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PolitikEuropa

Wo ist die OSZE im Konflikt mit Belarus?

Roman Goncharenko (DW)
Roman Goncharenko
15. November 2021

Im Streit um die Migranten an der östlichen EU-Außengrenze fehlt es nicht an martialischer Rhetorik in Richtung Belarus. Die Diplomatie kam bisher zu kurz. Das ist die Stunde der OSZE, meint Roman Goncharenko.

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Flaggen der OSZE und von Belarus wehen anlässlich der Parlamentarischen Versammlung der OSZE im Juli 2017 vor dem "Palast der Unabhängigkeit" in Minsk
Die OSZE ist die einzige europäische Organisation, die in Minsk präsent und in der Belarus Mitglied istBild: Viktor Drachev/TASS/dpa/picture alliance

Drohungen, Sanktionen, Truppenverlegungen - die Krise an der östlichen EU-Grenze wird hochgeschaukelt, vor allem von Belarus, das Migranten zynisch als Druckmittel gegen die Europäische Union einsetzt. Doch auch die betroffenen EU-Mitglieder - Polen und die baltischen Staaten - lassen schnell die Muskeln spielen und bringen sogar die NATO ins Gespräch.

Sogar ein bewaffneter Konflikt scheint inzwischen möglich, zumal der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko bereits über angebliche Waffenlieferungen aus der Ostukraine für die Migranten schwadronierte.

Wo bleibt eigentlich die Diplomatie?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Wo, verdammt, bleibt eigentlich die Diplomatie? Ist es nicht so, dass man normalerweise zunächst versucht, eine Krise diplomatisch zu lösen, und erst dann auf militärische Drohungen setzt?

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DW-Redakteur Roman Goncharenko

Natürlich gab es über diverse Kanäle Versuche, Lukaschenko zur Vernunft zu bringen. Zum Beispiel hat Angela Merkel mit Wladimir Putin telefoniert - aber ohne Erfolg. Dann telefonierte sie am Montag überraschend zum ersten Mal direkt mit Lukaschenko und wertete den im Westen isolierten belarussischen Herrscher dadurch auf. Ob die Krise so entschärft wurde bleibt abzuwarten. Doch es wurden noch nicht alle Mittel ausgeschöpft. Jetzt ist höchste Zeit, dass endlich ein Akteur die Bühne betritt, der bisher geschwiegen hat und der extra für solche Krisen geschaffen wurde: die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Gute Voraussetzungen für eine OSZE-Vermittlung

Da Belarus nie ein vollständiges Mitglied im Europarat war, ist die OSZE die einzige internationale Organisation auf dem Kontinent, in der alle vom Konflikt berührten Staaten vertreten sind.

Je länger die Krise um die aus Belarus kommenden Migranten dauert, desto dröhnender wirkt das Schweigen der OSZE. Und desto lauter stellt sich die Frage, wozu man sie eigentlich überhaupt noch braucht. Selbstverständlich kann auch dieser Staatenbund nur so weit gehen, wie seine Mitglieder das wollen. Aber einen Versuch ist es wert. Die nächste Gelegenheit steht mit dem Ministerrat Anfang Dezember unmittelbar bevor und die Voraussetzungen sind günstig.

Die in Wien beheimatete Organisation ist wie geschaffen für die aktuelle Krise in Belarus. Die OSZE wird seit Ende 2020 von der Deutschen Helga Schmid als Generalsekretärin geführt. Schmid ist eine erfahrene Diplomatin, sie war Stabschefin von Bundesaußenminister Joschka Fischer und hatte zuletzt einen Spitzenposten beim Europäischen Auswärtigen Dienst. Lukaschenko traf sie persönlich bereits 2015 in dessen Heimat. Die OSZE hat bis vor kurzem gute Kontakte nach Minsk gepflegt. Dort wurde vor der Corona-Pandemie seit 2014 mit OSZE-Beteiligung über die Beilegung des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine verhandelt. Auch einen Sonderbeauftragten gegen Menschenschmuggel gibt es in der OSZE - genau das wirft der Westen Lukaschenko ja vor.

Olaf Scholz soll seine Ostpolitik-Vision umsetzen 

Was könnte die OSZE tun? Als erstes müsste ein renommierter Diplomat zum Sonderbeauftragten ernannt werden, der das Gespräch mit Lukaschenko sucht und Verhandlungen auf diplomatischer Ebene vorbereitet. Die OSZE könnte auch eine internationale Konferenz veranstalten, um über Auswege aus der jetzigen Lage zu diskutieren. Mittelfristig wäre auch eine Beobachter-Mission denkbar - vorausgesetzt, Lukaschenko stimmt zu. Da auch Polen aktuell nur sehr ungern Beobachter an die Grenze lässt, wäre das vielleicht ein Kompromiss, auf den sich Warschau und Minsk unter OSZE-Vermittlung einigen könnten.

Auch Deutschland sollte sich im Rahmen der OSZE stärker einbringen. Der Wahlsieger Olaf Scholz sagte im Sommer, damals noch im DW-Kanzlerkandidaten-Interview, er wolle sich für eine "neue Ostpolitik, die diesen Gedanken von KSZE und OSZE wieder stark macht" einsetzen. Die Tragödie an den Grenzen von Belarus zur EU ist ein guter Anlass, damit sofort anzufangen sobald er im Amt ist.

 

Dieser Text wurde nach den Meldungen über ein Telefonat zwischen Angela Merkel und Alexander Lukaschenko aktualisiert.