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Mendelssohn: Schlüsselfigur der Aufklärung

Kevin Tschierse
14. April 2022

Das Jüdische Museum Berlin widmet sich in einer neuen Ausstellung dem Philosophen Moses Mendelssohn. Sein Vermächtnis sei universal, so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Eröffnungsrede.

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Deutschland Ausstellung "Wir träumten von nichts als Aufklärung" – Moses Mendelssohn.
Verfechter für die Freiheit und die Demokratie: MendelssohnBild: Jüdisches Museum Berlin

Der jüdische Philosoph Moses Mendelssohn brachte den Geist der Aufklärung mit folgenden Worten auf den Punkt: "Nach Wahrheit forschen, Schönheit lieben, Gutes wollen, das Beste tun - das ist die Bestimmung des Menschen." Moderne, klare Worte, die heute aktueller denn je klingen und schon im 18. Jahrhundert dazu beitrugen, dass er schnell zur Berühmtheit wurde.

Mit der europäischen Aufklärung entwickelte sich um den in Berlin ansässigen Philosophen die sogenannte "Haskala", die jüdische Aufklärung. 

Porträt von Moses Mendelssohn.
Moses Mendelssohn ist der "Vater der jüdischen Aufklärung"Bild: Roman März

Das Jüdische Museum Berlin geht jetzt seinen Spuren nach. Zur Eröffnung der Ausstellung "Wir träumten von nichts als Aufklärung" bezeichnete  Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Mendelssohns Vermächtnis als universal: "Toleranz, Meinungsfreiheit und die Kraft der Vernunft und Wissenschaft, ein friedliches Miteinander der Religionen, Humanität und die Geltung der Menschenrechte - diese Werte verbinden sich mit ihm", so Steinmeier. "Diese Werte verdanken wir der Aufklärung. Auf ihnen gründen unsere modernen liberalen Demokratien."

Moses Mendelssohn habe sein Leben lang unter antisemitischen Vorurteilen gelitten. Diese Form der Ausgrenzung existiere noch heute, so der Bundespräsident weiter, aber Jüdinnen und Juden seien
keine Fremden, keine Anderen: "Sie gehören zu uns. Sie sind ein Teil von uns. Das ist es, wofür Moses Mendelssohn gekämpft hat."

Integrationsfigur inmitten historischer Umbrüche

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das Leben Mendelssohns in Berlin, wo der 1729 in Dessau geborene "Vordenker" der Moderne seit 1743 gelebt hat. Er habe das vorbereitet, "was wir heute kritisches Bewusstsein nennen", so Museumsdirektorin Hetty Berg gegenüber der katholischen Nachrichtenagentur. Seine Ideen von der Gleichberechtigung der Religionen, Toleranz und einer pluralen Gesellschaft wirkten bis heute.

Porträtfoto von Hetty Berg.
Hetty Berg ist seit 2020 Leiterin des Jüdischen Museums BerlinBild: picture-alliance/dpa/Y. Sucksdorff

Mendelssohn war an vorderster Front bei den gesellschaftlichen Debatten seiner Zeit mit dabei. Das 18. Jahrhundert war geprägt von gesellschaftlichen Diskursen, die schließlich in der Französischen Revolution und anderen sozialen Umwälzungen kulminierten. Philosophen und Intellektuelle diskutierten hitzig über Religion und Gesellschaftsstrukturen. Aufklärer, wie Immanuel Kant, Gotthold Ephraim Lessing oder Johann Gottfried Herder setzten sich gegen Vorurteile und für Toleranz ein und diskutierten über die gesellschaftliche Gleichberechtigung von unterschiedlichen Gesellschaftsschichten. So wurde auch die Gleichstellung der Juden in der deutschen Gesellschaft zu einem wichtigen philosophischen und politischen Thema und Moses Mendelssohn zum "Vater der jüdischen Aufklärung".

Gemälde: Moritz Daniel Oppenheim: Lessing und Lavater zu Gast bei Moses Mendelssohn.
Moses Mendelssohn und Gotthold Ephraim Lessing waren fast drei Jahrzehnte lang befreundet und trafen sich regelmäßig.Bild: Jdsteakley/Judah L. Magnes Museum/Wikipedia

Moses Mendelssohn war befreundet mit Philosophie-Größen seiner Zeit. Zu seinen engsten Freunden zählte der Aufklärungs-Literat Gotthold Ephraim Lessing, der sich durch den Austausch mit Mendelssohn inspirieren ließ. Sein Theaterstück "Nathan der Weise", das sich mit dem Toleranzgedanken der Aufklärung mit Mendelssohn in der Figur des weisen Nathan beschäftigt, ist auch eine Hommage an seinen Freund, den jüdischen Aufklärer. 

Die religiösen Debatten, an denen Mendelssohn teilnahm, sind auch Teil der Ausstellung. "Wir zeigen, wie das Berlin des 18. Jahrhunderts zu einem Ort wurde, an dem sich unterschiedliche jüdische und nicht-jüdische Sichtweisen begegneten und sich eine jüdische Moderne entwickelte, die nahezu ganz Europa beeinflusste", betont Hetty Berg. Für Mendelssohn sei es selbstverständlich gewesen, dass "verschiedene Menschen verschiedene Weltsichten vertreten", sie aber trotzdem als vernunftbegabte Wesen miteinander leben könnten.

Philosophie interaktiv

Rund 350 Objekte sind in der Ausstellung zu sehen, darunter ein Thoravorhang aus dem Besitz Mendelssohns sowie zahlreiche Schriften und Porträts von ihm. Und ein wenig schafft es das Museum auch das Leben von Mendelssohn erlebbar zu machen. Mithilfe von audiovisuellen Tricks werden Anekdoten aus seinem Leben nachgestellt - mit Hörstationen und Papierdrucken. Der Spagat zur Moderne wird unter anderem durch eine parallel laufende Ausstellung zur Graphic Novel "Moische. Sechs Anekdoten aus dem Leben des Moses Mendelssohn" des niederländischen Künstlers Typex gespannt.

"Jüdischer Luther"

Mendelssohn war nicht nur ein Aufklärers, sondern auch Macher. Er übersetzte beispielsweise die Thora und machte damit religiöses Wissen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich. Wegen der Reformbewegung die er damit im Judentum anstieß, wurde er auch als "jüdischer Luther" bezeichnet.

Mit seinen Argumenten für jüdische Emanzipation, Minderheitenrechte und die Trennung von Staat und Religion hat Mendelssohn den Weg in die Moderne geebnet. Die Ausstellung über sein einflussreiches Leben im Jüdischen Museum Berlin läuft bis zum 11. September 2022.