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Griechenland vor Tsipras retten

Irene Anastassopoulou14. Juli 2016

Kyriakos Mitsotakis, der neue Parteivorsitzende der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND), will an die Macht. Sein Ziel: Das Land vom linken Premier Alexis Tsipras "befreien". Wie und warum, das erläutert er der DW.

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Porträts Kyriakos Mitsotakis und Alexis Tsipras (Foto: Reuters/Francois Lenoir)
Bild: Reuters/A. Konstantinidis/F. Lenoir

Wenn die Griechen morgen ihre Regierung wählen würden, dann würde die pro-europäische konservative Partei Nea Dimokratia (ND) klar gewinnen. Umfragen zufolge hat der seit Januar amtierende ND-Vorsitzende Kyriakos Mitsotakis seine Partei in sechs Monaten nach vorn gebracht. Viele denken, dass er für das Amt des Premierministers geeigneter wäre als der Chef der linken Partei Syriza Alexis Tsipras.

Der in Harvard und Stanford studierte 48-jährige Pro-Europäer und Neoliberale Mitsotakis, der neben Regierungspraxis auch Erfahrung im Investmentbanking hat, ist Spross einer großen griechischen Polit-Dynastie. Sein Vater Konstantinos Mitsotakis war Premierminister, seine ältere Schwester Dora Bakoyannis Außen- und Kultusministerin sowie Bürgermeisterin von Athen.

Kyriakos Mitsotakis mit erhobenem Arm umringt von Anhängern (Foto: Reuters/M. Karagiannis)
ND-Parteichef Kyriakos Mitsotakis nach seiner Wahl im JanuarBild: Reuters/M. Karagiannis

Zur Familie Mitsotakis gehörte auch der charismatische Staatsmann Eleftherios Venizelos (1864-1936), der als Gründervater des modernen Griechenlands gilt. In einem Land, in dem die Missstände in der Politik als eine Art Erbkrankheit an jüngere Politiker aus alten politischen Familiendynastien weitergereicht werden, inszeniert sich Mitsotakis als Erneuer und Reformer.

Politische Vernunft gegen Populismus setzen

Seine Gegner, die auch innerhalb der eigenen Partei zu finden sind, beschuldigen ihn des politischen Selbstmords. Sie werfen ihm vor, er sei nicht in der Lage, die einfachen Leute mit glaubhaften Argumenten von der Richtigkeit seiner Politik zu überzeugen.

Im direkten Duell im Parlament schlage er laute Töne an, ohne das Charisma zu besitzen, Tsipras in die Enge zu treiben. Trotzdem hat Mitsotakis fest vor, das Land durch Neuwahlen aus der - wie er meint - "katastrophalen Politik" des amtierenden Premiers zu retten.

Griechenland Athen Parlament Kyriakos Mitsotakis
Kyriakos Mitsotakis im Parlament - manche Parteifreunde finden, da geht mehrBild: picture-alliance/Pacific Press/D. Karvountzis

"Ich habe Verständnis für die Sorgen im Ausland wegen wiederholter Wahlgänge in Griechenland, aber die Regierung Tsipras kann und will im Grunde keine Reformen und Privatisierungen durchführen," sagt Mitsotakis in einem exklusiven Gespräch mit der Deutschen Welle: "Von einer neuen Regierung unter der ND würde die Botschaft nach Europa gehen, dass man dem Populismus gerade jetzt - nach dem Brexit - nicht mit mehr Populismus, sondern mit Argumenten der reinen politischen Vernunft entgegentreten kann.

Mitsokakis sucht Nähe zu Entscheidern

Der Parteivorsitzende der stärksten griechischen Oppositionspartei und große Verfechter von Privatisierungen achtet sorgfältig auf sein Image. Er versucht, im Ausland das Profil eines vertrauenswürdigen griechischen Politikers aufzubauen. Mitsotakis hat enge Kontakte zur Europäischen Volkspartei geknüpft und sucht die Nähe zu wichtigen europäischen Entscheidungsträgern, etwa zu Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Er war schon zu Besuch beim französischen Wirtschaftsminister Emmanuel Macron. In London traf er mit namhaften Investoren zusammen, in Frankfurt erörterte er die Lage des griechischen Bankensektors mit EZB-Chef Mario Draghi. Im Mai traf er den russsischen Präsidenten Putin, vor kurzem wurde er in Israel vom Präsidenten und dem Regierungschef empfangen. Tsipras' Herausforderer nutzt jede Gelegenheit, sein Regierungsprogramm als nachhaltige Alternative zu dem des linken Premiers darzustellen.

