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Migranten als Medienmacher sind selten

7. Mai 2011

Fast jeder fünfte Deutsche hat Migrationshintergrund. Dagegen hat nur jeder 25. Journalist nicht-deutsche Wurzeln. Wo liegen eigentlich die Schwierigkeiten? Die Suche nach Ursachen führt auch zu TV-Star Nazan Eckes.

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Star und Vorbild: Nazan Eckes (Foto: dpa)
Star und Vorbild: Nazan EckesBild: picture alliance / dpa

Nazan Eckes hat türkische Eltern, sie ist zweisprachig aufgewachsen und hat das Handwerkszeug des Journalismus gelernt: mit einem Volontariat, als Reporterin und Moderatorin. Heute ist sie einer der Stars des privaten Fernsehsenders RTL. Sie nennt zwei Gründe, warum sie mit ihrer Herkunft eine Ausnahme im deutschen Journalismus ist: Zum einen würden sich viele junge Leute mit Migrationshintergrund diese Berufe nicht wirklich zutrauen. "Weil sie die Vorstellung haben, dass die aufgrund der Sprache schon Deutschen deutscher Herkunft vorbehalten sind. Und dann glaube ich aber auch umgekehrt, dass es eine Zeit lang wirklich auch schwierig war, so einen Einstieg zu finden. Trotz guter Zeugnisnoten und trotz einer guten Qualifikation." Für ihre eigene Karriere sei es aber nie relevant gewesen, dass sie türkischer Herkunft sei, sagt Eckes.

Sprache als Hürde

Nazan Eckes (r.) mit dem deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut Özil bei der Verleihung des Medienpreises Bambi 2010 - Eckes und Özil haben beide türkische Wurzeln (Foto: dpa)
Nazan Eckes (r.) mit dem deutschen Fußball-Nationalspieler Mesut ÖzilBild: picture alliance/dpa

Auch Yasmin Osman ist Journalistin, mit einem sudanesischen Vater und einer deutschen Mutter. Sie spricht kein Sudanesisch und hat sich schon immer als Deutsche gefühlt. Auch unter ihren Kollegen in der Frankfurter Bankenwelt spiele ihre Herkunft keine Rolle, sagt sie. Obwohl sie als Finanzredakteurin für die Zeitung "Handelsblatt" eine Ausnahme sein dürfte.

In Printmedien liegt der Anteil an Journalisten mit Migrationshintergrund laut einzelner Studien sogar unter zwei Prozent. Ein Blick ins Impressum zahlreicher Tageszeitungen bestätigt dies. Osman vermutet, dass für Viele die Sprache eine Hürde ist. "Das erklärt natürlich nicht, warum wenig Journalisten existieren, die einen bi-nationalen Hintergrund haben so wie ich."

Expertenwissen über die Türkei als Zusatzqualifikation

Erkan Arikan (Foto: DW-TV)
Erkan ArikanBild: DW-TV

Erkan Arikan hat türkische Eltern, ist in Deutschland groß geworden und selbst Deutscher. Er war als Redakteur, Redaktionsleiter und Moderator für verschiedene Sender tätig. Heute arbeitet er in der Redaktion ARD-Aktuell, die für Nachrichtensendungen wie Tagesschau und Tagesthemen zuständig ist. Er sagt, er habe damals großes Glück gehabt, bei einem Nachrichtensender wie n-tv zu arbeiten, wo seine Herkunft vollkommen egal gewesen sei. "Dass ich ein Expertenwissen hinsichtlich der Türkei oder des Islam hatte, war eine angenehme Begleiterscheinung für meine Vorgesetzten damals."

Arikan hat auch beobachtet, dass sich Menschen mit ausländischen Wurzeln nicht so sehr für den Beruf des Journalisten interessieren. Und wenn doch, würden sie oft in kleinen Regionalredaktionen eingesetzt und Themen rund um ihre ehemaligen Landsleute machen.

