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"Kein geteiltes Ost-West-Europa"

31. August 2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel lädt zur sommerlichen Pressekonferenz. Das Thema Flüchtlinge nimmt eine zentrale Rolle ein - und stellt NSA-Affäre und Ukraine in den Schatten.

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Deutschland PK Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Mit Blick auf die rasant wachsenden Flüchtlingszahlen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zu mehr Beweglichkeit im staatlichen Handeln aufgerufen. Deutsche Gründlichkeit sei zwar "super", aber "es wird jetzt deutsche Flexibilität gebraucht", sagte Merkel auf ihrer ersten Pressekonferenz nach der politischen Sommerpause in Berlin. Deutschland habe schon vieles geschafft und werde auch mit dieser Herausforderung fertig werden. "Aber wir müssen die Dinge jetzt beschleunigen." Deutschland müsse dafür Mut zeigen und auch bestimmte Vorgaben vorübergehend außer Kraft setzen.

Der Staat müsse unter anderem bei bestimmten Vorschriften - etwa beim Brandschutz oder Emissionsschutz - vom Standard abweichen können, um die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften zu vereinfachen. Die Bundesregierung werde dazu eine Gesetzesinitiative vorlegen, sagte Merkel. Sie regte aber auch Schnellkurse für Deutschlehrer an, um das Angebot an Sprachkursen für Flüchtlinge auszuweiten. "Das kann man mit dem normalen deutschen Vorgehen nicht machen." Ziel müsse auch sein, Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit in jede Erstaufnahmeeinrichtung zu entsenden. Die Asylverfahren müssten schneller werden, die Zahl der Plätze in Erstaufnahmeeinrichtungen müsse erhöht werden. Und der Bund werde sich auch einer fairen Kostenverteilung mit Ländern und Kommunen nicht entgegenstellen, "im Gegenteil".

"Folgen Sie denen nicht"

Für solche und weitere Maßnahmen verspricht Ländern und Kommunen, dass der Bund finanziell mehr tun wird. Zahlen könne sie aber noch nicht nennen. Das Ziel des ausgeglichenen Bundeshaushalts gerate angesichts der positiven Steuerzahlen nicht in Gefahr. Merkel nannte die Bewältigung des Flüchtlingsproblems eine "nationale Aufgabe, die jeden angeht" und längere Zeit erfordern wird. "Wir schaffen das", sagte sie. Auch "Europa als Ganzes" müsse sich bei diesem Thema bewegen.

Den Teilnehmern an fremdenfeindlichen Ausschreitungen sagte die Bundeskanzlerin den Kampf an. Man werde sich mit der "ganzen Härte unseres Rechtsstaates" gegen diejenigen wenden, die andere angriffen und anpöbelten, sagte Merkel. Das gelte auch für diejenigen, die bei Demonstrationen mit Hassgesängen die Bevölkerung zu Fremdenfeindlichkeit anstacheln wollten. "Folgen sie denen nicht, die zu solchen Demonstrationen aufrufen", appellierte die Kanzlerin an die Deutschen.

"Die Welt sieht Deutschland als ein Land der Hoffnung und der Chancen. Und das war nun wirklich nicht immer so", betont die Kanzlerin. "Wir achten die Menschenwürde jedes einzelnen", sagte Merkel. Politisch Verfolgte hätten in Deutschland ein Anrecht auf Asyl. Auch Flüchtlingen aus Kriegsgebieten werde in Deutschland geholfen. Sie rief zu Mitgefühl mit den Flüchtlingen auf. Die meisten hätten Angst- und Erschöpfungszustände erlebt, unter denen die meisten Menschen zusammenbrechen würden. Was sich in Europa abspiele, sei keine Naturkatastrophe, aber es spielten sich viele katastrophale Situationen ab. "Es gibt keine Toleranz gegenüber denen, die die Würde anderer Menschen infrage stellen."

Kein geteiltes Ost-West-Europa

Dazu rief sie auch alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf: "Europa als Ganzes muss sich bewegen. Die Staaten müssen die Verantwortung für asylbegehrende Flüchtlinge teilen. Die universellen Bürgerrechte waren bislang eng mit Europa und seiner Geschichte verbunden. Das ist einer der Gründungsimpulse der Europäischen Union. Versagt Europa in der Flüchtlingsfrage, geht diese enge Bindung mit den universellen Bürgerrechten kaputt, sie wird zerstört, und es wird nicht das Europa sein, das wir uns vorstellen."

pab/jj (dpa, afp, rtr)