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Schlechte Zeiten, gute Zeiten

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Henrik Böhme
1. Januar 2021

Es braucht noch ziemlich viel Geduld und Disziplin, aber das Ende der Corona-Pandemie ist absehbar. Die deutsche Wirtschaft wird 2021 deswegen den Turbo anwerfen, ist sich Henrik Böhme sicher.

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Großbritannien London | Coronavirus | Schild, Hoffnung
Bild: Getty Images/J. Finney

Schon oft geschrieben, aber wohl nie hat es so sehr gestimmt: Es wird erst schlimmer, bevor es besser wird. Dieser dunkle, lange Winter verlangt uns Deutschen in dieser Pandemie noch einmal alles ab. Verzicht üben, Geduld haben, Rücksicht nehmen, optimistisch bleiben. Nicht gerade Dinge, für die wir bekannt sind. Aber es gibt Gründe, die dafür sprechen, tatsächlich mit erhobenem Haupt nach vorne zu schauen. Aber dazu erstmal ein kurzer Blick zurück.

Beim Lockdown Nummer Eins, im zurückliegenden Frühjahr, standen ganze Fabriken still. Kein Auto, keine Maschine wurde mehr gebaut. Läden waren geschlossen, große wie kleine. Die Prognosen waren düster. (Manche Auguren hatten Zahlen von bis zu minus 20 Prozent im Angebot.) Am Ende werden es wohl um die fünf Prozent sein, um die der Stillstand die Wirtschaftsleistung schrumpfen lässt in diesem Jahr. Eine Menge Holz, aber verkraftbar. Dann im Sommer, da hat die deutsche Volkswirtschaft gezeigt, was geht: Ein Wachstumsplus von über acht Prozent im dritten Quartal: Schlicht historisch, so was findet sich bislang nicht in den Statistiken.

Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion
Henrik Böhme, DW-Wirtschaftsredaktion

Wer soll das bezahlen?

Historisch ebenfalls, wie weit die Regierung die Schatullen geöffnet hat. Ausgerechnet der als eher zugeknöpft geltende Sozialdemokrat Olaf Scholz ließ die Milliarden regnen. Mal abgesehen davon, dass die Hilfen vor allem dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden (bei den ganz kleinen Unternehmen oder den sogenannten Solo-Selbstständigen) noch nicht wirklich angekommen sind, weil die Software für die Auszahlung noch nicht fertig ist, kann man zumindest nicht sagen, sie hätten sich nicht bemüht. Freilich: 180 Milliarden neue Schulden im Bundeshaushalt fürs kommende Jahr: Da kann einem schon schwindelig werden. Wer eigentlich soll das jemals bezahlen?   

Aber die Frage stellt man sich sowieso fortlaufend, wenn man von den gigantischen Summen hört, die aufgerufen werden: Das 1,8 Billionen Euro schwere Notprogramm der Europäischen Zentralbank für den Kauf von Anleihen von Staaten und Unternehmen. Das ebenfalls 1,8 Billionen Euro schwere Finanzpaket, dass die Europäische Union nach zähen Diskussionen (wie sonst?) Anfang Dezember beschlossen hat. Weltweit summierten sich die Hilfspakete schon im Sommer auf mindestens 15 Billionen Dollar - und der Weltschuldenberg wächst in irrsinnigem Tempo: Nach Zahlen des Banken-Lobby-Verbandes Institute of International Finance beläuft dieser sich inklusive der Schulden von Unternehmen und Banken auf 275 Billionen Dollar. (Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 liegt nach neuesten IWF-Zahlen bei knapp 3,1 Billionen Euro.)

Die Rückkehr der "Schwarzen Null"

Natürlich schwindelerregende Zahlen. Nur: Was wäre die Alternative gewesen? Denn das ist ja eine der Lehren aus der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre: Damals hielten sich die Zentralbanken und Regierungen mit Geldspritzen zurück - mit fatalen Konsequenzen. Das ist heute anders, schon während der Asien-Krise Ende der 1990er-Jahre als auch in Folge der Weltfinanzkrise ab 2008 wurden milliardenschwere Hilfspakete geschnürt, um ein Austrocknen der Geldströme zu verhindern.

