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Politik

Merkel: "Wir haben den Weckruf der Jugend gehört"

23. September 2019

Die Kanzlerin: staatsmännisch. Greta Thunberg: außer sich vor Wut, mit Tränen in den Augen. UN-Generalsekretär Guterres: versöhnlich. Trump: Applaus - und ab. Auf dem Klimagipfel in New York prallen Welten aufeinander.

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UN-Klimagipfel New York | Angela Merkel & Antonio Guterres, UN-Generalsekretär
"Globale Herausforderung": Angela Merkel mit UN-Generalsekretär Guterres in New YorkBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Als Angela Merkel ans Pult tritt, sind die Emotionen im Saal wieder heruntergedimmt. Blauer Blazer vor blauem Hintergrund. Seriöse Anteilnahme nach dem Wutausbruch, dessen Zeugin die Kanzlerin gerade geworden ist. "Wir haben den Weckruf der Jugend gehört", beginnt Merkel und blickt auf ihr Manuskript. Greta Thunberg kommt in ihrer Rede namentlich nicht vor. Dabei hatte Regierungssprecher Steffen Seibert eilends noch ein Foto auf Twitter veröffentlicht, das die Kanzlerin mit der jungen Schwedin zeigt.

"Wir haben alle nur eine Erde", sagt Merkel und bekennt sich erneut zum Pariser Klimaabkommen. Die Industriestaaten seien die Hauptverursacher der Erderwärmung, die Entwicklungsländer hingegen die Hauptleidtragenden. Deutschland sehe seine Verantwortung national und international. Die Mittel für den weltweiten Klimaschutz würden im Verhältnis zu 2014 von zwei auf vier Milliarden Euro aufgestockt.

In Deutschland lebe rund ein Prozent der Weltbevölkerung - doch der Anteil am weltweiten CO2-Ausstoß liege bei zwei Prozent, rechnet Merkel vor. "Wenn alle so handelten wie Deutschland, würden sich die Emissionen weltweit verdoppeln." Deshalb werde die Bundesregierung energisch gegensteuern, verspricht die Kanzlerin - und zählt die Eckpunkte des in Deutschland bereits vorgestellten Klimapakets auf.

Thunberg: "Wie konntet ihr es wagen?"

Ganz anders war die Stimmung im Saal, als sich die schwedische Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg - im Sitzen, dabei aber weitaus energischer als Merkel im Stehen - an die versammelten Politiker richtete. Sie warf ihnen eklatantes Versagen beim Klimaschutz vor. "Menschen leiden. Menschen sterben. Wir befinden uns am Anfang eines Massen-Aussterbens, und alles, woran ihr denken könnt, sind Geld und Märchen von ewigem Wachstum", rief Thunberg mit Tränen in den Augen.

Rasch steigerte sich ihre Rede zu anklagendem Zorn. "Wie konntet ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten zu stehlen?", fragte Thunberg. Gleich ihre ersten Worte waren eine Drohung: "Meine Botschaft ist: Wir beobachten euch. Wenn ihr uns im Stich lasst, werden wir euch niemals vergeben."

UN-Generalsekretär António Guterres hatte - wie die Schwedin und die von ihr angestoßenen Fridays-for-Future-Bewegung - in seiner Eröffnungsrede zur Eile gemahnt. "Das ist kein Klima-Gipfel der Reden. Wir haben genug geredet", sagte Guterres. "Das ist kein Klima-Gipfel der Verhandlungen. Man verhandelt nicht mit der Natur. Das ist ein Klima-Gipfel der Taten." Die jungen Klimaaktivisten hätten recht, wenn sie "sofortiges Handeln" verlangten, sagte Guterres. Die ältere Generation habe bisher beim Klimaschutz versagt.

950 neue Kohlekraftwerke allein in Afrika

Als Teil einer globalen Kehrtwende dürfe man nicht weiter "Billionen von Steuergeldern" für die Unterstützung des fossilen Energiesektors ausgeben, so der UN-Generalsekretär. Weltweit müsse auf den Bau neuer Kohlekraftwerke verzichtet werden. Tatsächlich sind aber nach Angaben von Bundesumweltminister Gerd Müller derzeit allein in Afrika 950 neue Kohlekraftwerke geplant oder schon im Bau.

UN-Klimagipfel New York | Donald Trump, US-Präsident | Blick auf Uhr
Fünf vor zwölf - oder einfach "time to go"? Trump kam, saß ein paar Minuten ab, klatschte und gingBild: Reuters/J. Ernst

Auch US-Präsident Donald Trump erschien überraschend beim Gipfel in New York - allerdings nur für wenige Minuten. Trump setzte sich ins Plenum, hörte einige Augenblicke der Rede des indischen Premierministers Narendra Modi zu, applaudierte - und ging. Der US-Präsident hat den menschengemachten Klimawandel immer wieder angezweifelt. 2017 kündigte er den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015 an.

Merkel-Rede in der Mangel

Auf der anderen Seite des Atlantiks zerrissen kurz darauf zahlreiche Umweltverbände Merkels Rede am East River in der Luft. Mit ihrem "Werbeblock für die deutsche Klimapolitik" versuche die Kanzlerin lediglich, über "die fortgesetzte Missachtung des Pariser Klimaschutzabkommens" durch die Bundesregierung hinwegzutäuschen, erklärte etwa der Klimaexperte der Organisation Oxfam, Jan Kowalzig. Und mit ihren Finanzzusagen habe die Kanzlerin nur Ankündigungen wiederholt, mit denen sie schon 2015 hervorgetreten sei.

jj/hf (dpa, afp, rtr, youtube)