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Gesellschaft

Ein Albtraum vieler Polinnen wird wahr

Magdalena Gwozdz-Pallokat
Magdalena Gwozdz-Pallokat
23. Oktober 2020

Bei schweren Gesundheitsschäden am werdenden Kind wird eine Abtreibung in Polen nicht mehr zulässig sein, so das Verfassungsgericht. Ein Sieg für die Politik, eine Zumutung für Frauen, meint Magdalena Gwozdz-Pallokat.

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Protest für Recht auf Abtreibung
Protest für Recht auf Abtreibung (in Krakau)Bild: Beata Zawrzel/NurPhoto/picture-alliance

Ich bin eine Frau. Ich bin katholisch. Ich bin zweifache Mutter. Und ich bin wütend.

Unsere Kinder sind noch klein und die Erinnerung an die Schwangerschaft noch nicht vom Lauf der Zeit zerstreut. Wir hatten Glück, mussten uns diesem unvorstellbar schweren Dilemma nicht stellen, und trotzdem waren die neun Monate von Unsicherheit und Ängsten geprägt: Geht alles gut? Ich wage es mir kaum vorzustellen, wie es einer Frau, einem Paar gehen muss, wenn die Nachricht kommt, ihr Kind sei kaum überlebensfähig, sei schwer entstellt. Eine Frau zu zwingen, solch eine Schwangerschaft auszutragen, wenn sie es sich nicht zutraut, muss sich wie eine Tortur anfühlen. Es ist eine Tortur!

Ich weiß noch ganz genau, wie viel Respekt ich vor pränatalen Untersuchungen hatte, wie viel Unsicherheit mich auf dem Weg in eine Arztpraxis begleitete. Wie dankbar ich der Medizin war, überhaupt die Möglichkeit zu haben, zu erfahren, ob es Komplikationen gibt. Und ja, am Ende und im schlimmsten Fall auch selbst entscheiden zu können, wie es weitergeht. Es muss verdammt schwer sein, in so einer Situation eine Entscheidung zu treffen. Egal, welche.

Frauen brauchen Mut

Ich bewundere jede, die sich entscheidet, ein schwer krankes Kind auszutragen und dann auf kleinstem Schritt zu begleiten. Es gibt kaum Worte, die meinen Respekt für diese Familien zum Ausdruck bringen könnten. Ich kenne auch solche, die es gewagt haben. Ja, dazu gehört Mut. Aber es ist unglaublich verletzend, denjenigen, die sich anders entscheiden, zu unterstellen, sie seien feige oder schützten kein Leben. Auch zu solch einer Entscheidung gehört Mut und sie bringt auch, genauso wie im anderen Fall, lebenslange Konsequenzen mit sich.

Magdalena Gwozdz-Pallokat (Mariusz Smolewski)
DW-Autorin Magdalena Gwozdz-PallokatBild: Mariusz Smolewski

Deswegen sage ich: Wem anders, wenn nicht der Frau selber, steht es zu, darüber zu entscheiden. Es geht nicht in meinen Kopf hinein, wie jemand sich anmaßen kann, in den sensibelsten Lebensbereichen derart dreiste Urteile zu fällen. Wie nicht anders zu erwarten, hat das von der PiS-Partei in ihrem Sinne umgebaute Verfassungsgericht in Warschau ganz im Sinne von Bischöfen und weiten Teilen der Regierungsfraktion entschieden

Verurteilt werden Frauen. Verurteilt zu einem grausamen Countdown bis zum Tod ihrer Kinder. Viele von ihnen werden nur wenige Tage oder Wochen überleben, aber das wird keinen interessieren. Leiden werden die Eltern und die Kinder. Diejenigen, die heute laut über den "vollen Schutz des Lebens” sprechen, werden an diesem Leiden keinen Anteil haben.

Lebensbereiche, die den Staat nichts angehen

Genauso wie der Staat kaum Anteil daran hat, Familien mit schwer kranken Kindern zu unterstützen. Und ich rede hier gar nicht von der materiellen Unterstützung, sondern von Strukturen und Möglichkeiten, von denen es hierzulande zu wenige gibt für diejenigen, die vom Anbeginn ihres Lebens einen individuellen Weg gehen müssen. Es fehlt in Polen an Rehabilitation, geeigneten Schulen, rollstuhlgerechter Infrastruktur und letztlich auch immer noch an Akzeptanz.

Hier geht es nicht darum, wer "für" oder "gegen" etwas ist. Nein, es geht um das Recht der Frauen, in elementaren Fragen selbst entscheiden zu können. Immer tiefer dringt der polnische Staat in Lebensbereiche ein, die ihn nichts angehen. Die Politik definiert, was ein richtiger Pole, ein guter Christ, eine ordentliche Frau und Mutter zu sein hat.

Gerade Frauen, das weiß ich genau, sind stark, stark genug, um eigene Entscheidungen zu fällen. Kein Wunder, dass das nicht jedem gefällt. Man wird mit ihnen rechnen müssen. Jetzt auch verstärkt in Polen.

Magdalena Gwozdz-Pallokat
Magdalena Gwozdz-Pallokat Korrespondentin DW Polski, HA Programs for Europe, Warschau, Polen