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Politik

Der ewige Antisemitismus

Quadriga 28.01.2016 Abderrahmane Ammar
Abderrahmane Ammar
5. Juni 2021

Der Judenhass vieler Muslime braucht gar keinen aktuellen Anlass. Er wird seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben. Hier sind auch die Religionsgelehrten gefordert, meint Abderrahmane Ammar.

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Pro-palästinensische Demonstranten im Berliner Stadtteil Neukölln entzünden mit Feuerzeugen eine selbst gebastelte Flagge Israels
Sobald der Nahost-Konflikt eskaliert, brennen auch auf Deutschlands Straßen Israel-FlaggenBild: imago/snapshot/F Boillot

Antisemitismus findet Aufmerksamkeit fast ausschließlich nur dann, wenn der Judenhass bei Demonstrationen oder durch Terrorakte öffentlich sichtbar wird. Dabei ist Antisemitismus für viele Muslime wie auch Nicht-Muslime alltäglich gepflegte Praxis.

In seiner unterschwelligen, leisen Form ist Antisemitismus auf den ersten Blick unsichtbar. Unter Muslimen findet der Judenhass seine Nahrung vor allem in den Narrativen, die über Juden zirkulieren - meist innerhalb der Familie, in den Moscheen oder den Medien. Es geht vor allem um Narrative, welche die Idee des 'ewigen Feindes' aufrechterhalten.

'Jude' als Schimpfwort

Das Wort 'Yahoudi' (Jude) wird von vielen Muslimen als Schimpfwort benutzt, um andere Muslime zu beleidigen. Das Wort wird unter anderem mit 'Habgieriger', 'Verräter' oder auch 'Verschwörer' gleichgesetzt. Außer im allgemeinen Sprachgebrauch wird dieses Bild auch in Romanen, Kino-Filmen und TV-Serien gepflegt. Wer in der literarischen und künstlerischen Szene eine andere Position vertritt und die Türen des Dialogs mit Juden öffnet, wird gleichfalls schnell als 'Yahoudi' bezeichnet - ein 'Verräter' eben.

Abderrahmane Ammar
DW-Redakteur Abderrahmane AmmarBild: DW/I. Rotter

Analysiert man dieses Bild von Juden im Bewusstsein und Unterbewusstsein vieler Muslime, zeigt sich, dass nichts mit aktuellen Erfahrungen im Umgang mit Juden, sondern nur mit religiösen Texten und historischen Ereignissen gerechtfertigt wird. Diese gehen jedoch allesamt zurück auf die Konfrontation zwischen Muslimen und Juden in der Zeit der Entstehung des Islam. Viele Muslime projizieren also bis heute die Vergangenheit auf die Gegenwart. So können sie behaupten, dass die Juden von heute die Nachkommen derjenigen Juden seien, die gegen den Propheten Mohammed und die Muslime gekämpft haben. Dies erklärt Parolen wie den Slogan: "Oh, ihr Juden - die Armee Mohammeds wird zurückkehren!", der auch bei den jüngsten Demonstrationen zum Gaza-Konflikt sowohl in der islamischen Welt als auch in Europa zu hören war.

Im Koran gibt es Verse, welche die Muslime anweisen, Juden als Brüder zu behandeln. Es gibt aber auch andere Passagen, welche die Muslime auffordern, gegen die Juden zu kämpfen. Obwohl diese Passagen in ganz bestimmte Kontexte gehören (die sogenannten 'Anlässe der Offenbarung') und für unterschiedliche Interpretationen offen sind, behaupten diejenigen, die damit ihren Hass auf die Juden rechtfertigen wollen, dass sie für jede Zeit und jeden Ort gültig seien.

Die Legende von der jüdischen Weltherrschaft

Im Laufe der islamischen Geschichte und noch Jahrhunderte vor der Shoah gab es Zeiten, in denen Juden vor die Wahl gestellt wurden, entweder zum Islam zu konvertieren oder zu sterben. Im günstigsten Fall mussten sie eine fortan eine Schutzsteuer (Dschizya) zahlen, die natürlich nur wirtschaftlich erfolgreiche Juden aufbringen konnten.

Zu den Faktoren, die seither den Antisemitismus befeuern, gehört auch der fehlende Fortschritt der muslimisch geprägten Länder in der industriellen und technologischen Entwicklung. Dieses Scheitern wird mit der Behauptung gerechtfertigt, dass die Juden ja die Weltwirtschaft dominierten.

Der Kampf gegen den Antisemitismus macht daher vor allem eine Auseinandersetzung mit solchen negativen Narrativen notwendig. Und religiöse Texte müssen endlich unter Berücksichtigung ihres historischen und räumlichen Kontexts zeitgemäß interpretiert werden.