Kyriakos Mitsotakis mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (Foto: picture-alliance/Russian Look)
Mag Begegnungen mit Machthabern - Kyriakos Mitsotakis mit dem russischen Präsidenten Wladimir PutinBild: picture-alliance/Russian Look

Mitsotakis hat zwar für das dritte Hilfspaket im Parlament gestimmt und war maßgeblich am pro-europäischen Kurs Griechenlands beteiligt, ist aber ein entschiedener Gegner des von ihm kritisierten "Politikmix", mit dem die Regierung die Staatsschulden zu drosseln versucht. Er plädiert z.B. für Kürzungen der Ausgaben im Staatssektor und gegen erhöhte Steuern.

"Griechenland hat inzwischen mit die höchsten Steuersätze unter europäischen Ländern. Durch ständige Steuererhöhungen werden keine höheren Einnahmen erwartet. Das Gegenteil ist der Fall", gibt Mitsotakis zu bedenken: "Ausländische Investoren bleiben weg, es entsteht ein schwarzer Markt im Arbeitsmarkt, die einfachen Leute können ihren Steuerverpflichtungen nicht nachkommen."

"Krise in Griechenland ist selbstgemacht"

Skeptisch äußert sich Mitsotakis auch zu den mit den Geldgebern vereinbarten Sparzielen. Ebenso wie der Internationale Wirtschaftsfonds und viele ausländische Ökonomen zweifelt auch er an der Realisierbarkeit des Wachstumsziels für das Bruttoinlandprodukt, das Griechenland ab 2018 erreichen muss. Mitsotakis plädiert für eine Kürzung. "Zusammen mit offensiven strukturellen Maßnahmen könnten wir dadurch den Teufelskreis der griechischen Wirtschaft durchbrechen", zeigt er sich überzeugt.

Porträt Kyriakos Mitsotakis (Foto: picture-alliance/NurPhoto/P. Tzamaros)
Mitsotakis ist für Reformen, aber nicht, weil das die Deutschen wollen...Bild: picture-alliance/NurPhoto/P. Tzamaros

Dennoch unterstützt er die Reformen der Hilfspakete. "Wir haben für die im Hilfsprogramm vorgesehen Reformen gestimmt, nicht weil die Deutschen oder Brüssel es wollten, sondern weil sie richtig für das Land sind. Im Übrigen ist die Krise in Griechenland selbstgemacht und nicht erst durch die Hilfspakete entstanden. Welcher griechische Politiker traut sich, die Wahrheit zu sagen?", fragt Mitsotakis.

Botschaft an "Freunde in Deutschland"

Die Flüchtlingskrise und der Brexit haben in den vergangenen Monaten das Thema "Griechenlandkrise" aus der öffentlichen Debatte verdrängt, obwohl in diesem Herbst eine wirtschaftliche Verschlechterung der Lage zu erwarten ist. Die neuen Verhandlungen mit den Geldgebern werden komplizierter. Man erwartet mehr Einschnitte, Kürzungen bei Renten und Gehältern, mehr Jugendarbeitslosigkeit und soziale Unruhen.

Mitsotakis läutet deshalb die Alarmglocken: "Unsere Freunde in Deutschland sollen wissen, dass die Zeit bis Ende 2018 verlorene Zeit ist. Wirtschaftlich werden wir zu dem Stand von 2014 zurückfallen. Deswegen braucht Griechenland eine neue verlässliche Regierung mit einer freundlichen Investitionspolitik." Das sei gut auch für die Partner in der EU der 27 Mitgliedsländer, betont er.