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Schlaglöcher in Pekings neuer Seidenstraße

Clifford Coonan DW-Wirtschaftsredaktion
Clifford Coonan
5. Mai 2021

Je entschiedener China seine Ansprüche durchsetzt, desto mehr schwindet Pekings Attraktivität. Jetzt sind koordinierte Maßnahmen nötig. Der Ausgang der Bundestagswahl kann da entscheidend sein, meint Clifford Coonan.

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China Guiyang Infrastrukturausbau Neue Seidenstraße
Bild: picture-alliance/dpa/Imaginechina/D. Gang

Das glänzende Bild der neuen Seidenstraße bekommt immer neue Risse. Als sie 2015  als außenpolitisches Leuchtturmprojekt von Chinas Präsident Xi Jinping auf den Weg gebracht wurde, begrüßten viele Länder, die von der zunehmenden Globalisierung der chinesischen Wirtschaft profitieren wollten, das Vorhaben noch.

Seither hat sich die Einstellung zu Pekings Politik besonders in demokratisch regierten Ländern deutlich verhärtet. Enthüllungen über rund eine Million Uiguren, die in Umerziehungslagern interniert sind, Berichte über Zwangsarbeit in Xinjiang, ernste Zweifel an Chinas Reaktion auf den Ausbruch der Corona-Seuche und deren Ursprung sowie die Bestrebungen Pekings, die Demokratie in Hongkong auszuhebeln, haben die internationale Zustimmung zu Chinas Lieblingsprojekt deutlich abnehmen lassen.

Westliche Länder sehen sich durch die Neuordnung der China-Politik der USA unter Präsident Joe Biden nach dem Chaos der Trump-Jahre wieder ermutigt. Die Biden-Regierung weist mit dem Finger auf die zunehmend aggressive Haltung Pekings und versucht, dagegen eine Allianz mit Europa und seinen traditionellen Verbündeten zu schmieden.

DW-Sendung To the Point - Clifford Coonan
DW-Wirtschaftsredakteur Clifford CoonanBild: DW

Gegenwind aus "Down Under"

Führend auf diesem Weg der Neuorientierung ist Australien, dessen Premierminister Scott Morrison das Projekt Seidenstraßen für nicht mit "Australiens Interessen vereinbar" hält.

Die Beziehungen zwischen Canberra und seinem größten Handelspartner sind geradezu abgestürzt, seit Morrison Peking aufforderte, unabhängigen Inspektoren den Zugang zu Wuhan zu ermöglichen, um den Ursprung des Coronavirus zu erforschen. Trotz eines Freihandelsabkommens erließ China Handelssanktionen bei australischen Gütern wie Kohle, Wein und Gerste.

Australien seinerseits überprüft den Pachtvertrag mit einem chinesischen Unternehmen für den strategischen Hafen von Darwin. Auch eine Kündigung des Vertrages steht im Raum. Dem Hafen kommt große wirtschaftliche Bedeutung zu, und er ist ein Marinestützpunkt, der auch von den USA genutzt wird. Eine Annullierung könnte zu weiteren ernsten Spannungen mit Peking führen.

Ähnliche Töne sind auch aus dem Nachbarland Neuseeland zu hören. Dort sprach Regierungschefin Jacinda Ardern davon, wie schwierig es sei, mit China zu einer Einigung bei systemischen Meinungsverschiedenheiten zu kommen.

Chinas Griff nach Europa - Die Neue Seidenstraße, Teil 1

China nicht verprellen

Politiker und Geschäftsleute haben inzwischen eine gewisse Geschicklichkeit entwickelt, wenn sie mit der autoritären Führung der kommunistischen Partei in Peking sprechen - oft heißt das allerdings: einfach nur schweigen. Die Balance zu finden zwischen dem Versuch, Peking - wegen der wirtschaftlichen Macht des Landes - "nicht zu verärgern" und andererseits der Treue zu demokratischen Werten, ist zu einer geopolitischen Herausforderung geworden. Dabei müsste sich die Europäische Union nur auf ihre enorme Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft besinnen und  sich nicht mehr ständig den chinesischen Forderungen beugen.

