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Messi nach WM-Thriller: "Diego schaut auf uns herab"

Pascal Jochem Katar
10. Dezember 2022

Argentinien bezwingt in einer dramatischen Viertelfinal-Schlacht die Niederlande im Elfmeterschießen. Lionel Messi trifft und bedankt sich bei Maradona.

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Nach seinem Elfmetertor gegen die Niederlande zeigt Lionel Messi mit seinen Fingern, dass es sein zehnter WM-Treffer war.
Lionel Messi trifft zum zehnten Mal bei einer WM - seine Mannschaft steht im Halbfinale der WM in KatarBild: Ariel Schalit/AP/picture alliance

Nach 120 Minuten Wahnsinn im Viertelfinal-Thriller zwischen Argentinien und Niederlande sind all die Raufereien auf dem Rasen, all die Tritte, Traumpässe und Tore kurz vergessen. Es kommt zum ultimativen Showdown: Elfmeterschießen zum Einzug ins WM-Halbfinale.

Lionel Messi ist der erste, der für Argentinien aus dem Mittelkreis zum Elfmeterpunkt schlendert. Und mit ihm zittern nicht nur fast 90.000 Zuschauer im Lusail-Stadion in Doha, das fest in argentinischer Hand ist. Mit ihm zittert vermutlich ganz Argentinien. Mit ihm zittern in diesem Augenblick Millionen von Fans rund um den Globus - ob in Barcelona, Lagos, Dhaka oder Kathmandu.

Messi trifft vom Elfmeterpunkt

Argentiniens Torwart Emiliano Martinez pariert den Elfmeter des Niederländers Virgil van Dijk.
Argentiniens Torwart Emiliano Martinez pariert den Elfmeter des Niederländers Virgil van DijkBild: Ricardo Mazalan/AP Photo/picture alliance

Auf der Tribüne liegen sich Männer in blau-weißen Trikots in den Armen, der Kopf auf der Brust des besten Kumpels abgelegt. Sie können nicht hinsehen. Ein anderer Fan lässt nervös die Perlen eines kleinen Rosenkranzes durch seine Finger gleiten. Eine Frage liegt in der Luft: Wird Messi zum tragischen Helden? Verschießt er diesen Elfmeter und Argentinien scheidet aus? Ist dies sein allerletzter Schuss bei einer Weltmeisterschaft?

Messi versenkt den Elfmeter lässig in der Mitte des Tores. Ein argentinischer Journalist auf der Pressetribüne fängt an zu weinen. Und als Argentinien nach großem Kampf schließlich mit 4:3 im Elfmeterschießen gewinnt, reißen sich einige Anhänger die Trikots vom Leib und wedeln damit durch die Luft. Der Fan mit dem Rosenkranz blickt in den Himmel und bedankt sich.

Der ewige Messi-Maradona-Vergleich

Auch Messi selbst schickt nach dem Spiel auf der Pressekonferenz einen Gruß in den Himmel: "Diego schaut auf uns herab. Er drängt uns immer weiterzumachen, er hilft uns von ganz oben." Der verstorbene Diego Maradona spielt immer irgendwie auch mit, in den Herzen der Argentinier. Folklore und Faszination. Auch wenn viele Anhänger die Vergleiche mit Messi nicht mehr hören können. Es sind die genialen Momente, welche die beiden großen Argentinier mit der Nummer 10 auszeichnen.

Auch gegen die Niederlande hat Messi wieder einige davon geliefert. Erst spielte er einen brillanten, auf die Sekunde genau getimten Pass, der Argentinien das 1:0 durch Nahuel Molina ermöglichte (35.). In der zweiten Halbzeit dann verwandelte Messi selbst einen Foulelfmeter zur 2:0-Führung (73.). Es war der zehnte WM-Treffer seiner Karriere. Damit zog der 35-Jährige mit dem WM-Rekordtorschützen der Argentinier, Gabriel Batistuta, gleich.

Wout Weghorst bejubelt seinen Treffer zum 1:2.
Wout Weghorst (2.v.l.) hielt das Oranje-Team mit zwei späten Toren im SpielBild: Tom Weller/dpa'/picture alliance

Doch anschließend entfaltete sich eine Dramatik, die die meisten Zuschauer im Stadion nicht mehr für möglich gehalten hatten. Argentinien kassierte in einer hitzigen Schlussphase mit heftigen Fouls und Rudelbildungen noch zwei Gegentore. Als der Ex-Wolfsburger Wout Weghorst nach seinem ersten Kopfballtreffer (83.) in der elften Minute der Nachspielzeit einen sensationellen Freistoß-Trick der Niederländer zum Ausgleich abstaubte, war es plötzlich still im Stadion. Schockstarre, die argentinische Mannschaft lag am Boden. Messi trottete zum Anstoß.

Argentinien bezwingt Niederlande wie 2014

 "Wir haben sehr gelitten, es am Ende aber doch noch durchgebracht", sagte Messi direkt nach dem Spiel. "Die mentale Stärke zeichnet uns aus. Wir haben die Nerven behalten", ergänzte Lautaro Martinez und wie fast alle Argentinier schimpfte auch er über Schiedsrichter Mateu Lahoz aus Spanien, der komplett die Kontrolle über das Spiel verloren hatte. Er verteilte 17 Mal Gelb und einmal Gelb-Rot. WM-Rekord.

Nach der torlosen Verlängerung verwandelte Martinez den letzten entscheidenden Elfmeter der Argentinier und löste einen Jubelsturm im Stadion aus. Auf dem Rasen feierte Messi vor den Fans, während andere Mitspieler erneut mit Niederländern aneinandergerieten. Auch im WM-Halbfinale 2014 hatte Argentinien Oranje im Elfmeterschießen besiegt. Doch die Krönung blieb aus, im Finale ging bekanntlich Deutschland als Sieger vom Platz.

Auch diesmal ist das Finale das erklärte Ziel - am 18. Dezember, im Lusail-Stadion. Und es wächst der Glaube daran, in der Mannschaft und auch unter den Fans Argentiniens, dass Messis letzter Tanz ihn tatsächlich nochmal dorthin führt. Nach einer peinlichen Niederlage zum WM-Auftakt gegen Saudi Arabien hat sich die Mannschaft von Spiel zu Spiel gesteigert. Argentinien schreckt dabei vor nichts zurück, Aggressivität und rüde Fouls gehören zum Standardrepertoire. Selbst nach der verrückten Partie gegen die Niederlande ging es weiter hoch her, erst Schubsereien und Provokationen auf dem Rasen. Und auch später in den Katakomben gifteten die Teams weiter gegeneinander, auch Messi war involviert.

Nun geht es im Halbfinale gegen Kroatien, das gerade erst Brasilien rausgeworfen hat.

Vor dem Stadion dagegen blieb es friedlich. Hunderte argentinische Anhänger stimmten ihre Gesänge an. Von großen Siegen und Pokalen, die gewonnen werden. Von der Liebe zur Heimat Argentinien. Von den beiden Söhnen Maradona und Messi.