Merkel und Seehofer: Im Abschied vereint?
Der angekündigte Rückzug Merkels vom CDU-Parteivorsitz befeuert Gerüchte über einen Rücktritt Seehofers als CSU-Chef. Im Abschied von der Macht wären sie vereint. Ein Blick zurück auf eine schwierige Beziehung.
Zauber des Anfangs
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne: Als Bundesumweltministerin arbeitet Merkel 1995 noch völlig entspannt mit Horst Seehofer zusammen - wie hier während einer Bundestagssitzung. Seehofer ist zu dem Zeitpunkt Bundesgesundheitsminister.
Ein letztes Lächeln vor dem Krach
Merkel und Seehofer im vertraulichen Gespräch im Oktober 2004. Wenige Wochen später kommt es zum ersten Riss in ihrer Beziehung. Seit Monaten diskutiert die Union über eine Gesundheitsreform. Seehofer stellt sich als stellvertretender Unionsfraktionsvorsitzender gegen CDU-Parteichefin und Oppositionsführerin Merkel - und verliert den Machtkampf. Aus Protest legt Seehofer sein Amt nieder.
Streit wegen der Flüchtlinge
September 2015: Bundeskanzlerin Merkel lässt die Grenzen auch angesichts der großen Zahl an Flüchtlingen offen. Sie informiert Seehofer darüber lediglich per SMS. Seehofer macht gerade Urlaub in seinem bayerischen Ferienhaus. Er spricht bald darauf von einem "Fehler, der uns lange beschäftigen wird."
Drohung mit Verfassungsklage
Seehofer versucht, Merkels Wir-schaffen-das-Politik auszubremsen. Der Ton verschärft sich. Im Oktober 2015 warnt der CSU-Chef mittlerweile nicht nur, sondern er droht sogar mit einer Verfassungsklage, falls der Bund den Flüchtlingszuzug nicht eindämmt. Allerdings nimmt er nach einer Aussprache mit der CDU davon Abstand. Die Gefahr eines Bruchs ist damit abgewendet.
Standpauke auf dem Parteitag
Seehofer hält Merkel auf dem Münchener CSU-Parteitag im November 2015 überraschend eine minutenlange Standpauke. Die Bundeskanzlerin sieht während der Tirade des CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten wie eine gedemütigte Schülerin aus. Zuvor hatte Merkel die von Seehofer geforderte Obergrenze von Flüchtlingen erneut abgelehnt. Am nächsten CSU-Parteitag nimmt Merkel nicht teil.
Gemeinsamer Wahlkampf trotz Konflikte
Im Mai 2017 geht der Wahlkampf für die Bundestagswahl in die heiße Phase. Der gemeinsame Auftritt Merkels und Seehofers im bayerischen Bierzelt ist ein Pflichttermin. Jetzt heißt es, gute Miene zum bösen Spiel machen. Doch Begeisterung sieht anders aus.
Eiszeit trotz Wahlsieg
Nach der Bundestagswahl und quälenden Koalitionsgesprächen für eine neue Bundesregierung bleibt die Atmosphäre zwischen den Kontrahenten eisig. Mal stichelt Seehofer, mittlerweile Innenminister, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, was Merkel anders sieht. Mal kündigt er einen Masterplan für Migration an, dessen Veröffentlichung er auf Drängen Merkels verschieben muss.
Verlierer im anderen Machtkampf
Der Streit mit Merkel hat Seehofer verwundbar gemacht. Längst ist er auch in der eigenen Partei umstritten. Zwar kann er sich als CSU-Chef halten, aber nicht als bayerischer Ministerpräsident. Sein innerparteilicher Gegenspieler, der bayerische Finanzminister Markus Söder, wird im März 2018 neuer Ministerpräsident.
Gesichter der Entfremdung
Öffentliche Eiszeit: Die Entfremdung zwischen Merkel und Seehofer ist im Bundestag regelmäßig zu besichtigen. Die Bundeskanzlerin und der Innenminister sind in der Flüchtlingsfrage auf maximale Distanz gegangen - inhaltlich und persönlich - auch wenn sie auf der Regierungsbank nur ein Sitz voneinander trennt.
Neue Eskalation nach EU-Gipfel
Merkel handelt auf dem EU-Gipfel im Juni 2018 Zusagen für eine Flüchtlingsrückführung aus. Doch Seehofer ist mit den Ergebnissen unzufrieden. Er deutet seine Bereitschaft an, als Innenminister und CSU-Chef zurückzutreten. Wenig später erklärt er nach dramatischen Verhandlungen den Rücktritt vom Rücktritt. Seehofer bleibt in beiden Ämtern - zunächst.
Abschied von der Macht
Die Umfragewerte der Unionsparteien befinden sich im Sinkflug. Bei der Landtagswahl in Hessen bleibt die CDU zwar stärkste Kraft, verzeichnet aber massive Stimmverluste. Die Wähler quittieren damit auch den Auftritt der Großen Koalition in Berlin und den Richtungsstreit innerhalb der Union. Als Konsequenz kündigt Merkel an, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren.
Auch neuer Parteichef für CSU?
Und wie reagiert Seehofer auf Merkels schrittweisen Abschied von der Macht? Er sagt: "Es ist schade. Ich sage ausdrücklich: Es ist schade". Nun hoffen manche in der Union, dass auch bei der CDU-Schwesterpartei ein Wechsel naht. Aus CSU-Kreisen in Bayern verlautet, man rechne nun mit einer baldigen Erklärung Seehofers zu seiner politischen Zukunft.