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Politik

Neue Männer braucht das Land

Koepp Dirke Kommentarbild App
Dirke Köpp
2. November 2020

Wenn die alte Politikergarde endlich abtreten würde, hätte die Elfenbeinküste vielleicht eine reale Chance auf Frieden. Denn gebraucht wird jemand, der die Ethnien versöhnt statt spaltet, meint Dirke Köpp.

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Der Präsident der Elfenbeinküste Alassane Ouattara und Ex-Präsident Henri Konan Bedie geben sich die Hand
Alte Bekannte: die Kandidaten Alassane Ouattara und Henri Konan BedieBild: Xinhua Afrika/Imago Images

"Ich sprüh's auf jede Wand: Neue Männer braucht das Land" - mit diesem Titel landete Popsängerin Ina Deter in den 1980er-Jahren in Deutschland einen Hit. Diese Zeilen, die beim Schreiben sofort zum Ohrwurm werden, gelten auch für die Wahl in der westafrikanischen Elfenbeinküste. Doch während es Ina Deter in erster Linie um schönere und höflichere Männer im Land ging, wird in der Côte d'Ivoire der politisch fähigste Mann gesucht. Und der ist leider nicht in Sicht. "Ich sprüh's auf jede Wand: Neue Männer braucht das Land!" Oder sollte es Côte d'Ivoire vielleicht besser einmal mit einer Frau versuchen?

Denn die vier Männer, die bei der Wahl am Samstag (31.10.) angetreten sind, haben eines gemeinsam: Drei von ihnen viel zu alt für ein Land, in dem das Durchschnittsalter gerade mal 19 Jahre beträgt. Und keiner von ihnen tut einer demokratischen Gesellschaft gut: Sie polarisieren, pflegen ihre alten Rivalitäten und halten das Land in einer latenten Krise. Keinem von ihnen geht es um das Land und seine Bürger. Wichtig sind ihnen vor allem ihren persönlichen Interessen - und die ihrer Volksgruppe.

Der alte Präsident

Der bisherige Präsident Alassane Ouattara zum Beispiel: Zehn Jahre lang ist es ihm nicht gelungen, die Wunden zu heilen, die der Machtkampf nach der Wahl 2010 gerissen hat, aus dem er selbst als Sieger hervorging.

Porträt Dirke Köpp Kommentarbild
Dirke Köpp leitet die Redaktion Französisch für Afrika

Kurzer Rückblick: Vor genau zehn Jahren trat Ouattara in der Stichwahl um das Präsidentenamt gegen seinen Vorgänger Laurent Gbagbo an. Kurz darauf hatte das Land zwei Präsidenten. Keiner von beiden wollte nachgeben, und am Ende hat dieser Streit 3000 Menschen das Leben gekostet. Gbagbo kam hinter Gitter, Ouattara übernahm die Macht.

Jetzt wird Ouattara seine dritte Amtszeit antreten. Laut dem offiziellen Wahlergebnis erhielt er mehr als 94 Prozent der Stimmen und sichert sich damit eine dritte umstrittene Amtszeit.Und auch wenn er argumentiert, dass dies legal sei, kam allein seine Kandidatur in den Augen vieler Ivorer einem Verfassungsbruch gleich. Gbagbo hingegen durfte nicht kandidieren, ebenso wenig ein anderer bekannter Politiker, der Präsident Ouattara zu sehr in die Quere gekommen ist. Von Versöhnung ist das Land weit entfernt. 

Ungeeignete Oppositionskandidaten

Das Trauma des Machtkampfes sitzt bis heute tief. So tief, dass viele Ivorer vor der Wahl Vorräte anlegten und sich über das Wochenende nicht aus dem Haus wagten.In den Tagen bis zur Verkündung des Ergebnisses herrschte gespenstische Ruhe in der größten Stadt des Landes, der Wirtschaftsmetropole Abidjan. Alle harrten der Entscheidung der Wahlkommission - wenngleich niemand mit einer Überraschung rechnete. 

Allerdings sind auch seine Konkurrenten kaum besser geeignet als Ouattara: Machtlos gegen die Entscheidung des Präsidenten, erneut anzutreten, heizten sie die Stimmung an und riefen ihre Anhänger zum "aktiven Boykott" der Wahl auf. Natürlich wägten sie dabei offiziell ihre Worte und baten, im Rahmen des Legalen zu bleiben.

Doch am Wahltag schwärmte Oppositionskandidat Affi N'Guessan dann öffentlich, wie gut "die jungen Leute" die Wahl behindert hätten: mit Barrikaden und dem Verbrennen von Wahlmaterial. Dabei gingen allerdings auch Polizeiwachen und Märkte in Flammen auf. Einem Politiker aber, der Gewalt verherrlicht, sollte man ein Land nicht anvertrauen.

Versöhner statt Spalter gesucht

Ja, die Möglichkeiten der Opposition sind beschränkt. Ja, es bleiben ihr wenige Mittel, sich gegen eine übermächtige Regierung durchzusetzen. Aber Gewalt hat die Côte d'Ivoire in den vergangenen 20 Jahren niemals weitergebracht. Das Land braucht jetzt jemanden, der (oder die) die Gemüter beruhigt. Eine Führungsfigur, die junge Leute unterschiedlicher Volksgruppen verbindet, statt sie gegeneinander aufzuhetzen. Eine Führungsfigur, die akzeptiert, dass auch jemand aus der eigenen Partei ein guter Präsidentschaftskandidat sein kann, der nicht der eigenen Ethnie angehört. Denn der Ethnizismus hat die Côte d'Ivoire schon zu viele Menschenleben gekostet.

Doch bis auf weiteres bleiben das alles Wunschträume. Wären die Kandidaten wenigstens etwas jünger gewesen - Ouattara ist 78 Jahre alt, sein ältester Konkurrent, Ex-Präsident Henri Konan Bédié, 86, Affi N'Guessan 67 - und nicht schon seit Jahrzehnten politische Rivalen, wären die Chancen auf Fortschritt eindeutig größer. Dann hätten die Menschen in der Elfenbeinküste eine Chance auf eine echte Wahl und einen echten Neuanfang gehabt! Stattdessen hat sich ihnen wieder allein die alte Garde aufgedrängt, die niemand jüngeren und frischeren nachkommen lassen will. Arme Côte d'Ivoire.