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Schlimmer geht's immer

Melina Grundmann I Autorenbild
Melina Grundmann
3. September 2021

Armin Laschet lacht im Katastrophengebiet, die Grünen singen peinlich Gereimtes. Am Ende gewinnt bei der Bundestagswahl vielleicht nur, wer die wenigsten Fehler macht, meint Melina Grundmann.

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Armin Laschet lachend in Erftstadt
Das Lachen im Katastrophengebiet, während vorne der Bundespräsident sprach, kostete Armin Laschet viele SympathienBild: Marius Becker/dpa/picture alliance

Wer bei "Wahlkampf" an spannende Auseinandersetzungen, Temperament und politische Inhalte denkt, wird in Deutschland aktuell enttäuscht. Denn statt eines spannenden Kampfes um die besten Argumente sehen Wählerinnen und Wähler in diesem Jahr einen Wettbewerb um die nächste Peinlichkeit, den nächsten Fehltritt.

Nach diesem Auftakt hätte man das wohl ahnen können: Kaum war Annalena Baerbock zur Kanzlerkandidatin der Grünen gekürt, musste sie mehrfach ihren Lebenslauf korrigieren, Zusatzeinnahmen beim Bundestag nachmelden und wurde dann auch noch mit ihrem neuen Buch beim Abschreiben ertappt. Die Glaubwürdigkeit der zur Hoffnungsträgerin Hochgeschriebenen war dahin, in Umfragen brach Baerbock heftig ein.

Reim dich oder ich fress' dich

Nun sollte ein Wahlkampfvideo den Abwärtstrend stoppen. Hat aber nicht geklappt - heraus kam vielmehr der wohl peinlichste Wahlwerbespot der vergangenen Jahre: Frei nach dem Motto "Reim dich oder ich fress' dich" haben die Grünen ein altes Volkslied so umgedichtet, dass es zu ihrem Programm passt.

In den Sozialen Netzwerken hagelt es Kritik, nicht nur wegen der Rüttelreime. Sie bediene sexistische und rassistische Klischees, lautet der Vorwurf an die sich sonst so progressiv gebende Partei. Kein Wunder: Die einzigen People of Color in dem Video sind Sportler sowie ein Handwerker. Und am Grill steht - wie sollte es anders sein - natürlich ein Mann! Das einzige, was die grüne Kandidatin und ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck in diesem Wahlwerbespot richtig machen: Sie singen zum Glück nicht selbst mit.

Vom Kanzlerkandidaten zum Clown

Dann ist da Unions-Kandidat Armin Laschet, der lange die Umfragen anführte, vielen schon als der sichere nächste Kanzler galt. Doch das hat sich erstmal erledigt. Besonders verheerend war Laschets Lachen im Hintergrund bei einer Tour durch die von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiete, während der Bundespräsident vorne zu den Opfern der Katastrophe sprach.

Und auch die CDU hat ein peinliches Video veröffentlicht: Hier ist Laschet in Bergmannskluft unter Tage zu sehen. Doch allein er hat Kohlestaub im Gesicht. Hat er sich den extra hingeschmiert, um authentischer zu wirken? Oder hat er einfach nur lausige PR-Berater? Fest steht: Laschet wirkt weder authentisch noch seriös, sondern einfach nur peinlich.

Wirecard scheint vergessen

Überraschend skandalfrei bewegt sich hingegen SPD-Kandidat Olaf Scholz durch den Wahlkampf. Nach seiner Rolle in der Wirecard-Affäre, dem größten Bilanzskandal Deutschlands, und dem gigantischen Cum-Ex-Steuerbetrug fragt jedenfalls kaum noch jemand - beides schadet seinem Ansehen nicht.

Und auch sonst ist dem eher stillen und wenig charismatischen Scholz bisher kein Faux-Pas passiert. Fast die Hälfte der Deutschen möchte ihn inzwischen als Kanzler sehen und seiner SPD verhilft er zu neuen Spitzenwerten, die der Partei noch vor kurzem niemand mehr zugetraut hätte. Im Vergleich zu Laschets und Baerbocks Peinlichkeiten wirkt er jedenfalls regelrecht staatsmännisch. Doch was sagt es über den Wahlkampf, wenn Nicht-Peinlich-Sein schon ausreicht, um ganz vorne zu liegen? 

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DW-Redakteurin Melina GrundmannBild: privat

Eine verpasste Chance

Haben Baerbock und Laschet schlechte Ratgeber? Oder verlieren sie einfach nur schlichtweg die Nerven? Olaf Scholz jedenfalls, dessen Kanzlerkandidatur vor einem halben Jahr noch als aussichtslos belächelt wurde, glänzt im Wahlkampf mit einem seiner entscheidenden Charakterzüge: sich durch nichts und niemand aus der Fassung bringen zu lassen. Und sich inhaltlich möglichst wenig festzulegen. Nur nicht auffallen und nicht anecken, scheint seine Devise.

Damit lassen alle drei - Laschet, Baerbock und Scholz - gerade eine großartige, wenn nicht sogar historische Gelegenheit verstreichen. Die Amtsinhaberin tritt nicht wieder an und noch nie hatten drei verschiedene Parteien die reelle Chance, den Nachfolger oder die Nachfolgerin zu stellen. Da hätte man durchaus emotionale Debatten und starke, inhaltliche Auseinandersetzungen erwarten dürfen. Stattdessen Pleiten, Pech und Pannen. Oder im Fall von Scholz: große Unauffälligkeit und Langeweile.