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Politik

Wen sperrt Facebook als Nächstes?

7. Mai 2021

Facebooks Aufsichtsgremium hat zurecht entschieden, das Konto von Ex-US-Präsident Donald Trump weiterhin zu sperren - und das könnte Konsequenzen auch für andere Politiker weltweit haben, meint Janosch Delcker.

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Bild: Mandel Ngan/AFP

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden: Facebooks unabhängiges Aufsichtsgremium erklärte am Mittwoch, das Unternehmen habe das Richtige getan, als es Donald Trumps Konto nach den Ausschreitungen im US-Kapitol am 6. Januar sperrte. Dieser Bann soll weiter gelten - zumindest vorerst.

Allerdings äußerten die Fachleute auch harsche Kritik an Facebook: Der Schritt an sich sei zwar richtig gewesen. Aber es sei ein Fehler gewesen, Trumps Konto zu sperren ohne klar definierte Kriterien, wann - und ob überhaupt - es wieder aktiviert werden kann. 

Ein cleverer Schachzug

Innerhalb der kommenden sechs Monate, so die Empfehlung des Gremiums, solle sich der Tech-Gigant erneut mit dem Fall befassen und zu einer finalen Entscheidung kommen, wie mit dem Nutzerkonto des ehemaligen Präsidenten zu verfahren sei. 

Kommentarbild Janosch Delcker
DW-Chief Technology-Correspondent Janosch DelckerBild: Privat

Es war ein cleverer Schachzug. Facebooks "Oversight Board” will das Unternehmen so zwingen, klarere Regeln dafür aufzustellen, wann es gerechtfertigt ist, politische Führungspersönlichkeiten von seiner Plattform und Instagram - das ebenfalls dem Unternehmen gehört - zu verbannen. 

Diese Regeln könnten vor allem dann bedeutend werden, wenn sich Trump entscheiden sollte, noch einmal ein politisches Amt anzustreben. Aber die Entscheidung vom Mittwoch wird auch Auswirkungen haben, die weit über die US-amerikanische Politik hinausgehen. 

Kurswechsel von Facebook?

Politische Kräfte rund um die Welt konnten bisher wesentliche Richtlinien von Facebook brechen ohne ernste Konsequenzen fürchten zu müssen, solange das öffentliche Interesse an ihren Äußerungen überwog. 

Als Facebook Trumps Konto Anfang Januar sperrte - das erste Mal überhaupt, dass das Unternehmen ein amtierendes Staatsoberhaupt blockierte - sahen einige das als Signal, dass Facebook von diesem Kurs abrücken könnte. 

Nach der Entscheidung des Aufsichtsgremiums, dass diese Sperrung gerechtfertigt war, könnten nun auch anderen Politikern und Politikerinnen strengere Regeln drohen. 

Ist Bolsonaro der Nächste?

"Wenn ein Staatsoberhaupt oder ein hoher Regierungsbeamter wiederholt Nachrichten gepostet hat, die nach internationalen Menschenrechtsnormen schädlich sein könnten, sollte Facebook das Konto für einen Zeitraum sperren, der ausreicht, um vor möglichen Schäden zu schützen", schrieben die Fachleute in einem Empfehlungspaket, das sie gemeinsam mit ihrer Entscheidung veröffentlichten.  

Sollte sich die Facebook-Führungsriege nun dazu entschließen diesem Rat zu folgen, könnte das auch Konsequenzen haben für Politiker wie Brasiliens rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro. Bolsonaro hat Facebook beispielsweise dazu genutzt, um rassistische Aussagen gegen indigene Menschen zu verbreiten. 

Ob Facebook allerdings wirklich diesen Weg einschlagen wird, bleibt ungewiss. 

Hört Facebook zu?

Facebooks Aufsichtsgremium besteht aus 20 Technologie-Experten und Expertinnen, darunter Anwälte und Journalisten. Es hat seine Arbeit erst im Oktober vergangenen Jahres aufgenommen und kann Entscheidungen wie die Sperrung von Trumps Konto bindend aufheben. Allerdings kann das Gremium nur unverbindliche Empfehlungen dazu abgeben, wie Facebook generell mit Inhalten umgehen soll.  

Deshalb werden die kommenden Monate auch ein Lackmustest dafür sein, über welche Macht das neue Gremium tatsächlich verfügt.

"Das Aufsichtsgremium sagt Facebook ganz klar, dass die Firma nicht einfach neue ungeschriebene Regeln erfinden kann, wann immer es ihr passt", betonte die ehemalige dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt, eine Co-Vorsitzende des Gremiums, nach der Bekanntgabe der Entscheidung.

Es bleibt abzuwarten, ob Facebook darauf hören wird.

Kommentarbild Janosch Delcker
Janosch Delcker Chefkorrespondent für Technologie