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Politik

Wo bleibt der Impfpass der EU?

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
25. Februar 2021

Israel macht vor, wie das mit dem Impfpass geht. Die EU droht an ihrer eigenen Komplexität in dieser an sich simplen Frage zu scheitern, meint Bernd Riegert.

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Deutschland Corona-Pandemie | Impfpass
Der gelbe Ausweise der Weltgesundheitsorganisation soll durch einen elektronischen Corona-Pass abgelöst werdenBild: Fleig/Eibner-Pressefoto/picture alliance

Wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat, dann ist es, dass schnelles, entschlossenes Handeln gefragt ist. Man muss schneller sein als das Virus und vor der nächsten Welle die richtigen Entscheidungen treffen. Die Regierungen in der Europäischen Union haben oft über Nacht ganze Länder heruntergefahren, aber jetzt, wenn es in der anlaufenden Impfkampagne darum geht, sich wieder an normales Leben heranzutasten, setzt ein unverständliches Zögern ein. Das beste Beispiel ist die quälende Diskussion um den europäischen Impfpass.

Warum machen wir es nicht wie die Israelis, die Corona-Geimpften erlauben, wieder ins Fitnessstudio zu gehen oder in Urlaub zu fahren? Es gibt erste ermutigende Studien, dass die Impfung auch das Risiko einer Weitergabe der Infektion signifikant vermindert. Ja, es gibt noch keine hundertprozentige Sicherheit, aber wann hat es die in dieser Pandemie je gegeben? Anstatt auf dieser positiven Nachricht aufzubauen, werden die zarten Pflänzchen der Hoffnung wieder kaputt genörgelt.

Der EU-Gipfel kann sich nur dazu durchringen, über einen EU-Impfpass nachzudenken und endlos weiter zu diskutieren. Deutschland und Frankreich bremsen aus unerfindlichen Gründen. Die Kanzlerin wiegt ihr müdes Haupt und meint, man müsse erst einmal warten bis ganz viele Menschen geimpft seien. Warum? Kann man denn denjenigen, die eine Impfung haben, nicht schon jetzt ihre alten Rechte wiedergeben? Es werden ja in der EU täglich Zehntausende mehr, die geimpft sind.

Impfpass schadet niemanden

Riegert Bernd Kommentarbild App
Bernd Riegert, Europa-Korrespondent

Auch das Argument, dass Geimpfte andere immer noch anstecken könnten, führt in die Irre. Schließlich sind die Geimpften im israelischen Fitnessstudio ja unter sich. Selbst wenn sie sich theoretisch gegenseitig ansteckten, werden sie nicht mehr krank. Außerhalb dieser "geschützten Zonen" müssen sich Geimpfte natürlich weiter an die normalen Corona-Schutzregeln halten. Um ganz sicher zu gehen, könnte man von Geimpften bei Großveranstaltungen oder beim Antritt von Reisen auch noch einen Schnelltest fordern, der die Infektion anzeigen würden. Die Verfügbarkeit von Schnelltest ist aber ein weiteres Drama, besonders in Deutschland, wo es auch ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie noch kein schlüssiges Konzept für Tests gibt.

Zurück zum Impfpass: Da es unmöglich scheint, alle 27 EU-Staaten auf eine Linie zu bringen, preschen einige Regierungschefs in Griechenland, Zypern, Polen, Estland und Österreich vor und führen nationale Impfpässe ein. Ein Armutszeugnis für den Gemeinschaftsgeist in der EU und eine verpasste Chance, um das ramponierte Image der Union nach der als schleppend empfundenen Impfkampagne wieder aufzubügeln. So werden also wohl geimpfte Menschen aus Israel in Griechenland ohne Quarantäne Urlaub machen können, während Franzosen und Deutsche weiter auf ihre lahmenden Regierungen warten.

Seid ungeduldig

Warten bringt aber gar nichts. Selbst wenn man weitere Studien und Massenimpfungen abwarten wollte, müsste man heute mit den Vorbereitungen für einen EU-Impfpass anfangen, ja schon längst angefangen haben. Denn solche Projekte dauern in der komplexen Gemeinschaft. Als Beispiel sei nur das einheitliche elektronische Einreiseformular (PLF) zur Corona-Kontaktverfolgung genannt. Das wurde im Oktober von der EU beschlossen. Drei (!) EU-Staaten nehmen derzeit an einem Pilotprojekt teil. Die restlichen müssen noch datenschutzrechtliche Bedenken ausräumen und bilaterale Verträge schließen, damit die Plattform irgendwann mal laufen kann.

12 EU-Staaten war das zu dämlich. Sie haben eigene elektronische Einreiseformulare entwickelt, die nicht miteinander kompatibel sind. Es lebe Europa, wie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen immer so nett am Ende ihrer Reden sagt. Selbst wenn der EU-Gipfel ihn heute beschlossen hätte, würde die Umsetzung des elektronischen Impfpasses viele Monate dauern. Dann ist die Pandemie hoffentlich schneller vorbei als die EU-Granden handeln konnten.

Entschlossener als die EU gehen die Fluggesellschaften voran. Deren internationaler Verband will darauf hinarbeiten, dass nur noch Geimpfte fliegen dürfen. Andere Branchen werden sicher folgen. Diese Anforderungen sind im Übrigen nicht neu, nicht diskriminierend und nicht moralisch verwerflich. Schon heute darf man in bestimmte Länder nur mit einer Gelbfieber-Impfung einreisen. Und wer in Deutschland sein Kind in eine Kindertagesstätte geben will, muss es gegen Masern impfen lassen. Wo ist der Unterschied zu Corona?

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union