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Politik

Wird die SPD Olaf Scholz weiter folgen?

11. Dezember 2021

Zum vierten Mal seit 1949 hat Deutschland einen sozialdemokratischen Bundeskanzler. Die ersten drei scheiterten, weil ihre Partei sich gegen sie stellte. Wie wird es wohl Olaf Scholz ergehen, fragt sich Sabine Kinkartz.

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Deutschland | Bundesparteitag der SPD | Scholz
Bild: Hannibal Hanschke/AFP/Getty Images

Schon wieder ein SPD-Parteitag, der wegen Corona weitgehend digital stattfinden musste. Trotzdem war er ein gutes Stimmungsbarometer und zeigte, wo die Sozialdemokraten derzeit stehen. Zum einen sind sie stolz und freuen sich sehr, dass mit Olaf Scholz einer der ihren jetzt Bundeskanzler ist. Aber unterschwellig ist auch Anspannung zu spüren. Der Weg an die Macht war nicht selbstverständlich.

Wie geht es jetzt weiter? "Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten", hat ein früherer Bundeskanzler in einem anderen Zusammenhang einmal gesagt. Doch dieser Satz trifft den Zustand der SPD sehr gut. Vor allem der neue SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil erinnerte auf dem Parteitag daran, wie schlecht es für die SPD bis zum Sommer noch aussah.

Ein zerstrittener Haufen mit dem Rücken zur Wand

Als Generalsekretär hat er in vier Jahren acht SPD-Vorsitzende kommen und gehen sehen und er hat einen Wahlkampf managen müssen, der in den ersten Monaten nur frustrierend lief. Mit dem Rücken zur Wand, so Klingbeil, habe die SPD gestanden.

Programmverantwortliche beim deutschen Fernsehen hätten ihm irgendwann mitgeteilt, dass die SPD beim Blick auf den Wahlausgang ganz offensichtlich keine Rolle mehr spiele. Wenn die Partei weiterhin abgeschlagen hinter CDU/CSU und Grünen zurückbleibe, werde SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz an den Triellen, den entscheidenden TV-Debatten, nicht teilnehmen können.

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DW-Redakteurin Sabine Kinkartz

Dass es am Ende anders kam, hat die SPD auch Klingbeil zu verdanken. Er gilt als Architekt des Wahlkampfes und er schaffte es zusammen mit dem bisherigen Vorsitzenden-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, dass die SPD so diszipliniert und geschlossen auftrat, wie man es ihr gar nicht mehr zugetraut hatte.

Die SPD war immer eine Partei der Flügelkämpfe. Konservativ gegen links, jung gegen alt, pragmatisch gegen ideologisch, Basis gegen Führung. Streit wurde regelmäßig auf offener Bühne ausgetragen, man zerfleischte sich und die jeweilige Führungsspitze bis auf die Knochen und konnte offensichtlich nicht anders.

Die SPD muss ihre Balance finden

Nun ist die Regierung im Amt, der Alltag beginnt. Der 8. Dezember, als Olaf Scholz zum Bundeskanzler gewählt wurde, wird als der schönste Tag in die jüngere Geschichte der SPD eingehen. Von nun an wird es ganz sicher schwieriger werden. Abhängig auch davon, ob die SPD ihre Balance zwischen Kanzlerpartei und eigenständigem Machtzentrum findet.

Parteivorsitz und Kanzleramt sind, anders als früher, nicht in einer Hand. So wollten es insbesondere die Parteilinken, deren Gallionsfigur, der frühere Juso-Chef Kevin Kühnert, nun Generalsekretär ist. Wie kein anderer wird der 32-Jährige darauf drängen, dass die SPD eine selbstbewusste und bedeutende Rolle spielt und nicht im Schatten des Kanzleramts steht.

Es wird ein Spagat werden

Kühnert wird dafür sorgen, dass die SPD auch weiterhin eigene Positionen deutlich macht. Er wird die Ziele weiter verfolgen, die es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft haben. Das ist auch richtig so. Steuererhöhungen für Reiche oder die Abschaffung der privaten Krankenversicherung werden in einer Regierungskoalition von SPD, Grünen und FDP zwar nicht umzusetzen sein. Aber die SPD würde unglaubwürdig, wenn sie ihre im Wahlprogramm versprochenen Ziele jetzt komplett in der Schublade verschwinden ließe.

Deutschland | Bundesparteitag der SPD | Scholz und Kühnert
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz (r.)Bild: Adam Berry/Getty Images

Sie weiter zu verfolgen und gleichzeitig dem Kanzler nicht in den Rücken zu fallen, läuft allerdings auf einen Spagat raus. Es muss immer klar sein, was in der gegenwärtigen Koalition durchsetzbar und was politischer Wettbewerb mit Blick auf die Zukunft ist. 

Alte und neue Köpfe

Kevin Kühnert und dem neuen Vorsitzenden-Duo Lars Klingbeil und Saskia Esken fallen dabei unterschiedliche Rollen zu, die weit über ihre Funktionen hinausgehen. Sie haben verschiedene Temperamente und Charaktere mit dem Potenzial, Forderungen und Meinungen zu bündeln, zu kanalisieren und die sehr heterogene SPD auf diesem Weg weiterhin zu einen. 

Dafür müssen sie gut zusammenarbeiten. Die Voraussetzungen sind da. Esken und Klingbeil haben im Wahlkampf schon harmoniert, Kühnert verbindet mit Klingbeil sogar eine Freundschaft, was in der Politik selten ist. Die beiden haben sich erst finden müssen, sie kamen von höchst gegensätzlichen politischen Positionen. Dass das gelingen konnte, ist sicherlich der ausgleichenden Art von Klingbeil zu verdanken. Der neue Vorsitzende versteht sich ganz besonders darauf, zu integrieren und Verständnis für unterschiedliche Standpunkte zu erzeugen.

Scholz ist auf die SPD angewiesen

Lars Klingbeil will aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt haben. Er wird versuchen, die SPD in Bewegung zu halten, wird sie immer wieder fordern, damit sie sich programmatisch weiterentwickelt. Das ist auch nötig, denn die Welt verändert sich rasant und das bringt jeden Tag neue Herausforderungen mit sich.

Deutschland | Bundesparteitag der SPD | Scholz mit Esken und Klingbeil
Olaf Scholz und das neue SPD-Führungsduo Saskia Esken und Lars Klingbeil (v.l.n.r.)Bild: Hannibal Hanschke/AFP/Getty Images

Und was heißt das alles für Olaf Scholz? Dieser Bundeskanzler hat nach innen auf jeden Fall viel weniger Macht als Angela Merkel, Gerhard Schröder oder Helmut Kohl in ihrer jeweiligen Partei hatten. Die waren immer auch Parteivorsitzende und hatten in der Regel das letzte Wort, wenn die Marschrichtung festgelegt wurde.

Die Partei beschließt, die Regierung führt aus

Scholz hingegen muss auf das "Wir" setzen und im permanenten Dialog mit der SPD sein. Er muss seinen Genossen immer wieder versichern, dass er einer von ihnen ist. Er ist auf sie angewiesen, kann nur mit ihnen Erfolg haben. Enttäuscht er sie, werden sie sich gegen ihn stellen. Daher darf er auch nie vergessen, wo sein Platz und was seine Aufgabe in den Augen der SPD ist. Der neue Generalsekretär Kevin Kühnert fasste es auf dem Parteitag so zusammen: "Die Fraktion und die Regierung sind unsere Hände, die Partei ist Kopf und Herz."