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Katar verdient die Fußball-WM

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Mark Meadows
19. November 2021

Es ist skandalös, wie Migranten in Katar behandelt werden. Dennoch gibt es gute Gründe, dort die Fußball-Weltmeisterschaft auszurichten, meint Mark Meadows. Es ist der beste Weg, deren Arbeit an den Stadien zu würdigen.

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Ein Araber hält in einem Souvenir-Geschäft die Attrappe des Weltpokals in der Hand
Die arabische Welt freut sich, endlich eine Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten zu dürfenBild: Reuters/I. Al Omari

In einem Jahr beginnt die umstrittene Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Ich bin offenbar einer der wenigen, die daran glauben, dass diese WM gut ist.

Zunächst einmal müssen wir uns fragen, warum so viele im Fußball gegen die Veranstaltung sind und mit einem Boykott gedroht haben. Der Zeitung The Guardian zufolge sind in Katar über 6500 Wanderarbeiter ums Leben gekommen, seitdem das Land 2010 den Zuschlag für die Ausrichtung der WM erhalten hat. Menschenrechtsgruppen sprechen von mehreren Tausend. Es ist unklar, wie viele Todesfälle direkt mit dem Bau der Stadien und der Infrastruktur für das Turnier zusammenhängen, aber es bleibt eine beschämende Zahl.

Ein Arbeiter schiebt auf einer Baustelle in Katar eine mit einem Stein beladene Schubkarre
Menschenrechtsgruppen kritisieren schlechte Arbeitsbedingungen auf den Baustellen KatarsBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Ich möchte weder diese tragischen Todesfälle noch Katars weitgreifende Probleme mit den Menschenrechten herunterspielen. Aber ich möchte, dass auch die andere Seite gehört wird, ohne beim Thema "Katar 2022" gleich in die Verteidigung gehen zu müssen.

Eine Frage der Ehre?

Ist es nicht die beste Art, die Wanderarbeiter zu würdigen, wenn in den Stadien gespielt wird, für deren Bau sie so hart gearbeitet haben? Werden nicht einige von ihnen stolz sein, wenn Lionel Messi dort zu seiner wahrscheinlich letzten Weltmeisterschaft aufläuft?

Mir ist es lieber, wenn diese Fußball-WM in Katar ausgetragen wird als etwa in Saudi-Arabien oder im Iran. Deren Regime sind viel autoritärer. Russland hat die vergangene Weltmeisterschaft ausgerichtet und tut sich ebenfalls schwer, die Menschenrechte anzuerkennen. Aber der Aufschrei gegen Russland war nichts im Vergleich zu Katar.

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DW-Redakteur Mark Meadows glaubt an die WM in Katar

Ich glaube, dass die westliche Arroganz hier eine Rolle spielt, weil viele denken, dass der Fußball in Katar kulturell nicht verwurzelt sei. Tatsächlich hat Katar durch den Kauf von Paris Saint Germain und das Sponsern von Barcelona und Bayern München Milliarden von Dollar in den Fußball gepumpt. Nur wenige schlagen einen Boykott dieser Vereine vor. Katar hat sein Engagement für den Fußball unter Beweis gestellt. Es geht also nicht nur um Sportswashing.

Asien als Gastgeber an der Reihe

Die Fußballweltmeisterschaft wurde bisher nur einmal in Asien ausgetragen: 2002 in Japan und Südkorea. Das ist blamabel. Es ist an der Zeit, dass Asien wieder Gastgeber wird. Allerdings gibt es nicht viele Länder, die überhaupt dazu bereit und in der Lage sind. China könnte, will sich aber nicht mit seiner schlechten Mannschaft blamieren. Australien ist nicht wirklich Asien. Nun kommt Katar. Und wir wissen, dass die Stadien und die Infrastruktur dort hervorragend sein werden.

Katar ist auch die arabische Welt, in der noch nie eine WM ausgetragen wurde. Es signalisiert, dass das Land Teil der Fußballfamilie ist. Und vielleicht hat der Druck des Fußballs die Menschenrechtslage dort sogar etwas verbessert.

Man darf nicht vergessen, dass Katar Asienmeister ist. Würden wir andere Kontinentalmeister davon abhalten, Gastgeber zu sein?

Korruptionsvorwürfe

Für einen Boykott ist es jetzt ohnehin zu spät. Ja, einige Mannschaften wie Deutschland haben protestiert, aber sie wussten, dass es sich dabei nur um eine symbolische Geste handelt und sie im November trotzdem nach Katar reisen werden.

Es gibt weit verbreitete Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit den Bewerbungen für Russland 2018 und Katar 2022. FIFA-Offizielle sind darin verwickelt.

Die DFB-Elf steht aufgereiht Arm in Arm nebeneinander und bildet mit einzelnen Buchstaben auf den Trikots das Wort HUMANRIGHTS
Die deutsche Nationalelf protestiert vor dem WM-Qualifikationsspiel gegen Island für Menschenrechte in Katar Bild: Tobias Schwarz/Getty Images/AFP

Wenn die Weltmeisterschaft gekauft wurde, dann ist das falsch. Aber die Welt hatte mehr als zehn Jahre Zeit, Katar die Austragungsrechte zu entziehen und Anklage zu erheben. Passiert ist nichts. Im Übrigen müssen sich auch andere Länder den Korruptionsvorwürfen stellen. So sollen die Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City gekauft worden sein. Ebenso die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. 

November gut für den Ligabetrieb 

Es gibt noch ein weiteres Problem mit Katar 2022: die WM wird im November und Dezember statt wie gewohnt im Juni und Juli ausgetragen. Am Gastgeber liegt das aber nicht. Der würde die Weltmeisterschaft gerne im Sommer ausrichten und für entsprechende Klimaanlagen sorgen. Fußballfunktionäre haben entschieden, dass es im Sommer zu heiß ist, nachdem sie die Rechte an Katar vergeben hatten.

Aber was spricht eigentlich gegen November und Dezember? Das mag den großen europäischen Ligen zunächst nicht passen, aber für viele andere Ligen rund um den Globus ist dieser Zeitraum besser geeignet. Wieder ist es westliche Arroganz. Dabei könnte das Jahresende Nationalmannschaften wie England, die nach einer langen Klubsaison im Juni in der Regel arg strapaziert sind, sogar zu einer echten Titelchance verhelfen.

Ein weiteres Novum ist die Tatsache, dass die Weltmeisterschaft im Grunde in einer einzigen Stadt (Doha) ausgetragen wird. Das könnte angesichts des Coronavirus hilfreich sein und ist eine Abwechslung zur Euro 2020, die seltsamerweise über den ganzen Kontinent verteilt war.

Geben wir Katar eine Chance.

Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Melanie Last.