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Meinung: Totalverlust moralischer Maßstäbe

2. März 2022

Während nahezu die gesamte Sportwelt Russland und Belarus die rote Karte zeigt, dürfen Sportlerinnen und Sportler aus diesen Ländern an den Paralympics teilnehmen. Das kann nicht sein, sagt DW-Redakteur Jens Krepela.

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Paralympische Spiele 2022 in Peking
Bild: Andy Wong/AP/dpa/picture alliance

Vier Jahre schuften die Athletinnen und Athleten, um bei diesem Höhepunkt dabei zu sein. Für Para-Sportler, deren andere Wettkämpfe wenig im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sind sie vielleicht noch wichtiger als für andere. Das gilt auch für jeden Einzelnen und jede Einzelne der Teilnehmenden aus Russland und Belarus. Vor diesem Hintergrund wäre es eine harte Entscheidung gewesen, sie von den Wettkämpfen in Peking auszuschließen - es wäre aber die einzig richtige.

Stattdessen verblüfft das Internationale Paralympische Komitee die Sportwelt. Die Teams aus Russland und Belarus dürfen starten, zwar nicht unter eigener Flagge, aber wen kümmert das am Ende? Das IPC verschanzt sich hinter der Behauptung, juristisch würden die geltenden Regularien einen Ausschluss nicht hergeben. Das ist ein Armutszeugnis in Zeiten, in denen das IOC einen Ausschluss empfiehlt und große Player wie FIFA und UEFA klare Konsequenzen ziehen. Und in denen auch kleine Klubs Zeichen setzen, indem sie ihren möglichen Ruin in Kauf nehmen, weil sie russische Sponsorenverträge mit sofortiger Wirkung kündigen, wie der Eishockey-Zweitligist Löwen Frankfurt. Unangenehme und beispiellose Beschlüsse sind möglich, man braucht nur etwas Mut dazu. Schade, dass die Mitglieder des IPC-Boards diesen Mut nicht hatten.

Differenzierung zur falschen Zeit

Porträtaufnahme von DW-Redakteur Jens Krepela
DW-Redakteur Jens Krepela

Der Angriffskrieg Russlands und Belarus' in der Ukraine ist erschütternd und durch nichts zu rechtfertigen. Deshalb muss die Reaktion darauf absolut konsequent sein. Die Länder, von denen dieses Leid ausgeht, müssen die Ächtung spüren - auf allen Ebenen. Und sei es durch enttäuschte Sportlerinnen und Sportler, denen das Startrecht in Peking entzogen wurde. Ihre individuellen Nachteile hätten hier hinter das große Ganze zurücktreten müssen. Die Differenzierung zwischen Regierungen und Sportlern, die IPC-Präsident Parsons fordert, mag schon in Friedenszeiten beim Thema Doping schwer verdaulich sein. Angesichts der Todesopfer in der Ukraine und dem Schicksal von hunderttausenden Flüchtenden mutet es an wie ein Totalverlust moralischer Maßstäbe.

"Ich schäme mich", sagt einer über diese Entscheidung, an der er gar nicht beteiligt war: Karl Quade, der deutsche Teamchef in Peking, begleitet den Para-Sport schon seit über 30 Jahren und hat sich vehement für einen Ausschluss eingesetzt. Seine Scham ist gut nachzuvollziehen. Zu groß sind Krieg und Grauen - zu kleinlich dieser falsche Kompromiss.  

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Jens Krepela Redakteur, Reporter, Autor