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Goldener-Bär-Film ist mehr als "loony porn"

Elizabeth Grenier
6. März 2021

Radu Judes Film "Bad Luck Banging" wird als rumänischer Sexvideo-Film für Schlagzeilen sorgen. Dabei ist der Film hochpolitisch, sagt Elizabeth Grenier.

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Berlinale 2021 | Bad Luck Banging or Loony Porn von Radu Jude
Im surrealen Konsum-Wunderland: Szene aus "Bad Luck Banging or Loony Porn" von Radu JudeBild: Silviu Ghetie / Micro Film 2021

"Ich sehe in dem Film keine Provokation. Selbst die Sexszene ist ziemlich banal", sagte der rumänische Regisseur Radu Jude auf der Pressekonferenz am Freitag, kurz nachdem er erfahren hatte, dass er mit seinem Film "Bad Luck Banging or Loony Porn" den Goldenen Bären der Berlinale 2021 gewonnen hat. Die Eröffnungsszene von Judes Satire hält, was der Titel verspricht: ein sehr realistisch wirkendes, selbst gedrehtes Porno-Video - definitiv nichts für prüde Gemüter. Aber explizite Inhalte seien überall im Internet verfügbar, sagt der Filmemacher, und wir sollten nicht von einvernehmlichem Sex schockiert sein. Das tatsächlich Obszöne sei die Heuchelei der Gesellschaft gegenüber weit verbreiteten Vorurteilen und Hass.

Von Sexismus bis Faschismus

Der Film erzählt die Geschichte einer Lehrerin - der Frau in dem Sex-Tape -, die ihren Job zu verlieren droht, als das Video in ihrer Schule zu kursieren beginnt. Aber "Bad Luck Banking or Loony Porn" ist definitiv mehr als nur ein Sexvideo-Film; er prangert die Richtung an, in die die rumänische Gesellschaft sich bewegt. 

Die experimentelle Erzählung führt den Zuschauer zunächst in einer dokumentarischen Sequenz durch die Straßen von Bukarest, wo die meisten Menschen eine Maske tragen. Es ist übrigens der einzige Film im Wettbewerb, der die Pandemie in seine Story einbezieht. Die Kamera verweilt auf Details, die die postkommunistische Konsumgesellschaft Rumäniens versinnbildlichen: von kitschigen Werbetafeln mit Bodybuildern bis hin zu SUVs, die die Bürgersteige erobern. 

Der zweite Teil des Films präsentiert ein "kurzes Wörterbuch der Anekdoten, Zeichen und Wunder", das mit schwarzem Humor verschiedene Begriffe definiert, die mit Sexismus, Korruption, Rassismus, Antisemitismus und Faschismus zu tun haben - und sich unter anderem auf Rumäniens Beteiligung am Holocaust beziehen.

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DW-Kultur-Redakteurin Elizabeth GrenierBild: privat

"Kinder sind die politischen Gefangenen ihrer Eltern" - dieses Zitat von Jean-Paul Sartre taucht zwischendrin auf und könnte auch als Zwischenüberschrift für den dritten Teil des Films dienen, in dem die Geschichtslehrerin den frömmelnden Eltern ihrer Klasse in einem Scheinprozess gegenübersteht.

Die Berlinale - ein politisches Festival

Die Wettbewerbsjury bestand in diesem Jahr aus sechs Filmemachern, die allesamt bereits selbst einmal den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen haben. Bereits mit der Auswahl dieser Jury-Mitglieder bestätigten die Berliner Filmfestspiele ihren Ruf, neben Cannes und Venedig das politischste Festival der "Großen Drei" zu sein. Denn diese sechs Filmemacher gewannen ihre Goldenen Bären in den letzten Jahren ebenfalls mit provokanten politischen Werken. 

Darunter der iranische Regisseur Mohammad Rasoulof, der mit "There Is No Evil" 2020 einen Kommentar zur Todesstrafe in seinem Heimatland lieferte. 2019 gewann Nadav Lapid mit seinem Film "Synonyms", eine Politsatire über einen jungen Israeli, der nach seinem Militärdienst in Paris seine Identität sucht. Das Jahr zuvor ging der Goldenen Bär an die rumänische Regisseurin Adina Pintilie für "Touch Me Not", einen experimentellen Film über Körperpolitik.

Unpolitische Filme gingen leer aus 

Ebenfalls im Wettbewerb lief der Film "Petite Maman" der von der Kritik gefeierten französischen Regisseurin Celine Sciamma sowie "What Do We See When We Look at the Sky?" des georgischen Filmemachers Alexandre Koberidze. Beide Filme bringen mit Magischem Realismus die Poesie menschlicher Erfahrungen zum Ausdruck, ohne jedoch auf den düsteren Zustand der Welt zu verweisen. Die Werke gehörten zu den Favoriten vieler Kritiker, doch die Jury ließ sie leer ausgehen.

Dafür entschied sie sich für einen Film, den sie als "kunstvoll ausgearbeitet" und zugleich "intelligent und kindisch" beschreibt. Der Streifen beschwöre den Zeitgeist herauf, "ohrfeigt ihn" und fordere ihn "zum Duell heraus". Er greife die Zuschauer an, rufe Widerspruch hervor und erlaube es dabei niemandem, "Sicherheitsabstand zu halten".

Ob sich das Publikum dieser Herausforderung stellen wird, bleibt abzuwarten.

Adaption: Sven Töniges