaft. Oder die Fans fiebern im Abstiegskampf mit. So weit, so bekannt. 

Wettbewerbsfähigkeit der Aufsteiger erscheint fraglich

Dabei hatte es die Liga in den vergangenen Jahren noch vergleichsweise gut. Schließlich hatten sich dort Vereine duelliert, deren Namen auch über Deutschlands Grenzen hinaus Klang hatten und großes Interesse weckten. Werder Bremen, Schalke 04, der Hamburger SV und einige mehr. Klubs mit einer langen, großen Historie, national und international, über die bereits Generationen von Fans geredet, für die sie sich begeistert, mit denen sie mitgefiebert hatten. Doch diese Bundesliga-Dinos sind nun zweitklassig. Und damit ist der deutschen Eliteliga ein Stück natürliches Spektakel abhanden gekommen.

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Das Interesse an Bochum und Fürth geht kaum über die regionalen Grenzen hinaus, findet Jörg Strohschein

Selbstverständlich muss man den Aufsteigern VfL Bochum und Spielvereinigung Greuther Fürth die Chance einräumen, sich sportlich im deutschen Fußball-Oberhaus zu bewähren. Sie haben schließlich in der vergangenen Saison mehr fußballerische Kompetenz gezeigt als die untergegangenen Traditionstanker. Allerdings werden diese beiden Vereine die Bundesliga kaum attraktiver machen.

In ihren Etats sind rund 22 beziehungsweise 24 Millionen Euro für das Personal eingeplant. Zum Vergleich: Borussia Dortmund hat in der Saison 2019/20 mehr als 38 Millionen Euro allein für Beraterhonorare ausgegeben, der FC Bayern rund 300 Millionen Euro Honorare für seine Kicker gezahlt - Tendenz steigend. Die Wettbewerbsfähigkeit der Bochumer und Fürther erscheint angesichts ihrer limitierten finanziellen Möglichkeiten äußerst fraglich. Wie sollen sich öffentliches Interesse, sportliche Attraktivität und Spannung einstellen, wenn die Grundvoraussetzungen so unterschiedlich sind - und dazu noch die Namen der Klubs außerhalb der eigenen Stadtgrenzen kaum hell klingen? 

Skepsis gegenüber Profifußball ist gewachsen

Zudem geht das Interesse der deutschen Zuschauer am Fußball zurück. Gerade die junge Menschen haben heute häufig andere Sehgewohnheiten, interessieren sich für immer mehr Sportarten außerhalb des Fußballs - auch weil sie durch neue Streamingdienst-Angebote einen leichteren und immer verfügbaren Zugang dazu haben. Bereits vor der Corona-Pandemie sank der Zuschauerschnitt in den Stadien seit einigen Jahren kontinuierlich. Auch die Zahl der ausverkauften Spiele nahm ab.

Die Corona-Pandemie förderte zudem die Skepsis gegenüber den Fußballklubs, die sich mit ihren scheinbar selbstverständlichen Millionen-Gehältern sogar in weltweiten Krisenzeiten immer weiter von der Lebensrealität der meisten Menschen entfernt haben. "Die zehn fetten Jahre sind vorbei, die kommen auch nicht wieder", erkannte jüngst Max Eberl, Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. 

Von Demut wenig zu spüren

Von der neuen Demut, die Christian Seifert, scheidender Chef der Deutschen Fußball Liga (DFL), zu Beginn der Pandemie dem Fußball verordnen wollte, ist nicht viel übrig geblieben. Hans-Joachim Watzke, Vereinsboss von Borussia Dortmund, forderte von den Entscheidungsträgern in der Regierung vier Tage vor der Saisoneröffnung: "Jetzt ist die Zeit gekommen, mutige Entscheidungen zu treffen und wo man nicht alles damit lösen kann, den Laden abzuschließen. Irgendwann muss es auch weitergehen. Ich erwarte Entscheidungen, die uns mittelfristig Perspektiven geben." Dabei hatte die Politik dem Profifußball mitten in der Pandemie doch erst ermöglicht, weiter zu spielen. Sonst wäre der Ofen bei den meisten Klubs schon lange aus. 

Vielleicht wird es Bochum oder Fürth ja doch gelingen, irgendwie die Klasse zu halten. Arminia Bielefeld hat in der Vorsaison mit ähnlichen finanziellen Möglichkeiten eindrucksvoll vorgemacht, wie so etwas funktionieren kann. Aber den ganz großen Reiz - auch weltweit - versprühen nun einmal nur die großen alten Traditionsklubs mit ihren Irrungen und Wirrungen, kleineren und größeren Skandalen sowie den vielen Geschichten, die sie liefern. Diese Dinos werden der Bundesliga in der kommenden Saison erheblich fehlen - selbst wenn die "Kleinen" fachlich hervorragende Arbeit leisten.