Deutschland Sonnenaufgang am Rhein bei Köln
Und immer wieder geht die Sonne auf.... Bild: Henning Kaiser/dpa/picture alliance

Natürlich muss das Geld irgendwann wieder zurück in die Staatskassen fließen. Aber auch da hilft ein kurzer Blick in die jüngste Vergangenheit. In den Jahren nach der Weltfinanzkrise ist die deutsche Volkswirtschaft bald eine Dekade lang gewachsen und die Steuereinnahmen des Staates ebenso. Nur dies (in Verbindung mit einer Politik des sparsamen Wirtschaftens) hat es dem Finanzminister erlaubt, jetzt so in die Vollen zu gehen. Da gilt es auch, einen Irrtum zuzugeben: Denn auch der Autor dieser Zeilen gehörte zu den scharfen Kritikern der "Schwarzen Null" genannten deutschen Sparpolitik. Aber nun, mit den Erfahrungen der vergangenen Monate, ist klar: In guten Zeiten für schlechte Zeiten vorsorgen, das ist kein schlechtes Rezept.

Aber warum soll nun alles besser werden im neuen Jahr? Klar, es gibt mittlerweile erste Impfstoffe, und irgendwann wird auch dieser Winter zu Ende gehen. Schon mal zwei Gründe, dass die Pandemie ihren Schrecken verlieren dürfte. Dann sollte die Lust aufs Verreisen oder Autokaufen zurückkommen. Zwischen 70 und 100 Milliarden Euro haben die Deutschen in diesem Jahr nicht ausgegeben. Dieses Geld dürfte zu einem größeren Teil in den Konsum zurückfließen und die Wirtschaft ankurbeln. Dazu kommen einige steuerliche Entlastungen (bis auf die Mehrwertsteuer, die wieder steigen wird), ein höheres Kindergeld und anderes. Teurer allerdings wird Autofahren und Heizen durch die CO2-Bepreisung, die am 1. Januar 2021 in Kraft tritt.  

Tiefe Schrammen werden bleiben

Auch der Export, eine ganz wesentliche Stütze der hiesigen Konjunktur, dürfte wieder deutlich anziehen. Wenn die Weltwirtschaft wirklich um die von der OECD vorhergesagten 4,2 Prozent wachsen sollte, dann bleibt davon einiges bei den deutschen Maschinen- und Autobauern und anderen Industriezweigen hängen. Zudem hatten sich die deutschen Unternehmen zuletzt merklich mit Investitionen zurückgehalten, in diesem Jahr sowieso, aber auch schon im Jahr davor. Da dürfte jetzt mit Sicherheit ein größerer Nachholbedarf aufgelaufen sein. Und last but not least: Die vielen Milliarden aus den Hilfspaketen der Regierung müssen ja noch verbuddelt und anderweitig ausgegeben werden (Stichwort: Glasfaserausbau, Investitionen in die Infrastruktur wie Schiene und Straße, Digitalisierung etc.).

Aber freilich wird nicht alles gut. Nicht alle Gastronomen und Besitzer kleiner Läden werden überleben. Die Zahl der Firmenpleiten wird nach dem Auslaufen der Sonderregelungen zum Schutz vor Insolvenzen dramatisch ansteigen. So manches Unternehmen, das derzeit nur dank staatlicher Finanzspritzen überlebt, wird untergehen. Bleibt zu hoffen, dass durch die insgesamt wieder anziehende Konjunktur nicht zu viele Menschen in die Arbeitslosigkeit fallen, sondern anderswo einen Job bekommen.

So oder so: Wenn schon 2020 ein spannendes, geradezu einmaliges Jahr war - das neue Jahr wird nicht minder spannend. Nur wahrscheinlich am Ende ein besseres. 

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58