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Politik

Wem der Krieg um Berg-Karabach alles hilft

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
29. September 2020

Was passiert, wenn in einem Konflikt die potenziellen Vermittler zu Profiteuren werden? Wenn sie am Krieg verdienen? Dann eskaliert der Konflikt immer wieder - so wie derzeit im Kaukasus, meint Miodrag Soric.

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Armenien und Aserbaidschan Konflikt um Berg-Karabach | Freiwillige in Eriwan
Freiwillige werden in der armenischen Hauptstadt Jerewan zu den Waffen gerufenBild: Melik Baghdasaryan/Tass/dpa/picture alliance

Die Türkei beispielsweise könnte mäßigend auf ihr "Brudervolk" in Aserbaidschan einwirken, damit sich der Konflikt um Berg-Karabach nicht ausweitet. Ankara zündelt aber lieber. Vor kurzem erst hielt die türkische Armee Militärmanöver mit Baku ab, ermunterte die Aseris zum Waffengang, bedrohte selbst Armenien.

Überall wo die Türkei unter Präsident Erdogan als vermeintlicher Friedensstifter auftritt, ist der Krieg nicht weit: im Kaukasus, in Syrien, in Libyen. Erdogan schickt Kriegsschiffe gegen Griechenland, schert sich nicht um die Bündnissolidarität in der NATO oder internationales Recht. Sein Ziel: aus der Türkei eine unabhängige Regionalmacht zu machen, notfalls mit Gewalt. An einem dauerhaften Frieden im Kaukasus hat Erdogan jedenfalls kein Interesse.

Kein Interesse an einer politischen Lösung

Um Einfluss - oder dessen öffentlichkeitswirksame Demonstration - geht es auch Russland. Der Kreml könnte Armenien von unnötigen Provokationen abhalten, etwa davor christliche Flüchtlinge aus Syrien in Berg-Karabach anzusiedeln. Moskaus Einfluss auf Jerewan ist kaum zu überschätzen. Jede armenische Regierung weiß: Ohne den Schutz des großen Bruders aus Moskau ist die Sicherheit des Landes nicht zu gewährleisten.

DW-Chefkorrespondent Miodrag Soric
DW-Chefkorrespondent Miodrag Soric

Russland liefert nicht nur Waffen an Armenien, es hat dort auch Tausende Soldaten stationiert. Dennoch hat Moskau kein Interesse an einer politischen Lösung des Problems um Berg-Karabach. Es will den Status Quo beibehalten, gute Beziehungen pflegen zu Jerewan und Baku. So kann es sich bei Konflikten immer wieder als Großmacht stilisieren.

Im Streit um Berg-Karabach fehlt der ehrliche Makler. Russland und die Türkei verfolgen eigene Ziele. Deshalb kocht der Konflikt regelmäßig hoch. Vor allem dann, wenn sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die Regierungen von eigenem Versagen ablenken wollen.

Patriotismus betäubt die Sinne

Aserbaidschans Präsident Alijew etwa hat immer wieder angekündigt, die Wirtschaft zu modernisieren, die Korruption zu bekämpfen. Passiert ist wenig. Aserbaidschan bleibt auf die Ausfuhr von Erdöl und Erdgas angewiesen. Im Zuge der Pandemie sind die Rohstoffpreise weltweit gefallen. Aserbaidschan verdient mit dem Export also weniger Geld, der Staatshaushalt befindet sich in Schieflage. Die Kaufkraft sinkt, die Unzufriedenheit der Bürger wächst - auch weil die Regierung mit Kampf gegen die Pandemie überfordert ist. Der Waffengang gegen Armenien lenkt ab, verschafft Alijew Zeit. Patriotismus macht zwar nicht satt, doch er betäubt die Sinne.

Der neu aufgeflammte Krieg um Berg-Karabach ist eine Niederlage der Diplomatie. Den Westen interessiert das Problem am Rande Europas kaum. Die USA haben sich als globale Ordnungsmacht zurückgezogen. Die EU ist mal unfähig, mal unwillig diese Rolle zu übernehmen. Und so zahlen letztlich die einfachen Leute im Kaukasus den Preis dafür, dass sich niemand für sie verantwortlich fühlt.