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Menschenhandel: Endstation Tokio

Oliver Samson10. März 2005

Japan ist ein großer Markt - auch für sexuelle Dienstleistungen. Ein kaum stillbarer Bedarf nach "professionellen" Frauen lässt den Menschenhandel blühen. Nun will die Regierung einlenken - auf internationalen Druck.

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Rotlicht in NeonBild: AP

Japan ist bekannt für seine strengen Migrationsgesetze. Arbeitssuchende aus der Fremde haben auf dem japanischen Arbeitsmarkt keinen Platz. Bedarf besteht anscheinend nur, wenn sie jung, gut aussehend und weiblich sind. Jahr für Jahr kommen über 100.000 von ihnen mit "Entertainer-Visa" ins Land - Frischfleisch für die japanische Sex-Industrie.

"Nicht einmal Mindest-Standards"

Bisher neigte die japanische Regierung eher dazu zu ignorieren, dass mit den Entertainer-Visa schwunghafter Menschenhandel betrieben wird. Am 15. März sollen nun strengere Vergaberichtlinien für diese Visa in Kraft und härtere Strafen für Menschenhändler verabschiedet werden - vor allem auf internationalen Druck hin. Nach unzähligen Studien und Konferenzen zum Thema setzte schließlich auch das US-Außenministerium Japan in seinem jährlichen Menschenrechtsbericht auf die "Watchlist". In dem Bericht heißt es, Japan erfülle nicht einmal "die Mindest-Standards zur Bekämpfung von Menschenhandel" und könnte, wie es weiter heißt, "viel mehr tun, um die tausenden Opfer von sexueller Sklaverei zu beschützen".

Prostitution in Japan Vergnügungsviertel in Tokio
Peep-show in TokioBild: AP

Sexuelle Ausbeutung ist kein neues Problem in Japan, nur brauchte Japan deutlich länger als andere Länder dies anzuerkennen. 2003 verabschiedete das Kabinett erstmals ein halbherziges Programm, um das öffentliche Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen und Menschenhandel zu sensibilisieren. Dem Bericht des US-State-Department zufolge wurde aber nur "geringe Versuche gemacht, um den Bedarf nach den Opfern des Menschenhandels zu vermindern".

Tief verankert

Genau darin scheint das eigentliche Problem zu liegen: Käuflicher Sex ist in vielen Facetten tief in der japanischen Tradition verankert. Offiziell wurde Prostitution zwar vor 45 Jahren verboten, doch nicht nur im neonglitzernden Tokioter Rotlichtviertel Kabukicho kann man jegliche sexuelle Dienstleistung kaufen. Die Ordnungshüter akzeptieren entsprechende Etablissements stillschweigend.

Heutzutage ist der käufliche Sex ein gigantisches Geschäft. 60 Milliarden Euro setzt die japanische Sex-Industrie nach Schätzungen der Financial Times mit Strip-Shows, Prostitution oder auch den legendären Automaten mit getragen Slips jedes Jahr um. 150.000 Nicht-Japanische Frauen arbeiten Schätzungen des International Labour Office (ILO) zufolge im Milieu. Prostitution und Menschenhandel liegen in Händen der international agierenden Mafia, der berüchtigten Yakuza - in Japan ebenso tief verwurzelt wie Prostitution. Die Yakuzi rekrutieren die Mädchen und Frauen meist unter falschen Versprechen in ihrem Heimatland, eskortieren sie nach Japan und geben sie bei ihrer "Arbeitsstelle" ab - eine Milliardengeschäft mit geringem Risiko.

Halbherzige Maßnahmen

So lange es einen dermaßen einträglichen Markt für "importierte" Frauen aus den Philippinen, Thailand, China Korea, Kolumbien und zunehmend auch Osteuropa gibt, ist der Menschenhandel-Mafia mit halbherzigen polizeilichen Maßnahmen kaum beizukommen - die sich bisher einseitig gegen die illegalen Frauen wandten. "Entgegen dem internationalen Konsens, dass Opfer von Menschenhandel Schutz (…) genießen, werden sie oft verhaftet und deportiert", stellt eine Anfang März veröffentlichten umfangreichen Studie des ILO zu Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung in Japan" fest. Die Opfer müssten zusätzlich noch die Kosten tragen, "während die Menschenhändler ihre Profite behalten und selten verfolgt werden", heißt es weiter.

Dass mit den neuen Schritten nun alles besser wird, bezweifeln viele. Sogar in Japan. In einem Aufsehen erregenden Interview der großen Tageszeitung Asahi Shimbun deutete der Chef der Tokioter Immigrationsbehörde Anfang März 2005 an, das wahre Problem sei die Verbindung von Politikern "mit Leuten, die mit der Ausbeutung von Frauen Profite machen" - auch dies wäre in Japan nichts unbedingt neues.

Neu ist hingegen, dass die Entertainer-Visa für Philippinos von 80.000 pro Jahr auf 8.000 beschränkt werden. Auf den Philippinen löste dies einen Schock aus: 400 Millionen Dollar bringen diese "Entertainer" pro Jahr mit zurück - ein Segen für die philippinische Wirtschaft. Es soll schon einen Anfrage des Außenministeriums bei japanischen Stellen gegeben haben: Ob man die neue Regelung nicht ein wenig weiter fassen könnte.