Minderheiten als Flüchtlinge nicht geduldet
2. Oktober 2013Es brauchte schon das Machtwort des Gouverneurs, um dem Streit um die Flüchtlinge in der ostkongolesischen Stadt Oicha ein vorläufiges Ende zu setzen. Dutzende Menschen waren vor Rebellen der sogenannten ADF-NALU ("Vereinte Demokratische Kräfte - Nationale Armee für die Befreiung Ugandas") geflohen, die ihre Heimat in der Grenzregion zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Uganda unsicher machen. Während der Sommerferien hatten sie in den Räumen einer Grundschule in dem 200.000-Einwohner-Ort Oicha Unterschlupf gefunden, rund 70 Kilometer von der ugandischen Grenze entfernt.
Doch spätestens mit dem Schulbeginn war es mit der Geduld der Anwohner am Ende, der Streit um die Unterbringung der Flüchtlinge wurde ein Medienthema in der Region. "Diese Pygmäen werden wir schon aus unserem Klassenraum vertreiben", sagte eine Schülerin Reportern des Lokalradios. Um der lokalen Bevölkerung entgegenzukommen, hat eine Hilfsorganisation Plastikplanen für Behelfsunterkünfte auf dem Schulgelände verteilt, in denen sich die Flüchtlinge tagsüber aufhalten können. So kann der Unterricht nun zwar weitergehen, gern gesehen sind die Gäste aber immer noch nicht.
Mangel an Verständnis
"Pygmäen" - so werden die Angehörigen der kleinwüchsigen Volksgruppe im Ostkongo häufig genannt, sie selbst bezeichnen sich als Bambuti. Sie leben in kleinen Siedlungen im zentralafrikanischen Urwald. Immer wieder seien sie Spott und Gehässigkeiten durch andere Bevölkerungsgruppen ausgesetzt, sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen. Besonders Minderheiten wie die Bambuti leiden unter der Gewalt im Kongo - denn dort, wo sie Schutz suchen, sind sie nicht immer willkommen. "Uns wurden in den letzten zwei Jahren mindestens ein Dutzend Fälle gemeldet, in denen die lokale Bevölkerung sagte: 'Wir wollen diese Flüchtlinge nicht. Die haben hier nichts zu suchen!'".
In den Wäldern des Ostkongos kenne sich kaum jemand so gut aus wie die Bambuti, sagt Delius im Gespräch mit der DW. Ihrem Wissen um Heilpflanzen oder Bienenzucht bringe die Mehrheitsbevölkerung aber wenig Respekt entgegen - bestenfalls nutzten Rebellengruppen wie die ADF-NALU sie als Fährtenleser aus.
Opfer gegen Opfer
In Oicha verteidigen sich die Flüchtlinge gegen die Vorwürfe der Stadtbewohner. "Wir Bambuti sind nur wegen des Krieges in der Stadt", sagte etwa ein Vertreter der Gruppe gegenüber der Deutschen Welle. "Dabei haben wir mit dem Krieg nichts zu tun. Wir sind im Wald zuhause." Auch Distriktgouverneur Amisi Kalonda kam und beschwichtigte: "Die Bambuti sind Menschen wie wir, sie sind unsere Väter und Geschwister", sagte er den Protestierenden vor der Schule und forderte sie auf, friedlich zu bleiben.
Ulrich Delius in Göttingen spricht von einer fatalen Situation: "Da treffen zwei Opfergruppen aufeinander." Auch andere Bevölkerungsgruppen in den Grenzregionen seien schließlich behördlicher Willkür und Gewalt durch Armee und Milizen ausgesetzt. "Dann tritt das stärkere Opfer noch auf das schwächere ein." Und die Bambuti seien in diesem Fall das schwächste Glied der Kette.
Im Schatten der M23
Experten schätzen, dass immer noch mehr als zwanzig verschiedene Rebellengruppen im Kongo aktiv sind. Für Schlagzeilen sorgte zuletzt vor allem die Bewegung des 23. März (M23), die seit über einem Jahr Gebiete in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda und Uganda besetzt hält.
Nach der vorübergehenden Einnahme der Provinzhauptstadt Goma im November 2012 begann die kongolesische Regierung mit den M23-Rebellen zu verhandeln. Trotz und internationaler Vermittler zeichnet sich jedoch bisher keine Lösung des Konflikts ab. Über andere Milizen und deren Opfer wird dagegen selten berichtet.
Als afrikanische Staatschefs Anfang September 2013 in der ugandischen Hauptstadt Kampala zusammentrafen, um eine Lösung für die M23-Krise zu finden, erinnerte Ugandas Präsident Museveni auch an die Rebellengruppe ADF-NALU an der Grenze zu seinem Land: Seit Jahren terrorisiere sie die Menschen auf der kongolesischen Seite der Grenze. Viele Bewohner hätten daher auch in ugandischen Schulen Schutz gesucht. "Diese Flüchtlinge leiden", sagte Museveni und bat die internationale Gemeinschaft, ihnen zur Hilfe zu kommen.