China ist der wichtigste Handelspartner der EU - 2020 lag das Handelsvolumen bei 570 Milliarden Euro. Im Dezember letzten Jahres einigte sich die Union mit China auf ein Investitionsabkommen (CAI), das für Bundeskanzlerin Angela Merkel so wichtig zu sein scheint, wie es die Seidenstraße für Xi Jinping ist.

Das war aber möglicherweise schon der Höhepunkt in den europäisch-chinesischen Beziehungen. Denn zwischenzeitlich haben neue Erkenntnisse über die Verhältnisse in Xinjiang und der wachsende Druck Pekings auf Hongkong das Verhältnis weiter belastet. Die EU hat Sanktionen gegen vier chinesische Vertreter wegen der Internierungslager für Uiguren erlassen. Peking reagierte sofort, in dem es seinerseits zehn Personen ins Visier nahm - darunter einen Deutschen, der dazu beigetragen hatte, das System der Lager in Xinjiang öffentlich zu machen.

Europa stemmt sich gegen Übernahmen

Zu allem Überfluss hat die Corona-Pandemie viele Volkswirtschaften stark getroffen und den Börsenwert vieler europäischer Firmen deutlich sinken lassen, die dadurch verwundbarer geworden und chinesischen Übernahmegelüsten stärker ausgesetzt sind. Länder wie Frankreich, Italien und Deutschland sahen sich gezwungen zu handeln und versuchen nun, Firmenübernahmen von außerhalb der Union zu erschweren.

2019 hatte Italien Kopfschütteln und Stirnrunzeln hervorgerufen, als es - als erster G7-Staat - die Seidenstraße enthusiastisch begrüßte. Inzwischen hat sich die römische Regierung besonnen und weitere Übernahmen aus China blockiert: kürzlich erst den Verkauf der LKW- und Bussparte von Iveco aus Turin an die chinesische FAW.

Viele Experten fordern, diese Bemühungen besser zu koordinieren. Angela Merkel hat zwar immer wieder auf einen Dialog über Menschenrechte gepocht. Doch es wurde weithin akzeptiert, dass die deutsche Wirtschaft in einer quasi wertefreien Umgebung arbeiten und sich auf das Mantra verlassen sollte: Wandel durch Handel.

Doch auch deutsche Firmen nehmen inzwischen ein verändertes politisches und wirtschaftliches Klima in China wahr. Ihre Hoffnungen auf einen liberaleren globalen Handelspartner haben sich nicht erfüllt.

Und was wollen die Grünen?

Es könnte sich einiges ändern, wenn Angela Merkel nicht mehr Bundeskanzlerin ist. Umfragen zufolge sind die Grünen drauf und dran, nach der Bundestagswahl im September eine wichtige Rolle in der deutsche Regierung zu spielen. Ihre Spitzenkandidatin Annalena Baerbock vertritt eine harte Linie und hat Merkel vorgeworfen, China gegenüber zu passiv zu sein.

Menschenrechte müssen eine wichtigere Rolle im Verhältnis Europas zu China spielen. Sich dem Druck der Kommunistischen Partei Chinas zu beugen, könnte für europäische Firmen desaströse Folgen haben. Wie können hiesige Firmen konkurrieren mit Unternehmen, die Zwangsarbeiter in ihren Baumwollfabriken ausbeuten und Autos mit Hilfe gigantischer Staatssubventionen bauen und dabei Technologien nutzen können, die von westlichen Branchenführern stammen?

Europäische Firmen müssen wieder nach ihren eigenen Regeln spielen, die ja auch globalen Normen entsprechen. Schwerfällige Reformen und ein "abschüssiges Spielfeld" zugunsten der asiatischen Konkurrenz stellen eine ernsthafte Bedrohung dar, wenn es darum geht, mit China Geschäfte zu machen. Dieses Land braucht Reformen und muss ein besserer globaler Mitspieler werden, wenn es in einen echten Konkurrenzkampf eintreten will - egal, wie groß und verlockend dieser Markt auch sein mag.

Dieser Beitrag wurde aus dem Englischen übersetzt.