Wenige Journalisten mit türkischem Hintergrund

Mikrofone: Unverzichtbares Werkzeug für Journalisten
Mikrofone: Wichtiges Werkzeug für Journalisten

Auch wenn Nazan Eckes und Erkan Arikan türkische Wurzeln haben, sind gerade Türken in deutschen Redaktionen bislang selten zu finden. Obwohl sie die größte Migrantengruppe in Deutschland sind. Arikan meint, es fehlten Vorbilder im eigenen Umfeld. Außerdem habe der Journalistenberuf ein schlechtes Image. "Als ich damals meinen Eltern offenbart habe, dass ich Journalist werden möchte, war der erste Spruch meines Vaters: 'Sohn, kannst du nicht was Vernünftiges machen?'" Stattdessen entschieden sich Migranten mit Abitur offenbar eher für Berufe wie Anwalt, Arzt oder Ingenieur.

"Annäherung an die Normalität im Alltag"

Auch der so genannte Nationale Integrationsplan der Bundesregierung sieht vor, dass mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den Journalismus gewonnen werden sollen. Weil dies - wie es heißt - sowohl "für die Annäherung an die Normalität im Alltag als auch für die Behandlung von Migrations- und Integrationsthemen unabdingbar" sei. Im Abschlussbericht der Dialogforen, der voraussichtlich im Herbst 2011 vorliegt, soll es Empfehlungen an die Medien geben.

Initiativen, die junge Menschen mit ausländischen Wurzeln für den Journalismus qualifizieren wollen, gibt es bereits seit einigen Jahren. Beispielsweise ein Stipendienprogramm der Böll-Stiftung, an dem auch die Deutsche Welle beteiligt ist. Oder die Aktion "Grenzenlos" des WDR, Deutschlands größte öffentlich-rechtliche Sendeanstalt.

Raus aus den Nischen, rein in die Hauptredaktionen

Seit 2008 gibt es zudem die "Neuen deutschen Medienmacher". Zunächst ein Netzwerk, nun auch ein Verein, der sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzt. Der Zusammenschluss von Journalisten fördert ebenfalls ein Ausbildungsprogramm für junge Migranten. Bei dem Mentorenprogramm liege ihnen am Herzen, dass die Nachwuchsjournalisten nicht in Nischen-Redaktionen hängen bleiben, sondern in Hauptredaktionen arbeiten, sagt Marjan Parvand, Vorsitzende des Vereins: "Mein Problem ist, dass in den Redaktionen, die für das Gros der Gesellschaft produzieren, die Vielfalt der Meinungen fehlt."

Anne Lührs von der Aus- und Fortbildungsredaktion des WDR bestätigt das: "Ganz viele Hospitanten der Aktion 'Grenzenlos' gehen dann doch zur Redaktion von Funkhaus Europa, dem mehrsprachigen Programm des WDR. Oder zu Cosmo TV, dem interkulturellen Europamagazin."

Medien verzichten auf Publikum und Käufer

Die Bundespressekonferenz in Berlin (Foto: dapd)
Die Bundespressekonferenz in BerlinBild: dapd

Es gibt Bemühungen, mehr Journalisten nicht-deutscher Herkunft auszubilden und zu beschäftigen, doch große Veränderungen lassen noch auf sich warten. Journalistik-Professor Horst Pöttker von der Technischen Universität Dortmund sieht dabei auch das Interesse der Redaktionen: "Ich glaube, dass deutsche Medien auf die Dauer nicht darauf verzichten können, 20 Prozent des potenziellen Publikums von vornherein als Rezipienten, als Empfänger, letztlich auch als Käufer abzuschreiben."

Doch dafür müsse man auch die richtigen Leute haben, die verstehen würden, welche Inhalte gefragt seien. Pöttker, der über einen Arbeitskreis die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, berät, ergänzt: "Wir können in dieser Frage viel von den klassischen Einwanderungsgesellschaften in Nordamerika lernen. Die amerikanischen Berufsverbände publizieren seit Ende der 1970er jedes Jahr den Anteil der großen vier Minderheiten am Redaktionspersonal der Zeitungen. In dieser Zeit ist der Anteil von vier Prozent auf knapp 14 Prozent gestiegen."


Autorin: Klaudia Prevezanos
Redaktion: Michael Borgers