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Meinungsmacher gegen Rechtschreibreform

Peter Philipp 15. August 2004

Immer wenn man fürchtet ins Sommerloch zu fallen, kommt jemand und füllt schnell das drohende Vakuum. In diesem Jahr machen es "Springer" und "Spiegel" gleich selbst: Sie kehren zur alten Rechtschreibung zurück.

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Nach sechs Jahren: Kommando zurück zur alten RechschreibungBild: AP

Die nachrichtenarme Zeit – auch "Sommerloch" genannt - wird dieses Jahr in Deutschland ausgefüllt mit heftigen Debatten über Reformen. Reformen, die aus dem wirtschaftlichen Tief herausführen sollen - meinen die einen. Oder die das Land noch erst recht in die Verarmung stürzen werden – meinen die anderen. Zur Sprachlosigkeit vieler Bürger über die neuen Bestimmungen gesellt sich nun ein Eingriff in die Sprache selbst: Einige der wichtigsten Presseverlage kündigten an, dass sie künftig wieder so schreiben würden wie früher.

Jahrhundertwerk hält sechs Jahre

"Früher", das heißt vor der Einführung einer umfassenden Rechtschreibreform, die von ihren Autoren als "Jahrhundertwerk" gefeiert wurde: Im August 1998 hatte sich eine Kommission von Vertretern der Kultusministerien und prominente Germanisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz darauf geeinigt, die Orthografie der deutschen Sprache grundlegend zu vereinfachen. Sollte künftigen Generationen der Umgang mit der deutschen Sprache erleichtert werden, so erreichte man genau das Gegenteil:

Von Anfang an gab es heftige Diskussionen und Widerstände gegen die neuen Buchstabier-Regeln. Zwar war man sich einig, dass Schulanfänger damit kein Problem habe würden, weil sie die alten Regeln ja nicht kennen. Was aber mit älteren Menschen? So ergab die "Reform" das merkwürdige Ergebnis, dass die angesehensten Schriftsteller der deutschen Sprache plötzlich ihre liebe Not gehabt hätten mit der Rechtschreibung. Die meisten von ihnen blieben deswegen bei den alten Regeln. Ebenso die Buchverlage, die ihre Werke veröffentlichen.

"FAZ" von Anfang an dagegen

Das Volk war gespalten: In solche, die nach den neuen Regeln buchstabieren, und jene, die (noch) die alten anwenden. Und natürlich die wachsende Gruppe derer, die vor lauter Verunsicherung ein Mischmasch von Alt und Neu erzeugten.

Ein wichtiger Schritt zur Umerziehung des Volkes war die Einführung der neuen Rechtschreibung in den Medien: Wenn man die neuen Regeln täglich in der Zeitung lese, dann werde man auch selbst darauf umsteigen, war das Kalkül der Strategen. Die Zeitungen und ihre Text-Lieferanten - in erster Linie die Agenturen - stiegen auf die neue Rechtschreibung um. Aber schon bald kam die erste irritierende Nachricht: Die renommierte "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) machte den Schritt rückgängig und kehrte zur alten Form zurück.

Interessante Allianz: "Springer" und "Spiegel"

Was zunächst belächelt wurde als Auswuchs des "FAZ"-Konservatismus, ist inzwischen Vorbild für andere geworden: Der "Springer-Verlag" - der zahlreiche auflagenstarke Tageszeitungen und Zeitschriften veröffentlicht, gab gemeinsam mit dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" bekannt, dass man den Versuch abbreche und wieder wie früher buchstabieren werde. Andere Zeitungen und Medienunternehmen haben angekündigt, dass sie dem Beispiel folgen werden.

Der Ausstieg aus der Reform erfolgt nur wenige Wochen, nachdem die Kultusminister der deutschen Bundesländer beschlossen hatten, die neue Rechtschreibung ab 1. August 2005 für verbindlich zu erklären. Die "Testphase" habe sich bewährt. Genau das aber bestreiten die Aussteiger.

Offener Ausgang

Besser dran sind offenbar die Österreicher und Schweizer: Pressehäuser in beiden Ländern hatten sich entweder gar nicht oder nur teilweise der Reform angeschlossen, auch hatten beide Länder immer schon ihre spezifischen Eigenarten der Orthografie. Und man sieht den nächsten Entwicklungen dort mit einiger Gelassenheit entgegen.

Solche Gelassenheit wäre vielleicht auch in Deutschland angemessen gewesen: Statt die Sprache per "Anweisung von oben" reformieren zu wollen, hätten die Reformer vielleicht einfach mehr Freiheit zu geben brauchen. Oder sie hätten dem Volk "auf's Maul - beziehungsweise den Griffel - schauen" sollen: Sprache ist nun einmal ein eigenständiges Lebewesen und nicht eine abstrakte Kunstform. Ein Blick in einen älteren "Duden" hätte die Reformer auch eines Besseren belehrt. Das Standardwerk der deutschen Sprache stellte da nämlich fest, dass es keine Regeln festlege, sondern nur widerspiegle, wie der Sprachgebrauch sei.