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Sondieren mit dem Dolch

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Felix Steiner
7. Oktober 2021

Fast zwei Wochen nach der Bundestagswahl ist noch nicht sicher, wer der nächste Bundeskanzler wird. Die bisherigen Gespräche haben allein klar gemacht, wer es auf keinen Fall werden soll, meint Felix Steiner.

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Markus Söder und Armin Laschet nebeneinander in der letzten TV-Diskussion der Spitzenkandidaten und Parteivorsitzenden vor der Bundestagswahl
Freund, Feind, Parteifreund - so lautet die Steigerungsform schon immer. Markus Söder (li.) und Armin LaschetBild: Tobias Schwarz/Pool/picture alliance

Für das Ausland ist immer schwerer nachvollziehbar, wie der Prozess der Regierungsbildung in Deutschland abläuft. Nach mehrfachen "Vorsondierungen" haben nun die vermutlich richtigen "Sondierungen" begonnen - wo auch immer da der inhaltliche Unterschied liegen mag. Sollten die erfolgreich sein, folgen dann irgendwann formelle "Koalitionsverhandlungen", die dann in einen sogenannten "Koalitionsvertrag" münden werden. Dann, und erst dann, wird der Bundestag den Nachfolger für Angela Merkel wählen. Wann das sein könnte, ist völlig offen. Eine Frist setzt das Grundgesetz nicht.

Es war nicht immer so kompliziert. 1969 - nach der ersten Bundestagswahl zu meinen Lebzeiten - verkündeten Sozialdemokraten (die damals übrigens mit deutlichem Abstand NICHT die stärkste Fraktion waren) und Liberale die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen noch am Wahlabend. Sondierungen? Brauchte niemand. Und man einigte sich schnell: Schon 24 Tage später wurde Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Kanzler der Bundesrepublik gewählt.

Große Reformen ganz ohne Vertrag

Die Regierung Brandt bewies, dass in kürzester Zeit wirklich große Reformen vereinbart werden können: zum Beispiel die neue Ostpolitik, die Brandt den Friedensnobelpreis einbrachte, oder die Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre. Und auch das heute längst selbstverständliche Eherecht, das Mann und Frau zu gleichberechtigten Partnern macht und den Ehemännern die Entscheidungsgewalt zum Beispiel über die Berufstätigkeit ihrer Frau nahm, wurde damals angestoßen.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Einen Koalitionsvertrag gab es seinerzeit übrigens nicht. Der Regierung Kohl-Genscher reichten nach der Wahl 1983 ganze zwölf Seiten - was für ein Unterschied zu den 175 Seiten, die die letzte Regierung Merkel brauchte. Zumal diese inzwischen übereinstimmend als Kabinett des Stillstands bewertet wird.

Dass viele Worte nicht eben zur Klarheit in der Politik beitragen, bewies in dieser Woche der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder: Nach Gesprächen mit den Grünen am Dienstag ließ er wissen, diese seien "vom Willen geprägt gewesen"  zu erkunden, "wo eine gemeinsame Basis ist, welche Brücken man gemeinsam beschreiten kann, wie weit die Wege dann möglicherweise sind und wie stabil die Pfeiler sind, auf denen dieser Weg zurückzulegen ist."

Den Kanzlerkandidaten von der Klippe gestoßen

Wer so redet, will gar keine Politik machen. Das zeigte Söder dann schon einen Tag später: Nachdem Grüne und FDP erklärten, sie wollten nun bevorzugt mit den Sozialdemokraten reden, die Türen zur Union seien aber keineswegs zugeschlagen, erledigte Söder genau das. Wir erinnern uns: Söder war nicht etwa der Kanzlerkandidat der Unionsparten, sondern nur der Armin Laschet unterlegene Kandidat. Was er aber bis heute nicht verwunden hat. Weshalb er Laschet nun von der Klippe stieß. Der kann nämlich nach der vernichtenden Wahlschlappe für die Union politisch nur überleben, wenn er seine Partei in die Regierung führen und selbst Kanzler würde. Was allerdings mit jedem Tag unwahrscheinlicher wird und was er mit seinem Angebot der "Moderation eines Neuanfangs" in der CDU inzwischen auch zu begreifen scheint.

Söders Absage war weder im Sinne der Grünen und erst recht nicht der liberalen FDP. Denn faktisch sind diese nun dazu verdammt, die Gespräche mit den Sozialdemokraten zum Erfolg zu führen. Was mitnichten leicht werden dürfte. Und genau deswegen in Söders Interesse liegt. Denn der spekuliert längst darauf, nach den nächsten Bundestagswahlen Kanzler zu werden. Und was würde das leichter machen als eine zerstrittene und nur wenig erfolgreiche "Ampelkoalition" aus Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen?

Wir lernen also: Die bisherigen "Vorsondierungen" dienten allein den Grabenkämpfen beim großen Wahlverlierer CDU/CSU. Was die Deutschen oder das Ausland von der künftigen Bundesregierung zu erwarten haben, wissen wir immer noch nicht. Und alle, die in spätestens vier Jahren in der Bundesrepublik wählen dürfen, sollten sich merken: Wer Freunde wie Markus Söder hat, braucht keine Feinde. Menschlich unanständiger als der CSU-Chef kann man sich jedenfalls kaum verhalten.