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Politik

Kronprinz mit Blut an den Händen

Sollich Rainer Kommentarbild App
Rainer Sollich
27. Februar 2021

Kehrtwende in Washington: Ein CIA-Bericht macht unmissverständlich klar, welche Rolle Kronprinz Mohamed bin Salman im Khashoggi-Mordfall spielt, meint Rainer Sollich.

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Saudi-Arabien | Kronprinz Mohammed bin Salman
Bild: Bandar Algaloud/Saudi Royal Court/REUTERS

Nach Veröffentlichung des CIA-Berichts sind letzte Zweifel ausgeräumt: Der Mord am regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi 2018 in Istanbul geschah im Auftrag oder wenigstens mit Genehmigung des saudischen Kronprinzen Mohamed bin Salman. Es war keine außer Kontrolle geratene Aktion eines staatlichen Killerkommandos ohne Wissen und Auftrag von "ganz oben", wie das saudische Königshaus der Welt und den eigenen Bürgern immer noch ernsthaft glauben machen will.

Unentschuldbarer Zivilisationsbruch

Damit ist offensichtlich: MbS, wie der Kronprinz sich selber nennt, trägt die volle Verantwortung für eines der grausamsten Polit-Verbrechen in den vergangenen Jahrzehnten: Der Journalist wurde in eine Falle gelockt und getötet, weil den Machthabern in Riad Jamal Khashoggis fortgesetzte Kritik am Königshaus in dessen Veröffentlichungen in US-Medien missfiel.

Sollich Rainer
DW-Redakteur Rainer Sollich

Sein Leichnam wurde später vermutlich mit einer Säge zerstückelt und in Säure aufgelöst: Ein unvorstellbar abstoßender Mord im "Mafia-Stil", der Saudi-Arabiens Reputation in der Region und weltweit auf einen neuen Tiefstand gebracht hat. Und ein eklatanter Zivilisationsbruch, der durch nichts zu rechtfertigen ist und den die Welt niemals akzeptieren darf.

Herrscher mit zwei Gesichtern

Dabei hat MbS als saudischer Thronnachfolger und als schon heute informell agierender Machthaber durchaus auch Verdienste vorzuweisen - insbesondere eine vorsichtige, aber klar zu erkennende Liberalisierung der Gesellschaft sowie eine spürbare Aufwertung der gesellschaftlichen Rolle der Frau. Nicht wenige junge Saudis sehen in ihm deshalb einen großen Hoffnungsträger und verehren ihn teilweise wie einen Popstar.

Dauerhaft ins Abseits?

Aber Mohamed bin Salman hat auch eine andere Seite, die moralisch schwerer wiegt: Es klebt sprichwörtlich Blut an seinen Händen. Nicht nur das von Jamal Khashoggi - sondern auch das Blut vieler unschuldiger Menschen, die im Dauerkrieg im benachbarten Jemen durch saudische Luftangriffe auf Schulen oder Wohnhäuser ums Leben gekommen sind.

Der bisherige US-Präsident Donald Trump wusste all dies sehr genau - und hat MbS dennoch als vermeintlichen nahöstlichen Vorzeige-Partner protegiert. Amtsnachfolger Joe Biden versucht jetzt zwar mithilfe des CIA-Berichts und einer stärkeren Betonung der Menschenrechte, Mohamed bin Salman politisch zu isolieren und die Beziehungen beider Länder auf eine neue Grundlage zu stellen.

Aber vor direkten Sanktionen gegen den Kronprinzen, der in vielen EU-Staaten längst als Persona non grata gilt, scheut Biden bisher zurück. Dabei liegt eine Gefahr klar auf der Hand: Unter MbS droht Saudi-Arabien ein dauerhaftes Schicksal als Pariastaat und damit auch eine Schwächung der eigenen Interessen.