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Politik

Draghis Rücktritt wäre ein Desaster für die EU

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
14. Juli 2022

Es geht um mehr als die Stabilität Italiens. Der Abschied von "Super Mario" wäre nicht nur ein Geschenk für Putin. Er würde auch die EU, den Euro und die Ukrainepolitik gefährden, meint Barbara Wesel.

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Deutschland I G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Garmisch-Partenkirchen I Mario Draghi
Ministerpräsident und ehemaliger EZB-Chef Mario Draghi - Garant für die Stabilität Italiens und EuropasBild: Filippo Attili Kruen/Chigi Palace Press Office/ZUMA/picture alliance

Italien leistet sich wieder einmal eine Regierungskrise. Das könnte man unter Sommertheater abbuchen, nur dass dieses Mal mehr auf dem Spiel steht. Wenn der Chef der abgehalfterten 5-Sterne-Partei tatsächlich Premier Mario Draghi in den Rücktritt treibt, geht es um mehr als die Stabilität des Landes.

Eine ernste Krise in Italien gefährdet die Europäische Union, die derzeit durch den Krieg in der Ukraine, durch Energienot und Inflation unter Druck steht. Das letzte, was Europa gerade braucht, ist Instabilität in Rom mit den bekannten Folgen für den Euro und ein Ende der gemeinsamen Ukrainepolitik.

Rettung in letzter Minute?

Man kann italienische Oper mit all ihrem Pathos und Drama lieben, muss es aber nicht. Das gleiche gilt für die endlose Folge italienischer Regierungskrisen - vorzugsweise in der Sommerpause. Wie das derzeitige Polittheater in Rom ausgeht, ist ungewiss.

Es gibt noch eine Chance auf Rettung in letzter Minute. Aber im Prinzip will Premier Mario Draghi seine Regierung der Nationalen Einheit nur fortführen, wenn alle bisherigen Koalitionspartner an Bord bleiben. Und damit wird's gefährlich für uns alle. 

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DW-Europakorrespondentin Barbara Wesel

Der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, auch "Super Mario" genannt, gilt in Europa als Retter der italienischen Stabilität, führte das Land aus der Corona-Krise und legte einen Reformplan für die italienische Wirtschaft vor, der über 100 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbau-Fonds in die Staatskasse bringen soll. In Brüssel setzte man darauf, dass Draghi bis zu turnusmäßigen Neuwahlen im nächsten Frühjahr im Amt bleiben würde, wenn in der EU das Gröbste überstanden wäre.

Aber Europa hat die Rechnung ohne Guiseppe Conte gemacht. Auslöser der Krise ist der frühere Premier und Chef der 5-Sterne-Partei, die inzwischen mit knapp elf Prozent auf ein Drittel ihrer früheren Stärke zusammengeschrumpft ist. Parteichef Conte hofft wohl, mit populistischen Forderungen an Draghi nach einem deutlich größeren Anti-Inflationsprogramm noch ein paar Prozentpunkte bei den Wählern zu gewinnen.

Dabei hat sich die Mehrzahl der Italiener inzwischen vom irrlichternden Populismus der Partei abgewandt. Auch ein Teil der "5-Sterne" Abgeordneten hat sich unlängst frustriert abgespalten – aber der Rest reicht, um die Einheitsregierung zu gefährden.

Geschenk für Putin

Der Sturz von Mario Draghi wäre ein Geschenk für Wladimir Putin. Die "5-Sterne" galten von Anfang an als Freunde Russlands, ähnlich wie die Kollegen von der rechtspopulistischen Lega. Seit Wochen fordern sie ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine, eine Art Zwangsfrieden auf Kosten Kiews und die Wiederherstellung "normaler Beziehungen" zu Moskau. Es war Premier Draghi, der in Brüssel für die gemeinsame Position an der Seite der USA, die Unterstützung der Ukraine und die Russland-Sanktionen geradestand.

Käme es nun in Italien zu Neuwahlen, könnte nach den bisherigen Umfragen eine Koalition der Rechtspopulisten drohen. Ein solches Bündnis würde wohl das Ende der EU-Ukrainepolitik bedeuten. Die politischen Abweichler im kleinen Ungarn kann Europa gerade noch verkraften. Aber ein Politikwechsel in Rom wäre ein Fanal, könnte populistische Feuer auch in anderen Mitgliedsländern entzünden, das Ende der Gemeinsamkeit bringen und die Zukunft der Ukraine überhaupt infrage stellen.

Wiederauflage der Euro-Krise

Darüber hinaus droht eine Wiederauflage der Euro-Krise. Nach Draghis Rücktrittsdrohung stiegen sofort die Kosten für italienische Anleihen. Die Staatsschulden liegen inzwischen bei 150 Prozent der Wirtschaftsleistung und Investoren wie Politiker fürchten einen Rückfall in die Jahre der Dauerkrise, wo nur der ständige Aufkauf italienischer Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank den Absturz des Landes verhinderte.

Mario Draghi selbst hatte als EZB-Chef auf die Frage nach der Rettung des Euro vor Jahren den Satz geprägt: "Was immer dafür nötig ist." Nur dass diesmal Frankreich und Deutschland nur eingeschränkt als Stabilitätsanker einspringen können, da sie selbst in einer schwierigen ökonomischen Lage sind.

Es ist nicht mehr wie damals unbegrenzt Geld vorhanden, um Italien zu stützen. Die wahltaktischen Spielchen von ein paar Egomanen in Rom treiben die EU diesmal noch näher an den Abgrund. Der Mann, dem sie damit in die Hände spielen, sitzt im Kreml. Die politische Klasse in Italien sollte alles daran setzen, dieses Szenario zu verhindern.