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Doch keine Google-Zerschlagung

Barbara Wesel 27. November 2014

Berichte, das Europaparlament wolle durch seine Entschließung Google zerschlagen, waren aufgebauscht. Aber große EU-Länder wollen den Digitalmarkt-Wettbewerb zu den eigenen Gunsten verändern.

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Google in mehreren Browserfenstern - Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Das Abstimmungsergebnis im Europaparlament war keine Überraschung: Die Entschließung, die sich vor allem mit der Marktmacht von Suchmaschinen befasst, wurde mit großer Mehrheit aus den Reihen von Konservativen und Sozialdemokraten sowie einigen Liberalen angenommen. Der deutsche Christdemokrat Andreas Schwab gehörte mit zu den Verfassern des Papiers, in dem unter anderem betont wird, "dass der Markt der Online-Suche von besonderer Bedeutung für die Wahrung der Wettbewerbsbedingungen im digitalen Binnenmarkt ist". Und die Europäische Kommission wird dabei aufgefordert, jeglichen Missbrauch bei der Vermarktung von verknüpften Dienstleistungen durch Suchmaschinenbetreiber zu verhindern.

Nur eine politische Willensbekundung der Europaabgeordneten

Im Prinzip ist diese faktisch folgenlose Entschließung des Parlamentes eine Aufforderung an die seit kurzem für Wettbewerbsfragen zuständige Kommissarin Margrethe Vestager. Sie soll sich erneut mit dem Thema Google befassen. Vestager soll klären, ob der Suchmaschinenanbieter - dessen Name allerdings in dem Zusammenhang nicht genannt wird - bei bestimmten Anfragen von Internetnutzern nicht neutral ist. Ob Google - zum Beispiel wenn Reisen oder Restaurants gesucht werden - systematisch konzerneigene Angebote in den Vordergrund rückt.

Andreas Schwab, CDU-Europaabgeordneter - Foto: Geert Vanden Wijngaert (AP)
Abgeordneter Schwab: "Wahrung der Wettbewerbsbedingungen"Bild: picture alliance/AP/Geert Vanden Wijngaert

Schon die vorige EU-Kommission hatte sich damit befasst, ohne allerdings in fast fünf Jahren ihrer Amtszeit ein Ergebnis zu erzielen. Eine gütliche Einigung mit Google schlug am Ende fehl. Jetzt hat das Parlament politischen Druck entfaltet, um dem Fall neuen Schub zu geben.

Matthias Machnig - Foto: Martin Schutt (dpa)
Staatssekretär Machnig: Wird das Wettbewerbsrecht dem digitalen Markt gerecht?Bild: picture-alliance/dpa

Langfristig fordern die Parlamentarier die Kommission in ihrer Entschließung auch auf, "Vorschläge zu prüfen, die darauf abzielen, Suchmaschinen von anderen kommerziellen Dienstleistungen abzukoppeln". Das könnte das Smartphone-System Android und die Videoplattform YouTube betreffen, die Google dann in einem separaten Unternehmensteil führen müsste.

Grundsätzlich wäre das nichts anderes, als was im europäischen Wettbewerbsrecht für Energieunternehmen oder Bahnbetreiber schon üblich ist: eine Trennung des Dienstleistungsangebots von der Infrastruktur, also den Leitungs- und Schienennetzen. Allerdings wird dieses "Unbundling" in der Entschließung des Europaparlaments nur als Mittel der letzten Wahl empfohlen. Zudem ist auch noch nicht rechtlich geprüft, ob und wie dies gegenüber einem internationalen Unternehmen mit Sitz in den USA umgesetzt werden könnte.

EU-Minister für Anpassung des Wettbewerbsrechts

An dem Punkt will Deutschland ansetzen: Nach dem Treffen des Ministerrates für Telekommunikation in Brüssel an diesem Donnerstag sagte der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig, dass das Bundeswirtschaftsministerium das Votum des Europaparlamentes zur Kenntnis nehme. Er wolle prüfen, ob das Wettbewerbsrecht den Veränderungen am digitalen Markt gerecht wird. Man müsse fragen, ob die bestehenden Regulierungen auch dann noch den Wettbewerb sicherstellen, wenn es zu einem Fehlverhalten von Unternehmen kommt.

Axelle Lemaire - Foto: Christophe Morin (IP3)
Staatssekretärin Lemaire: "Nur zwei Prozent europäische Unternehmen"Bild: picture-alliance/dpa/Morin

Die zuständigen Minister der EU-Mitgliedsstaaten regen also in erster Linie eine Änderung des europäischen Wettbewerbsrechtes an, um gleiche Bedingungen für alle Anbieter zu schaffen. Aus Sicht von Machnig muss geklärt werden, welche Informationen aus dem Netz von anderen kostenfrei genutzt werden dürfen. Und zweitens sei die Frage, welche Sanktionsmöglichkeiten es bei einem Fehlverhalten geben könne. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, "dass unsere kartellrechtlichen Instrumente mit der digitalen Entwicklung nicht mitgehalten haben".

Machnig will auch klare rechtliche Definitionen, was Netzneutralität bedeutet, welche Standards für freien Zugang oder für Produktinnovationen gelten sollen. Eine deutsch-französische Initiative will eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen erreichen - mit dem Ziel, dass auch europäische Unternehmen auf dem von US-Konzernen dominierten digitalen Markt eine Chance haben, sagt die in der französischen Regierung zuständige Staatssekretärin Axelle Lemaire. Die aktuelle Zahlen sprächen für sich: Nur zwei Prozent der Unternehmen in diesem Bereich seien europäisch. "Wir wollen ein Umfeld schaffen", so Lemaire, "damit auch unsere Unternehmen Erfolg haben können."

Langwierige Gesetzgebungsverfahren

Wenn also der politische Weg über eine Neuordnung des europäischen Wettbewerbsrechtes gehen soll, dann braucht sich Google angesichts der langwierigen Gesetzgebungsverfahren in Europa vorerst keine Sorgen zu machen. Da dürfte die EU-Kommission mit ihrer Prüfung einer möglichen Wettbewerbsverzerrung noch schneller zu einem Ergebnis kommen. Die aufgeregten Interventionen einiger US-Kongressabgeordneter unter anderem bei Parlamentspräsident Martin Schulz waren also zumindest voreilig. Und von einer "Attacke gegen Google" wie die Zeitung "Financial Times" berichtet, kann vorerst noch keine Rede sein.