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Politik

Migration für Deutschland

4. April 2017

Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz? Wer darf, wer soll nach Deutschland kommen? Im Wahlkampf ist das für alle Parteien ein wichtiges Thema. In Berlin haben jetzt die Grünen ihr Konzept vorgestellt.

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Bild: picture-alliance/ dpa

Das Thema Zuwanderung ist in Deutschland ein heißes Eisen. Nicht ohne Grund, denn jede Gesellschaft verändert sich, wenn neue Mitglieder dazu kommen. Das kann nützlich sein, kann für die bestehende Gesellschaft aber auch negative Folgen haben und sie überfordern. Wohl auch unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise haben sich inzwischen alle im Bundestag vertretenen Parteien mit dem Thema Zuwanderung auseinandergesetzt. Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Politiker dafür eintreten, die Einwanderung gesetzlich zu regeln.

Der bislang liberalste Vorschlag kommt von den Grünen. Sie schlagen eine "Talentkarte" vor. "Eine Karte, mit der gut qualifizierte Fachkräfte mit ihren Familien ohne Nachweis eines Arbeitsplatzes kommen können", sagt die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt: "Sie können dann ein Jahr lang ausprobieren, ob sie in Deutschland einen Arbeitsplatz finden." Soziale Hilfen soll es in dieser Zeit nicht geben, die Bewerber müssten selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Rekrutierung in Vietnam

Göring-Eckardt sieht darin eine Chance vor allem für kleine Betriebe in Deutschland, Fachkräfte zu finden: Handwerksbetriebe, aber auch kleinere Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. "Wir wissen, dass große Konzerne, große Kliniken längst ihre Personalrekrutierungsbüros in anderen Ländern haben, beispielsweise in Vietnam." Kleine Betriebe hätten diese Möglichkeit nicht, sie seien darauf angewiesen, dass die Fachkräfte zu ihnen nach Deutschland kommen.

Deutschland Grüne stellen Entwurf zum Einwanderungsgesetz vor
Katrin Göring-Eckardt bei der Vorstellung des EinwanderungsgesetzesBild: picture alliance/dpa/M. Gambarini

Darüber hinaus wollen die Grünen die bestehenden Möglichkeiten zur Einwanderung entbürokratisieren. Visa-Beschränkungen für gering Qualifizierte müssten abgebaut werden. Die Vorrang-Prüfung für qualifizierte Jobs soll gestrichen werden. Damit würde nicht mehr geprüft, ob ein Deutscher oder EU-Bürger für den Job ebenfalls infrage käme. Familien sollen von Beginn an mitziehen dürfen, ohne dass Angehörige schon vor der Einreise Sprachkenntnisse vorweisen müssen.

Vom Asylbewerber zum Zuwanderer

Ein weiterer Schwerpunkt soll die leichtere Einwanderung über ein Studium oder eine Aus- und Weiterbildung mit qualifiziertem Berufsabschluss sein. Die Grünen wollen zudem Asylsuchenden und Geduldeten ermöglichen, bei entsprechenden Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis zu Arbeitszwecken zu erhalten. Einwanderungs- und Asylrecht sollten zwar getrennt bleiben, ein "Spurwechsel" müsse aber möglich sein, sagt Göring-Eckardt.

Wie die SPD wollen auch die Grünen die Einwanderung grundsätzlich mit Hilfe eines Punktesystems nach kanadischem Vorbild regeln, zugeschnitten auf die Bedürfnisse des deutschen Arbeitsmarkts. Die SPD hatte im November vergangenen Jahres vorgeschlagen, Punkte beispielsweise für Qualifikation, Sprachkenntnisse, Lebensalter, Arbeitsplatzangebot und Integrationsaspekte zu vergeben, wie etwa Berufserfahrung oder Verwandtschaft in Deutschland. Wenn ein konkretes Jobangebot vorliegt, soll der Bewerber im Ranking automatisch nach oben rutschen.

Wer entscheidet?

Die Sozialdemokraten wollen die Entscheidung darüber, wie viele Personen jährlich zuwandern dürfen, dem Bundestag überlassen. Die Grünen schlagen eine unabhängige Einwanderungskommission vor. Die mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Behörden besetzte Kommission soll festlegen, welche Kriterien Zuwanderer erfüllen müssen und wie viele kommen dürfen. Die Kommission könne flexibel reagieren, etwa wenn der Bedarf auf dem deutschen Arbeitsmarkt sich ändere oder die Konjunktur einbreche, sagte der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, in Berlin.

SPD und Grüne haben damit die bislang konkretesten Vorstellungen entwickelt, wie ein Einwanderungsgesetz aussehen könnte. Ganz anders sieht das bei CDU und CSU aus. Die Union ist quer durch beide Parteien gespalten. Die einen sagen: Alles ist geregelt, was zu regeln ist, das meiste davon durch die EU. Die anderen sagen: Das reicht nicht. Als CDU-Generalsekretär Peter Tauber vor zwei Jahren ein Einwanderungsgesetz ins Gespräch brachte, bekam er aus den eigenen Reihen heftig Contra.

Zuwanderung regeln oder verhindern?

Für viele überraschend steht das Thema allerdings in einer Vorlage für das Wahlprogramm von CDU und CSU, die im Februar auf einer Klausurtagung der Union vorgelegt wurde. Darin heißt es: "Zusätzlich braucht Deutschland ein Regelwerk zur Steuerung von Einwanderung, denn Deutschland muss künftig auch verstärkt auf Fachkräfte aus dem Ausland setzen, um den Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu decken." Das ist eine Absichtserklärung, mehr noch nicht.

Deutschland CSU CDU Zukunftsgipfel
Einig sind sich Angela Merkel und Horst Seehofer beim Thema Zuwanderung noch nichtBild: picture-alliance/SvenSimon

Möglicherweise ist sie verbunden mit dem Hintergedanken, Zuwanderung auf gesetzlichem Weg irgendwie begrenzen zu können. Im Grundsatzprogramm der CSU steht nämlich auch: "Es gibt eine Obergrenze für die Aufnahme und Integration. Zuwanderung muss kontrolliert, gesteuert und begrenzt werden." Doch der Druck der Wirtschaft auf die Unionsparteien ist groß. Selbst in Bayern haben Unternehmen Schwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden.

Die Linke spricht von "Nützlichkeitsrassismus"

Konsequent gegen ein Einwanderungsgesetz votiert nach wie vor die Linke. "Deutschland braucht kein Einwanderungsgesetz, das dem Kapital bessere Ausbeutungsbedingungen schafft und letztlich auf Lohndumping abzielt", kritisiert die Integrationsbeauftragte der Linken, Sevim Dagdelen: "Ein solches Auslesesystem ist neoliberal und im Kern rassistisch." Die Wirtschaft müsse in die hiesige Ausbildung investieren, statt Fachkräfte aus ärmeren Ländern abzuwerben. "Dieser Brain Drain ist für die betroffenen Länder verheerend und führt Entwicklungspolitik ad absurdum", sagt Dagdelen.