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Mehr Hilfe für Opfer von DDR-Unrecht

9. November 2021

Millionen Ostdeutsche haben unter kommunistischer Willkür gelitten. Viele leiden noch immer darunter - auch weil sie vergeblich auf Entschädigung hofften. Das muss sich endlich ändern, meint Marcel Fürstenau.

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Ein grauer und fensterloser Zellengang im Berliner Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen
Symbol des DDR-Unrechts: Zellengang im Berliner Stasi-Knast Hohenschönhausen, der heute eine Gedenkstätte ist Bild: Ruth Stoltenberg

Für viele ist es schon zu spät - weil sie längst tot sind. Ihnen kann die im Juni 2021 vom Bundestag gewählte SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke nicht mehr helfen, wenigstens finanzielle Entschädigung für Geheimdienst-Haft, Zwangsarbeit oder andere Formen staatlicher Willkür zu bekommen. Das allein ist schon ein Skandal - 32 Jahre nach der friedlichen Revolution in der nur dem Namen nach Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Jenem Teilstaat, der von 1949 bis 1989 von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) beherrscht wurde.

Kein Skandal, aber ein schweres Versäumnis war es, erst mehr als drei Jahrzehnte nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 auch auf Bundesebene den Posten einer Opferbeauftragten zu schaffen. Der wäre schon mit der Deutschen Einheit 1990 nötig gewesen. Dann hätten weit mehr Ostdeutsche eine Ansprechpartnerin an höchster Stelle, im Parlament, gehabt. Dort, wo man maximal Einfluss nehmen kann, wo Gesetze beschlossen werden.

Eine bundesweiter Härtefall-Fonds ist überfällig

So aber sind viele theoretisch anspruchsberechtigte SED-Opfer an praktischen Hürden gescheitert - Stichwort Bürokratie. Oder weil jemand - so zynisch es klingt - einfach nicht lange genug zu Unrecht im Knast gesessen hat. Ihnen allen will die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Evelyn Zupke eine lautere Stimme geben, mehr Gehör verschaffen. Die SED-Opferbeauftragte schätzt allein die Zahl derjenigen, die aus politisch-ideologischen Gründen in Gefängnissen saßen oder als Jugendliche in sogenannte "Jugendwerkhöfe" gesteckt wurden, auf mindestens 300.000.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Zur seelischen Not dieser inzwischen überwiegend älteren Menschen kommt bei vielen die finanzielle. Fast die Hälfte lebt an der Armutsgrenze - sagt die Opferbeauftragte, die in den fünf Monaten seit ihrem Amtsantritt das einzig Richtige getan hat: mit Betroffenen reden, ihnen zuhören. Doch Verständnis für die Betroffenen hilft allein nicht weiter. Deshalb fordert Evelyn Zupke für ganz Deutschland das, was bislang nur drei ostdeutsche Bundesländer haben: einen Härtefall-Fonds.

Auch das ist ein Skandal: Nur wer in Berlin, Brandenburg oder Sachsen lebt, hat bislang eine Chance auf unbürokratische finanzielle Hilfe. Thüringen ist gerade dabei, einen solchen Fonds auf den Weg zu bringen. Blickt man allerdings in diese Töpfe hinein, glaubt man seinen Augen nicht: Nur zwischen 50.000 und 100.000 Euro befinden sich darin. Nicht etwa für jedes zu entschädigende Opfer, sondern für alle!

Das Geld reicht hinten und vorne nicht

Mit einem Schuss Sarkasmus können sich die Betroffenen damit trösten, dass diese Töpfe immerhin jedes Jahr wieder gefüllt werden. Dennoch gilt: besser als nichts. Aber bei dem Wenigen darf es nicht bleiben. Der bundesweite Härtefall-Fonds muss schnellstmöglich kommen. Der neue und hoffentlich tatkräftige Bundestag sollte ihn auf seiner Prioritäten-Liste ganz oben notieren.

Je schneller er kommt, desto mehr SED-Opfer haben eine Chance, einigermaßen unkompliziert eine zunächst kleine Entschädigung zu erhalten. Denn eines ist auch klar: Ein Härtefall-Fonds für ganz Deutschland muss viel mehr Geld bekommen, um mehr als nur symbolische Hilfe leisten zu können. Wie gut, schnell und üppig das gehen kann, hat die Politik nach der Flutkatastrophe im diesem Sommer bewiesen: In kürzester Zeit wurden Milliarden Euro bereitgestellt. So viel müssen es für die noch lebenden SED-Opfer gar nicht sein - aber ein paar Millionen wären das Mindeste. Noch ist es nicht für alle zu spät, denn viele leben noch.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland