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PolitikEuropa

Watergate in Warschau

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
4. Januar 2022

Hat der polnische Geheimdienst die Oppositionspolitiker mit "Pegasus" ausspioniert? Auch wenn das zutrifft, wird die PiS-Regierung ihre Stammwählerschaft nicht verlieren. Eine bittere Erkenntnis, meint Bartosz Dudek.

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Polen Protest gegen PIS-Regierung in Warschau
Bisher konnten die Proteste der Opposition der polnischen Regierungspartei PiS nichts anhabenBild: Str/NurPhoto/picture alliance

Am 17. Juni 1972 setzte der US-amerikanische Wachmann Frank Wills bei seinem Rundgang im Washingtoner Watergate-Gebäudekomplex eine politische Lawine in Bewegung. Er entdeckte die Spuren eines Einbruchs im Büro der oppositionellen Demokraten und alarmierte die Polizei.

Der Versuch, die Geheimdienste für das Abhören der politischen Gegner zu missbrauchen, endete zwei Jahre später mit dem Rücktritt des damaligen US-Präsidenten Richard Nixon. Seitdem ist der Name Watergate ein Synonym für Amtsmissbrauch und Grenzüberschreitung im politischen Wettbewerb.

Vierzig Jahre später kommt einem der Begriff Watergate automatisch in den Sinn, wenn man Berichte über das angebliche Abhören von Krzysztof Brejza liest. Der polnische Politiker leitete bei den Parlamentswahlen 2019 die Wahlkampagne seiner Partei, der oppositionellen Bürgerplattform (PO).

Echter oder falscher Wahlsieg?

Die Rolle der Schlapphütte von Watergate spielte hier ein Programm namens "Pegasus", das ermöglicht, ein beliebiges Smartphone in Echtzeit zu spionieren. Die Bürgerplattform verlor anschließend die Wahl gegen die regierende rechts-konservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS).

Waren die gewonnenen Informationen so wertvoll, dass sie den Sieg der PiS begünstigten? Die Antwort auf diese Frage entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Wahl von 2019 und die Machtlegitimation der Regierenden in Warschau.

Es ist deswegen zu befürchten, dass die PiS alles tun wird, um die Aufklärung und die Beantwortung dieser Frage zu verhindern. Wäre Polen eine intakte Demokratie (was sie nicht ist), in der die Justiz unabhängig von der Politik agierte, wären die Aussichten anders. Aber die PiS hat als eine der ersten Maßnahmen 2015 die Personalunion zwischen Justizminister und Generalstaatsanwalt eingeführt. Seit dem ist die Staatsanwaltschaft (partei-)politisch gesteuert; Verfahren gegen PiS-Politiker werden immer eingestellt.

Gerade in solchen Situationen zeigt sich, wie wichtig die politische Gewaltenteilung ist. Die Aufklärung solcher Fälle ist ohne unabhängige Gerichte und freie Presse nicht möglich.

Kindergeld statt Freiheit

Wenn die Berichte über Warschaus Watergate stimmen, stellen sie der polnischen Demokratie ein sehr schlechtes Zeugnis aus. Sie stellen Polen in eine Reihe mit autoritär regierten Staaten wie Saudi Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Aserbaidschan, die ebenfalls in Verdacht stehen, unliebsame Regimegegner mit "Pegasus" auszuspionieren. Für ein EU-Land ist das eine Image-Katastrophe.

Es wäre aber naiv zu glauben, Warschaus Watergate würde, wie damals in den USA, zu Rücktritten der PiS-Politiker oder gar zu ihrer Wahlniederlage führen. Die Liste der politischen Skandale seit dem Beginn der PiS-Regierung 2015 ist lang. Keiner von ihnen hat die Popularität dieser Partei unter ihrer Stammwählerschaft schwinden lassen.

Die polnischen Wählerinnen und Wähler bewerten die sozialen Wohltaten der PiS allem Anschein nach höher als die Qualität der Demokratie. Sie scheinen bereit zu sein, ihre Freiheiten gegen ein höheres Kindergeld einzutauschen. Daran wird Watergate nichts ändern. Und das ist bitter.

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek Redakteur und Autor der DW Programs for Europe