Die von Moskau organisierten "Volksabstimmungen" in den vier teilweise besetzten ukrainischen Regionen sind am Dienstag zu Ende gegangen. Jeder, auch Präsident Wladimir Putin selbst, weiß, dass diese Volksabstimmungen noch gefälschter sind als das Spektakel des "Referendums" auf der Halbinsel Krim im März 2014, das zur Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland führte.
Die Ergebnisse sind deswegen vorhersehbar: Noch in dieser Woche wird der Kreml offiziell bekannt geben, dass die Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson für den Anschluss an Russland "gestimmt" haben. Putin wird ihrem Wunsch zweifellos nachkommen und zeitnah die Beitrittsdokumente unterzeichnen, um sich selbst ein Geschenk zu seinem 70. Geburtstag am 7. Oktober zu machen.
Die Mobilisierung in Russland verändert das Spiel
Die Welt wird diese Scheinabstimmung nicht anerkennen, so wie sie auch den Raub der Krim nicht anerkannt hat. Bestenfalls werden das Russlands Klientelstaaten wie Eritrea und Syrien tun oder international nicht anerkannte Gebiete wie Abchasien und Südossetien (die beide 2008 von Russland gewaltsam von Georgien übernommen wurden).
Putin mag glauben, dass die Russen erfreut sein werden, wenn sie erfahren, dass er gerade mehr ihrer Verwandten aus den imaginären Klauen der imaginären "ukrainischen Neonazis" "gerettet" und ihr Land noch größer gemacht hat. Doch anders als bei der Euphorie, die die Annexion 2014 begleitete, werden die Russen dieses Mal kaum darauf achten.
Erstens, weil die Krim einen besonderen Platz in der postsowjetischen Vorstellung einnimmt, die durch den plötzlichen Zusammenbruch der Sowjetunion schwer getroffen wurde. Die Ostukraine hat keine solche symbolische Bedeutung. Zweitens, weil die "Volksabstimmungen" vor dem Hintergrund dessen stattfinden, was Putin offiziell als Teilmobilisierung bezeichnet, was aber im Grunde eine allgemeine Einberufung in Russland ist. Hunderttausende von Familien müssen ihre unvorbereiteten Männer in den Krieg und sehr wahrscheinlich in den Tod schicken. Tausende versuchen, ihnen über die sich rasch schließenden Grenzen hinweg zur Flucht zu verhelfen.
Der Kreml hat keine andere Wahl, als die besetzten ukrainischen Gebiete rasch zu russischem Territorium zu erklären und die neu einberufenen Reservisten dort massiv einzusetzen. Ohne sie ist die Beibehaltung dieser Gebiete für Russland sehr problematisch. Aber jetzt, wo die neu besetzten Gebiete zu russischem Territorium erklärt werden, wird Putin behaupten, die ukrainischen Streitkräfte würden in das russische Festland eindringen. Wahrscheinlich wird er wieder mit dem Einsatz von Nuklearwaffen drohen (wie er es seit Beginn der Invasion in der Ukraine im Februar regelmäßig getan hat), um einen Aufschub der Kämpfe zu erreichen, und vielleicht sogar einer Art von Verhandlungen zustimmen.
Putin ist gezwungen, schnell zu handeln, bevor die unweigerlich stark ansteigenden Zahlen von Toten und Verletzten die russische Gesellschaft erschüttern.
Putins verzweifelter Schachzug
Dies ist ein verzweifelter und riskanter Plan. Die Ukrainer werden sich weder aus Donezk noch den anderen drei Regionen zurückziehen. Putin muss sie entweder mit konventioneller Kriegführung zurückdrängen oder seine Drohung wahr machen, nukleare Kurzstreckenwaffen (manchmal fälschlicherweise als "taktische Atomwaffen" bezeichnet) einzusetzen. Dies wird eine Reaktion der USA mit "entsetzlichen" Folgen nach sich ziehen, wie US-Außenminister Anthony Blinken kürzlich sagte.
Das Krim-Plebiszit von 2014 war ein von einem skrupellosen und zynischen Sieger inszeniertes Spektakel. Im Jahr 2022 ist die Situation völlig anders. Putins "Referendums"-Trick sieht heute wie ein halbherziger Versuch aus, Stärke und Entschlossenheit zu zeigen, obwohl es an beidem offensichtlich mangelt. Ganz gleich, wie lange der Krieg noch andauern wird - diese gefälschten Abstimmungen werden schon bald vergessen sein.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Felix Steiner